Andreas Henke (DIE LINKE):
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Es war in der vergangenen Woche weniger eine Nachricht des MDR als mehr eine Nachricht aus dem Landesverwaltungsamt: das Schreiben an die Städte und Gemeinden des Landes mit der darin enthaltenen Forderung, dass künftig Standesbeamtinnen und Standesbeamte die gesetzlich vorgesehene Qualifikation nachholen sollen, die bisher ihren Dienst auf der Grundlage einer Ausnahmeregelung versehen haben, weil sie die gesetzlich vorgegebene erforderliche Qualifikation für das Einstiegsamt 1 und den Einführungslehrgang wohl nicht nachweisen konnten. Ich denke einmal, den Einführungslehrgang werden alle Standesbeamtinnen und Standesbeamten absolviert haben, aber es mangelt bei vielen dann doch an der gesetzlich vorgegebenen Qualifikation für das Einstiegsamt.
Wie bewerten Sie angesichts der Situation des Fachkräftemangels in den Kommunen das Handeln des Landesverwaltungsamts?
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Frau Zieschang, bitte.
Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):
Da Ihre Frage in den Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums fällt, antworte ich dazu gerne, zumal wir auch mit den kommunalen Spitzenverbänden zu dem Thema der Qualifikation von Standesbeamtinnen und Standesbeamten sowie den Anforderungen an sie in einem engen Austausch sind.
Ich glaube, es ist unbestritten, dass Standesbeamte sehr grundlegende rechtliche Fragen zu klären haben. Deswegen ist das, was Standesbeamte innerhalb der Verwaltung tun, von herausgehobener Bedeutung.
Wir haben bei uns - es ist in einer Verordnung geregelt - seit Jahren festgeschrieben, welche Qualifikationen Standesbeamtinnen und Standesbeamte haben müssen. Aber es besteht dort die Möglichkeit, dass bei der unmittelbaren Einstellung die Qualifikation noch nicht vorliegen muss, sondern man erst einmal für einen Ausnahmezeitraum befristet eingestellt werden kann, in dem man dann die Qualifikation nachholen kann.
Was ist aus dieser Regel - es gibt bestimmte Ausnahmen: Ich habe eine bestimmte Qualifikation als Erfordernis und ich kann befristete Ausnahmen erteilen - im Laufe der Jahre im Land geworden? - Die Ausnahme ist an manchen Orten zur Regel geworden. Die Ausnahmen waren unbefristet erteilt worden, d. h., die erforderlichen Qualifikationen wurden nicht nachgeholt.
(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Das hat ja einen Grund!)
Es war wichtig - das hat das Landesverwaltungsamt in enger Abstimmung mit dem Innenministerium getan , dass auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis hingewiesen und gesagt wurde: Eigentlich ist die und die Qualifikation erforderlich; Ausnahmen können nur befristet erteilt werden.
Wir schauen nicht zurück, d. h., bei Standesbeamtinnen und Standesbeamte, die eigentlich bereits eine geduldete unbefristete Ausnahme erteilt bekommen haben, wird der Zustand weiter geduldet.
(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Ah ja!)
Aber wenn es um Neueinstellungen geht, geht es darum, das Regel-Ausnahme-Verhältnis wieder in Kraft zu setzen.
Es sind in der kommunalen Familie - ich stehe mit den Landkreisen dazu im Austausch - viele der Auffassung, dass es an den Anforderungen für Standesbeamtinnen und Standesbeamte keine Abstriche geben soll. Gleichwohl sind wir dazu, auch zur Erörterung des Ganzen, im Gespräch mit den kommunalen Spitzenverbänden.
Die Sorge, die den einen oder die andere Bürgermeisterin oder Bürgermeister umtreibt, ist, dass es mit Blick auf den Fachkräftemangel vielleicht zunehmend schwieriger wird, Standesbeamtinnen und Standesbeamte mit den erforderlichen Qualifikationen zu bekommen.
Ich sage erst einmal: Es ist eine schwierige Argumentation, wenn wir Qualifikationsanforderungen für eine sehr wichtige, herausgehobene Arbeit in den kommunalen Verwaltungen nur deshalb nach unten schrauben, weil wir Schwierigkeiten haben, Fachkräfte zu bekommen, zumal die Aufgaben und die Anforderungen an die Aufgaben unverändert geblieben sind.
Hierzu haben wir aber - das ist, glaube ich, noch nicht jedem in der Tragweite bewusst - einen Lösungsweg in der nun vorliegenden Novelle zum Kommunalverfassungsgesetz gezeichnet. Im Rahmen der Novelle, die derzeit in der Beratung ist - im Innenausschuss haben wir dazu eine Anhörung durchgeführt; nun wird sie in einem weiteren Ausschuss beraten , sehen wir vor, dass die Möglichkeiten der interkommunalen Zusammenarbeit deutlich gestärkt werden können.
Das ist für mich eine zentrale Antwort auf den Fachkräftemangel in den Kommunen. Hierbei wollen wir deutlich mehr ermöglichen, als es gegenwärtig der Fall ist. Insbesondere wenn es um spezielle Qualifikationen geht - das kann im Übrigen auch der Bauingenieur in der Bauverwaltung sein - und man feststellt, ich kann es nicht in jeder einzelnen Kommune vorhalten, dann kann ich mich mit anderen Kommunen zusammenschließen, um zu sagen: Die einen übernehmen die standesamtlichen Aufgaben und stellen Standesbeamte mit der erforderlichen Qualifikation ein, die anderen übernehmen den Bereich der Bauverwaltung auch für andere Kommunen und stellen Bauingenieure mit den erforderlichen Qualifikationen ein.
Das heißt, wir zeigen bereits eine Lösungsmöglichkeit auf, wie man dem Fachkräftemangel - von dem die kommunale Verwaltung auch betroffen ist - begegnen kann. Für mich ist es, wenn ich keine Fachkräfte finden kann, keine Antwort, dann die Qualifikationsstandards nach unten zu schrauben.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Nachfrage? - Bitte.
Andreas Henke (DIE LINKE):
Ich habe eine Nachfrage. Würden Sie meine Auffassung teilen, wenn wir an dieser Forderung, wie sie gegenwärtig besteht, festhalten, dass sich dann in der Tat der Fachkräftemangel in den Kommunen verschärfen wird; und nicht nur das, sondern dass sich, auch mit Blick auf die Aufgaben, die dabei bestehen - es sind ja nicht nur die Trauungen, sondern das gesamte Personenstandswesen, Namensrecht etc. , die Wartezeiten für die Bürgerinnen und Bürger verlängern werden?
Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie sagen: Die Ausnahmeregelungen, die derzeit bestehen, werden auch weiterhin geduldet?
Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):
Genau. Es ist auch, meiner Erinnerung nach, in dem Schreiben des Landesverwaltungsamts enthalten, dass dort, wo es in der Rückschau unbefristete Ausnahmen gab, die auch über den Zeitraum von sieben oder acht Jahren - dabei bin ich mir gerade nicht sicher, wie lange der Zeitraum ist - hinaus gewährt worden sind, diese weiterhin geduldet werden. Das heißt aber, ab jetzt gilt wieder das, was im Augenblick bei uns geltendes Recht ist, d. h., nach vorne schauend werden wir zwar auch wieder Ausnahmen zulassen, aber diese sind tatsächlich befristet und innerhalb der Befristung müssen dann die Qualifikationsstandards nachgeholt werden.
Ich kann nur sagen: Die Rückmeldungen aus den Kommunen, ob es tatsächlich Schwierigkeiten gibt, Fachkräfte zu bekommen, sind sehr, sehr unterschiedlich. Das ist auch ein Grund, weswegen wir uns darauf verständigt haben, dass wir wirklich einmal eine Bestandsanalyse durchführen, damit wir nicht, nur weil zwei Kommunen sich zu Wort gemeldet haben, meinen, es ist ein landesweites Problem.
Die Überzeugung, dass man nicht einfach Qualifikationsstandards absenken kann, nur weil ein Fachkräftemangel besteht - zumal wir andere Lösungen der interkommunalen Zusammenarbeit aufgezeigt haben , teilen offensichtlich viele in der kommunalen Familie.
Andreas Henke (DIE LINKE):
Danke.