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Plenarsitzung

Transkript

Sebastian Striegel (GRÜNE):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kosmehl, ich glaube, wir tun als Demokratinnen und Demokraten in diesem Haus gut daran, uns Antifaschismus nicht in irgendeiner Form als zu missbilligenden Wert vorzuwerfen.

Herr Kirchner,

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

das, was Sie über Frau Quade gesagt haben, und der Vorschlag, Frau Quade zum Arbeiten irgendwohin zu schicken, sind wirklich sehr perfide Geschichten, die Sie hier betreiben.

(Zurufe - Lachen - Zustimmung)

Das lehnt direkt an das an, was Herr Poggenburg hier getan hat. Ich möchte das in Solidarität mit der Kollegin ausdrücklichen zurückweisen. Das geht nicht und das sollten wir im Parlament nicht tun.

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

Meine Damen und Herren! Was sich seit einigen Monaten an der Grenze zwischen Polen und Belarus vollzieht, ist ein Verbrechen. Denn es werden Menschen ihrer fundamentalen Rechte beraubt. Zum Teil überlassen wir Europäerinnen und Europäer sie schlicht dem Tod. Wir machen uns schuldig. Wir wissen um diese Schuld und es ist an uns, an Europa, dieses Sterben und dieses Leid zu beenden. Diese Menschen sind Menschen und keine Gefahr für unsere Sicherheit oder Waffen der hybriden Kriegsführung. Sie sind geflüchtete Menschen wie du und ich, Menschen, die in der Hoffnung auf ein neues Leben in Frieden und Sicherheit zum Opfer eines zynischen politischen Spiels geworden sind und es weiterhin werden.

Herr Kirchner, jeder   jeder!   der aus dem Jemen nach jahrelangem Bürgerkrieg flieht, hat mehr als gute Gründe dafür, unter anderem den, dass er dort von einer Hungersnot bedroht ist.

(Zustimmung - Zurufe)

Der Hauptverantwortliche für die grauenhafte Lage sind der belarussische Diktator Lukaschenko und sein Spiritus Rector Wladimir Putin. Leider zeigt sich auch   das ist sehr deutlich geworden   die Europäische Union nicht von einer guten Seite. Nach wie vor gibt es keine allgemeine Bereitschaft zur oft beschworenen gesamteuropäischen Aufnahme der Migrantinnen und Migranten. Stattdessen müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass ein Mitgliedsland der EU, nämlich Polen, seitens seiner Regierung offen gegen geltendes Recht verstößt. Denn dass es rechtswidrige Push-backs gegeben hat, daran kann trotz der Versuche, die Pressearbeit im Grenzgebiet zu verhindern, wohl kein ernstlicher Zweifel mehr bestehen. Auch Rüdiger Erben hat es sehr deutlich gemacht.

Das ist ein schmerzlicher Befund. Denn wenn die Europäische Union   ich glaube, darin sind wir uns einig, Herr Kosmehl   ein Raum des Friedens, der Freiheit und des Rechts sein will, dann muss Recht gelten, egal welche Nationalität ein Mensch hat. Ob die Regierung Polens auf diesen Weg zurückfindet, ist momentan leider offen. Ja, man wird auf europäischer Ebene sehr ernsthaft über Konsequenzen wegen dieses Rechtsverstoßes und im Übrigen leider auch wegen anderer Rechtsverstöße sprechen müssen.

Nun sind wir aber der Landtag von Sachsen-Anhalt. Ich denke, wir sollten uns daher primär auf das konzentrieren, was wir konkret tun können; denn die Außenpolitik ist nicht unser Beritt. Dabei helfen allgemeine Apelle eher wenig. Das gilt hierbei und das gilt für Pipelines. Wir halten aber die Möglichkeiten in Händen, um praktisch mit einem Landesaufnahmeprogramm zu helfen. Die rechtliche Grundlage ist vorhanden und, ja, Sachsen-Anhalt hat Platz. Städte wie Magdeburg und Halle haben sich bereits zu sicheren Häfen erklärt und mehrfach Aufnahmebereitschaft signalisiert. Auch das Bundesinnenministerium scheint mir unter der neuen Ministerin Nancy Faeser eher zu einem Einverständnis bereit als unter Horst Seehofer. Was allein fehlt, ist politischer Wille.

Meine Fraktion und ich persönlich haben bereits in der vergangenen Legislaturperiode aufgrund der unmenschlichen Zustände an der europäischen Außengrenze für ein Landesaufnahmeprogramm geworben. Es ging dabei nicht um eine unbestimmte Anzahl an Menschen, aber es wäre eine kraftvolle humanitäre Geste gewesen, die dem Ruf Sachsen-Anhalts gutgetan hätte. Leider war bei unseren damaligen Koalitionspartnern kein Wille zu erkennen, diesen Schritt zu gehen.

Ich kann daher nur an ihr Gewissen appellieren, diese Haltung zu überdenken. Die Argumente dagegen sind so bekannt wie falsch: Man wolle keine neuen Anreize schaffen und es solle eine gesamteuropäische Lösung her. Die ist aber nicht in Sicht. Die gibt es nicht, und ich sehe auch nicht, dass sie in Kürze kommt. Wir müssen weiter drauf hinarbeiten und wir sollten das auch miteinander tun. Aber ich kann doch nicht bis dahin die Hände in den Schoß legen und sagen, dass Europa es richten muss. Ich muss mich zuerst fragen, was ich selbst dafür tun kann.

Wir haben Folgendes vor Augen: Menschen sterben auf dem Mittelmeer in Libyen und an ungezählten anderen Orten und auch direkt vor unseren Augen an der Grenze zwischen Belarus und Polen. Wollen wir das wirklich auf uns nehmen, nur um am Ende ein wirkungsloses Zeichen zu setzen? Ich halte das nicht mehr für vertretbar. Meine Fraktion hält es nicht für vertretbar. Denn wer helfen kann und es beharrlich nicht tut, der macht sich mitschuldig. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)