Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Grimm-Benne weilt auf der Integrationsministerinnen- und -ministerkonferenz in Rostock. Gemäß der Geschäftsverteilung der Landesregierung bin ich gebeten, sie zu vertreten, und bringe ihren Vortrag und ihre Rede zu Gehör.
Die Fraktion DIE LINKE hat mit ihrer Großen Anfrage den Blick auf die aktuellen Rahmenbedingungen und Herausforderungen des Pflegekinderwesens in Sachsen-Anhalt und teils in der Bundesrepublik Deutschland gelenkt. Zur Beantwortung wurden zum einen empirische Daten der Kinder- und Jugendhilfestatistik herangezogen und zum anderen die Landkreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe um Zuarbeit gebeten. Denn die Zuständigkeit für die Leistungserbringung liegt ebenso wie die Gesamtzuständigkeit, die Planungsverantwortung und die infrastrukturelle Gewährleistungsverpflichtung bei den 14 Jugendämtern Sachsen-Anhalts. Sie haben zu gewährleisten, dass die Erfüllung der Aufgaben, erforderliche und geeignete Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen und damit auch eine ausreichende Anzahl von Pflegepersonen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen. Zu flankieren ist dies mit entsprechenden Maßnahmen der Qualitätsentwicklung.
Die Landkreise und kreisfreien Städte nehmen die Aufgabe als Pflichtaufgaben des eigenen Wirkungskreises wahr und unterliegen damit nicht der Fachaufsicht des Landes. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist eine Bewertung der von den Jugendämtern aufgewendeten Ressourcen zur Aufgabenerfüllung durch die Landesregierung nicht angezeigt.
Dessen ungeachtet engagiert sich das Land im Bereich des Pflegekinderwesens im Rahmen freiwilliger Aufgaben in einem beachtlichen Umfang. Ziel ist es, das Aufwachsen junger Menschen in öffentlicher Verantwortung in einer Pflegefamilie, insbesondere im Interesse der Pflegekinder und ihrer Pflegefamilien, positiv zu gestalten. Das Land fördert seit nahezu 30 Jahren das Fachzentrum für das Pflegekinderwesen Sachsen-Anhalt, welches in Trägerschaft der Stiftung Evangelische Jugendhilfe St. Johannis steht. Dessen Angebote stehen grundsätzlich allen Pflegefamilien in Sachsen-Anhalt zur Verfügung. Das Angebot des Fachzentrums umfasst neben Vorbereitungsseminaren für die Verwandtenpflege, sozial- und heilpädagogischen Qualifizierungskursen sowie Fortbildungen und Supervisionen für Fachkräfte auch Fachtage und ein Bereitschaftstelefon.
Flankierend erfolgt die Kooperation mit dem ebenfalls aus dem mit Landesmitteln geförderten Landesverband für Pflege- und Adoptiveltern im Land Sachsen-Anhalt, der insbesondere Sprachrohr der mehr als 2 000 Pflegefamilien in Sachsen-Anhalt sein soll, und der Stiftung zum Wohle des Pflegekindes.
Seit 2019 orientiert sich das Land bei der Bemessung und Fortschreibung der Pauschalbeträge für die Pflegepersonen in der Vollzeitpflege grundsätzlich an den dynamisierten Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. Seitdem sind gerade auch die finanziellen Rahmenbedingungen für Pflegefamilien nicht nur deutlich verbessert worden. Ebenso konnte die Errichtung und Förderung einer Ombudsstelle in Sachsen-Anhalt dazu beitragen, die Interessenvertretung von in Vollzeit lebenden jungen Menschen und Pflegeeltern weiter zu stärken.
Verwiesen sei im Übrigen auf die maßgeblichen Verbesserungen der Rahmenbedingungen im Pflegekinderwesen und beim Schutz des Wohls der Pflegekinder durch die Neuregelung im SGB VIII aufgrund des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes aus dem Jahr 2021.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Umsetzung der Beratungsverpflichtungen des überörtlichen Jugendhilfeträgers organisiert das Landesjugendamt unter anderem zweimal im Jahr Facharbeitskreise mit den Mitarbeitenden der Pflegekinderdienste der örtlichen Jugendämter. Darüber hinaus steht die Landesregierung im regelmäßigen Austausch mit den einschlägigen Akteuren des Pflegekinderwesens, insbesondere den örtlichen Jugendämtern und den kommunalen Spitzenverbänden sowie den Interessenvertretungen des Pflegekinderwesens und dem Landesverband Pflegeelternvereine sowie mit dem Fachzentrum.
Unabhängig von all den vorgenannten Verbesserungen im Pflegekinderwesen in Sachsen-Anhalt bleibt die Gewinnung von geeigneten Pflegefamilien auch hierzulande eine wesentliche Herausforderung. Der Landesregierung ist durchaus bewusst, dass die bedarfsgerechte Deckung der zunehmend erhöhten und teils sehr komplexen Hilfsbedarfe von Pflegekindern für die hiesigen Jugendämter unverändert herausfordernd bleibt. Da dies gerade auch in Bezug auf unbegleitete ausländische Minderjährige kein leichtes Unterfangen darstellt, führte die Fachabteilung des Sozialministeriums bereits intensive Gespräche mit dem Landesnetzwerk der Migrantenorganisation Sachsen-Anhalt, um auch innerhalb der migrantischen Communitys geeignete Pflegepersonen für dieses anspruchsvolle Ehrenamt zu gewinnen.
Wie Sie den Ausführungen der Ministerin entnehmen konnten, ist das Land gemeinsam mit den örtlichen Jugendämtern und den weiteren relevanten Akteuren des Pflegekinderwesens seit der letzten Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE aus dem Jahr 2018 durchaus ein gutes Stück vorangekommen, ohne die aktuellen, teils fortbestehenden Herausforderungen aus dem Blick zu verlieren. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Zustimmung bei der SPD)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Ich sehe glücklicherweise keine Nachfragen, Herr Willingmann; zumindest aus Ihrer Perspektive.
(Lachen)