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Plenarsitzung

Transkript

Dr. Katja Pähle (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident! - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich den Antrag gelesen habe, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, hatte ich ein Déja-vu   der Ministerin ist es ähnlich ergangen. Vor nicht einmal zwei Monaten hatten wir einen ganz ähnlichen Antrag aus Ihrer Fraktion zum Thema „Neues Format“, um die Probleme der Schulen und die Probleme mit der Unterrichtsversorgung zu besprechen.

Inzwischen ist ein wenig Zeit ins Land gegangen. Die Koalition war entgegen Ihrer Prognose keineswegs untätig. Ihre damalige Forderung, die Grundschullehrkräfte nach E13/A13 zu bezahlen, ist mit dem Haushalt und im Übrigen mit der gleichzeitig beschlossenen Änderung des Besoldungsgesetzes gesetzlich geregelt worden und tritt stufenweise in Kraft.

(Zustimmung bei der SPD)

Eine weitere Maßnahme der Koalition ist die Einführung eines dualen Studiums im Anwärter-Modell, das an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg zusammen mit Hochschulen des Landes entwickelt werden soll, um frühzeitig Lehramtsstudierende für das Sekundarschullehramt zu gewinnen. Das wird vorbereitet, das wird finanziert.

Die OVGU wird zudem die Fächeranwahlmöglichkeit im Lehramt zum Wintersemester 2023/24 weiter flexibilisieren; durch den Haushaltsbeschluss sind dafür zwei zusätzliche Professuren in der Chemie und der Chemiedidaktik in Magdeburg freigegeben worden. Das ist eine gute, gute Sache.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Eine Bemerkung an dieser Stelle zum Thema Fächerauswahl   ich werde nicht müde, das immer wieder zu betonen  : Wer meint, eine Einschränkung der Fächerauswahl sorge für mehr Anwahl der fehlenden Fächer, insbesondere in den Mangelfächern Mathematik, Chemie, der ist wirklich von vorgestern.

Alle Wissenschaftsexperten sagen, dass die jungen Leute heutzutage einfach so flexibel sind; sie verlassen dann das Bundesland, in dem sie studieren wollten. Sie wählen diese Hochschule nicht aus, sondern gehen einfach woanders hin. Die Zeiten der Berufslenkung, und der Lenkung auch nach dem Studium, sind nach meiner Auffassung zum Glück vorbei.

Herr Lippmann, ich bin dann immer ein bisschen verwundert, wenn Sie nicht müde werden, darauf hinzuweisen, dass Studierende in Magdeburg oder insbesondere in Halle abgewiesen werden, weil die Universitäten keine Kapazitäten aufbauen, wo es doch so viele Bewerber gibt.

Sie selbst haben in der für den Bildungsausschuss Daten aus Ihren Kleinen Anfragen aufbereitet   wofür ich Ihnen sehr dankbar bin. Wenn ich in diese Tabelle schaue, dann entnehme ich ihr, dass in den Lehramtsfächern für Gymnasien, in den Kernfächern Deutsch, Mathematik, Englisch, Chemie, Musik und Sport kein einziger Bewerber abgelehnt wurde.

(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)

Alle, die sich beworben haben, sind zum Zuge gekommen   außer in Geographie. Und ich sagen auch warum: Weil es in Leipzig nämlich Geographie im Lehramt nicht gibt. Deswegen haben wir die Bewerber aus Sachsen in Halle. Wir brauchen das in dem Falle gar nicht und müssen für Sachsen Lehrerinnen und Lehrer ausbilden. Im Übrigen gilt das auch für andere Fächer. Ja, es gibt   ich bleibe beim Gymnasium  eine größere Bewerberanzahl in der Biologie.

Aber ansonsten entnehme ich Ihrer Tabelle, dass es für diese vielen Fächer   außer Biologie und Ethik   keine Ablehnungen gegeben hat. Wie fügt sich das dann anhand der Daten zusammen? - Die Bewerberanzahl für die Lehramtsstudiengänge ist rapide nach unten gegangen   das ist das Problem vor dem wir stehen.

Wir haben an vielen, vielen Stellen immer wieder darüber geredet: Uns fehlen fleißige Hände und kluge Köpfe. Wir merken das auch beim Thema Lehramtsausbildung. Wenn wir nicht endlich anfangen, positiv über Schule zu sprechen

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und von Jörg Bernstein, FDP)

  ohne die Augen vor den großen Herausforderungen zu verschließen, die wir haben; das möchte ich deutlich sagen  , sondern immer nur defizitorientiert; wenn wir nicht anfangen, den Beruf wertzuschätzen, zu stärken und positiv über unsere Schulen zu reden, dann wird das Problem noch größer. Das kann ich Ihnen garantieren.

(Zustimmung von Frank Bommersbach, CDU, und von Jörg Bernstein, FDP)

Ich möchte an der Stelle aber auch noch zwei Sätze zu Ihrer Idee eines Staatsvertrages verlieren. Ich glaube, mittlerweile   in der Situation, in der wir aktuell sind   ist es gut daran getan, wenn wir in Sachsen-Anhalt weiterhin um die vielen Stellschrauben ringen, um es besser zu machen, als Zeit in einen Staatsvertrag zu investieren, wenn wir nachher trotz alledem feststellen sollten, dass wir bei weiteren Kapazitätsausweitungen nicht genügend Bewerber, die Lehramt studieren wollen, finden. Ich glaube, diese Energie können wir sinnvoller an anderen Stellen einsetzen.

(Zustimmung von Matthias Redlich, CDU)

Deshalb werden wir diese beiden Anträge ablehnen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Es gibt eine Intervention von Herrn Lippmann. -Herr Lippmann, Sie haben das Wort.

(Zuruf von der AfD: Oh, nee!)


Thomas Lippmann (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Zwei kurze Anmerkungen. Erstens. Frau Dr. Pähle, wenn ich in diesen Zusammenhängen negativ rede, dann rede ich negativ über die unzureichenden Maßnahmen der Koalition und der Landesregierung und nicht negativ über die Schule. Das habe ich an keiner einzigen Stelle gemacht. Nicht ich rede die Schulen schlecht, sondern die Politik der Landesregierung sorgt dafür, dass es den Schulen schlecht geht.

(Angela Gorr, CDU: Nee, nee! - Stefan Ruland, CDU: Da müssen Sie selbst lachen! - Zuruf von Matthias Redlich, CDU)

Das Zweite ist: Wir haben, denke ich, ein ausreichend gemeinsames Verständnis mit Blick auf die Kapazitätsbeschränkungen. Was Sie eben zu der Tabelle gesagt haben; das ist nicht der Fall. Ich weiß, was darin aufgeführt ist.

Dort ist aufgeführt, dass am Ende keine Ablehnungsbescheide verschickt wurden. Aber was ich nicht aufgenommen habe, um die Tabelle nicht zu überlasten, ist: Es gab natürlich viel mehr Bewerbungen, die aber im NC-Verfahren verloren gegangen sind; weil der NC Bewerber davon abschreckt, sich überhaupt zu bewerben, und weil es an anderen Universitäten keinen NC gibt; das wissen wir auch.

Also, ich gehe einmal davon aus, dass die Universität dann dazu kommen muss, NC-Beschränkungen aufzuheben, wenn sie keinen Grund mehr dazu hat, Bewerbungen abzulehnen. Dann werden wir sehen, wie die Bewerberanzahl sich entwickeln wird. Ich hoffe, dass es an der MLU weniger NC-beschränkte Studiengänge geben wird, als es in den letzten Jahren der Fall gewesen ist.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können reagieren.


Dr. Katja Pähle (SPD):

Verehrter Kollege Lippmann! Natürlich reden wir über den Zustand von Schule. Ganz ehrlich, ich erwarte doch gar nicht, dass Sie als Vertreter der Opposition sagen, es ist alles schön. Dafür sitzen auf den unterschiedlichen Seiten des Schreibtisches. Das ist doch vollkommen in Ordnung.

Aber wir müssen gemeinschaftlich, auch in der Konzentration auf die großen Herausforderungen, aufpassen, dass nicht das, was draußen ankommt, immer nur Defiziterzählungen sind.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der AfD: Ist doch aber so!)

„Die Lehrer sind total überlastet“   das prägt doch auch das Verständnis junge Menschen für diesen Beruf, die sich überlegen: Will ich, soll ich Lehrkraft werden? Das ist wichtig; wir haben an der Stelle eine Verantwortung.

Ja, in Ihrer Tabelle sind die NC nicht angeführt, und ob sie der Grund für die Ablehnung von Bewerberinnen und Bewerbern sind, das weiß ich nicht.

Als ich mein Abitur 1996 in der Tasche hatte, wollte ich in Halle Biologie studieren, das Fach war zulassungsbeschränkt.

(Zuruf von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Ich hatte die Zulassung noch über die zentrale Vergabestelle beantragt   das lief nämlich damals noch so ab. Ich sage Ihnen, Herr Lippmann: Ich habe den Studienplatz bekommen und habe mich trotzdem für einen anderen entschieden, weil meine Überlegung zwischenzeitlich vorangeschritten war und ich gesagt habe: Nein, du gehst doch in eine andere Richtung.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Schade!)

Vielleicht ist es auch einfach die individuelle Entscheidung von jungen Menschen, zu überlegen, ob die erste Idee, das und das zu tun, im Moment der Einschreibung nicht noch einmal gerändert wird. Das müssen wir zulassen.

Auf der anderen Seite beklagen wir die Anzahl der Studienwechsler und Studienabbrecher. Geben wir doch den jungen Menschen die Chance, sich zwischenzeitlich zu überlegen, ob dieses Studium für sie tatsächlich der richtige Weg ist. Ich glaube, da werden viele, vielleicht für sich selbst, eine gute Entscheidung treffen.

Wenn Sie mit Vertretern des Zentrums für Lehrerbildung in Halle reden   dort bin ich kürzlich gewesen  , dann werden sie Ihnen ganz deutlich sagen: Der NC spielt mittlerweile bei der Vergabe von Studienkapazitäten vielleicht noch in der Chemie, ansonsten aber kaum noch eine Rolle, weil sie die Seminare nämlich gerade noch so mit denen gefüllt bekommen, die sich tatsächlich für das Lehramt entscheiden. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der FDP)