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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 20

Beratung

Gesunde und kostenfreie Ernährungsangebote für Kinder und Jugendliche

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/2646

Änderungsantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/2708

Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/2723

Alternativantrag Fraktion AfD - Drs. 8/2726


Einbringen wird den Antrag die Abg. Frau Eisenreich.


Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gesunde, ausgewogene, nachhaltige und regelmäßige Ernährung ist für die gesundheitliche Entwicklung und für das gesamte Wohlbefinden des Menschen eine entscheidende Voraussetzung. Falsche Ernährungsmuster verursachen Mangelerscheinungen und Krankheiten wie Diabetes oder Adipositas oder Entwicklungsdefizite und Wachstumsstörungen, die im späteren Leben von Kindern und Jugendlichen nicht mehr korrigiert werden können.

Also ist es umso wichtiger, dass Kinder und Jugendliche frühzeitig in Kita und Schule an dieses Thema herangeführt werden und dass dieses Thema für sie auch praktisch erlebbar wird. Das ist eine der besten Vorsorgemaßnahmen für die gesunde körperliche und geistige Entwicklung junger Menschen. Allerdings ist die Situation in Sachsen-Anhalts Kitas und Schulen deutlich verbesserungswürdig.

Gleichzeitig erleben wir seit Jahren, dass insbesondere an den weiterführenden Schulen der Anteil von Schülerinnen und Schülern, die an der Essenversorgung teilnehmen, zurückgeht. Das hat viele Ursachen. Die Qualität des Essens und ausreichend Zeit zur Einnahme sind zwei Gründe, aber auch geringe Einkommen in den Familien sorgen dafür, dass viele Kinder und Jugendliche nicht mehr an der Essensversorgung teilnehmen. Diese Situation nimmt weiter dramatische Züge an.

Erst hat Corona dafür gesorgt, dass durch die komplizierten Essenslieferungen und Zusatzkosten viele von der Essenversorgung Abstand genommen haben. Nun ist es die aktuelle Inflation, bei der inzwischen Lebensmittel zum größten Preistreiber geworden sind, aber eben auch die Betriebskosten der Versorger.

(Unruhe)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Eisenreich, einen Augenblick, bitte. - Herr Rausch, wenn Sie Abstimmungsbedarf haben, dann wäre es ganz praktisch, wenn man den vielleicht draußen vor der Tür wahrnimmt, weil das Geräuschniveau insgesamt jetzt doch auf einem Level ist, dass es für Frau Eisenreich sehr schwierig ist, hier vorzutragen.

(Tobias Rausch, AfD: Ich nehme das zur Kenntnis!)

Frau Eisenreich, bitte, weiter.


Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):

Nun ist es die aktuelle Inflation, bei der inzwischen Lebensmittel zum größten Preistreiber geworden sind, aber eben auch die Betriebskosten der Versorger, die für einen weiteren Preisanstieg beim Kita- und Schulessen sorgen.

Das könne sich viele Menschen, viele Familien in Sachsen-Anhalt einfach nicht mehr leisten, und Armut ist ein Problem in Sachsen-Anhalt. Jedes vierte Kind in unserem Land ist von Armut bedroht und längst droht auch Familien und vor allem Alleinerziehenden mit mittlerem Einkommen finanzielle Not. Die Fraktion DIE LINKE findet, gesunde und ausgewogene Ernährung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das sind wir unseren Kindern und Jugendlichen nicht nur plakativ an einem solchen Tag wie dem heutigen Kindertag schuldig. Deswegen sehen wir mit dem heutigen Antrag für gesunde und kostenfreie Ernährungsangebote für Kinder und Jugendliche eine wertvolle Investition, von der alle Kinder und Jugendlichen - das ist die Zukunft unseres Landes - profitieren sollen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Eltern sollen angesichts der gestiegenen Lebensmittelpreise finanziell entlastet werden. Und ja, allen Kindern und Jugendlichen soll nach unserer Ansicht ein gesundes, qualitativ hochwertiges und kostenfreies Essen- und Getränkeangebot in Kita und Schule zur Verfügung gestellt werden.

Dies sei übrigens nach der Einschätzung des wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in seinem Gutachten aus dem Jahr 2020 die wichtigste Maßnahme, um nachhaltige Ernährung in Deutschland insgesamt voranzubringen. Damit werde, so die Einschätzung weiter, der sozialen Ungleichheit bei Ernährung und Gesundheit endlich entgegengesteuert sowie Ernährungsarmut bei Kindern, Jugendlichen und späteren Erwachsenen vorgebeugt.

Neben den bereits genannten gesundheitlichen Effekten kommt aus unserer Sicht ein sehr wichtiger sozialer Begleiteffekt hinzu. Die gemeinsam eingenommene Mahlzeit stärkt den sozialen Zusammenhalt und trägt erheblich zum Wohlbefinden bei. So würden auch Stigmatisierung und Diskriminierung ärmerer Kinder und Jugendlicher verhindert und gleichzeitig das gemeinsame Essen und Genießen als zentrales Gut einer nachhaltigen Ernährung gefördert, heißt es in dem genannten Gutachten weiter.

Sicherlich muss hierbei auch organisatorisch umgedacht werden. Essenpausen von 20 Minuten oder 30 Minuten sind in keinem Fall einer gesunden Nahrungsaufnahme zuträglich.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Im Übrigen verweise ich an dieser Stelle gern noch einmal auf unsere Anträge in Drs. 7/1486 und in Drs. 8/395, in denen wir ein Programm zur mittel- und langfristigen Einrichtung und Unterhaltung von Eigenversorgungseinrichtungen zur Verpflegung an Kitas und Schulen gefordert haben. Die derzeitige Praxis unendlich langer Transportwege und stundenlangen Warmhaltens ist weder zeitgemäß noch ernährungsphysiologisch sinnvoll.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da Trinkwasser eines der am besten kontrollierten Lebensmittel und zugleich gesund ist, soll aus unserer Sicht das Programm „Trinkbrunnen für deine Schule“ mit Landesmitteln neu aufgelegt werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir können gern darüber diskutieren, in welcher Form die Trinkbrunnen angelegt werden, aber sie werden offenbar gut angenommen. Sie sensibilisieren Kinder und Jugendliche dafür, welche Getränke gesund sind und welche nicht.

Wesentlicher Bestandteil gesunder Ernährung sind natürlich Obst und Gemüse, die in Kombination mit Schulmilch von der EU gefördert werden. Nun ist der Mangel von Projektförderung aber, dass nicht alle Einrichtungen erreicht werden und dass die Projekte häufig nach dem Ende der Förderung wieder einschlafen, weil die Schulträger das Programm finanziell nicht weiter tragen können. Hinzu kommt, dass aufgrund der gegenwärtigen Preissteigerung bei Lebensmitteln inzwischen immer weniger Kinder an immer weniger Tagen Obst und Gemüse und/oder Milch in den geförderten Einrichtungen verzehren können. Das haben wir auch in der Anhörung im Agrarausschuss so bestätigt bekommen.

Ja, wir haben als Haushaltsgesetzgeber für das Jahr 2023 mehr Geld eingestellt. Trotzdem können die Mehrkosten nicht komplett abgefedert werden. Wir plädieren daher mit unserem Antrag auch dafür, dass dieses Programm allen Kindern und Jugendlichen zugänglich gemacht wird. Dies würde zugleich die Bemühungen von Einrichtungen unterstützen, die z. B. ehrenamtlich organisiert ein gesundes Frühstück für ihre Kinder anbieten. Im Übrigen hatte die Linksfraktion bereits im Jahr 2008 in Drs. 5/1538 ein solches Programm zur kostenlosen Abgabe von Obst und Gemüse an Schulkinder gefordert.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Netzwerkstelle Kita- und Schulverpflegung wird bei all diesen Vorhaben natürlich weiter eine wichtige Rolle bei der Beratung zur Umsetzung einer gesunden Ernährung haben, auch wenn wir sie in unserem Antrag nicht explizit erwähnt haben.

Zweifelsohne ist es wichtig, dass diese Maßnahmen generell von Bildungsinhalten begleitet werden, um das Wissen über gesunde und nachhaltige Ernährung zu vermitteln. Die Bildung für nachhaltige Entwicklung ist dafür ein wichtiger Baustein.

Wie einfach und nachvollziehbar, ja quasi greifbar ist es doch, wenn der Produzent und Lieferant gleichzeitig als Wissensvermittler auftritt. Das dient der Anschauung und dürfte auch im Sinne der Wertschätzung und des Respekts gegenüber vor allem auch regionalen und saisonalen Lebensmitteln und natürlich auch ihren Produzenten sein, also Bäuerinnen und Bauern, von denen wir heute früh in der Aktuellen Debatte gesprochen haben. Ich glaube, das wäre eine Win-win-Situation.

(Beifall bei der LINKEN)

In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren, bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der LINKEN)