Tagesordnungspunkt 5
Erste Beratung
Kein Einstellungsstopp bei Schulpersonal: An Bildung darf nicht gespart werden
Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/4684
Diesen Antrag wird Frau Sziborra-Seidlitz einbringen.
(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)
Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):
Vielen Dank. - Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was ist Sachsen-Anhalts wichtigster Rohstoff? - Nein, nicht die Braunkohle. Es sind nicht Kali- und Steinsalz. Ich meine auch nicht Erdgas, das wir hier in Sachsen-Anhalt gewinnen könnten. Der wahre Reichtum Sachsen-Anhalts liegt nicht im Boden, sondern in den Menschen, die hier leben.
In Sachsen-Anhalt gibt es keine wertvolleren Ressourcen als unsere Kinder und Jugendlichen. Sie sind unser größter Schatz. Unsere ganze Zukunft steckt in ihnen. Sie steckt in den Kindern und Jugendlichen, die in unserem Bundesland aufwachsen und leben, hier lernen und schaffen. Sie sind die Motoren, die unsere Gesellschaft am Laufen halten werden. Ohne Bildung bleiben sie im Leerlauf.
(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)
Bildung ist das Werkzeug, um das Potenzial unserer Kinder und Jugendlichen zu heben und um es für sie selbst und für uns als Gesellschaft nutzbar zu machen. Deswegen kann und darf auf gar keinen Fall nicht einmal ansatzweise an Bildung und an unserem Bildungssystem gespart werden. Überhaupt darüber nachzudenken ist abwegig, so absurd, dass man sich fragt, wie man bzw. in dem Fall konkret der Finanzminister überhaupt auf die Idee kommen kann, dass es eine sinnvolle Idee ist, den Haushalt an d i e s e r Stelle zurechtzusparen.
(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)
Worum geht es konkret? - Sachsen-Anhalt befindet sich aktuell in den Verhandlungen über den Landeshaushalt für die nächsten zwei Jahre. Darüber haben wir am Mittwoch bereits hier debattiert. Wie so oft - das ist natürlich nachvollziehbar; wir waren selbst in der Position - fiel es CDU, SPD und FDP schwer, sich auf einen Entwurf des Landeshaushalts zu einigen. Es gab massive zeitliche Verzögerungen, was insbesondere - das ist auch am Mittwoch schon erwähnt worden - für die Träger, für die Vereine und für die Einrichtungen, die auf Landesmittel angewiesen sind, eine große Herausforderung ist; denn sie brauchen die Verlässlichkeit eines beschlossenen Haushaltes. - So weit ist das nichts Neues.
Neu in diesem Jahr - wenngleich auch das keine ganz neue Idee ist - ist der Sparvorschlag von Herrn Finanzminister Richter. Der sieht einen Einstellungsstopp in Sachsen-Anhalt vor - also, dass frei werdende Stellen im Landesdienst grundsätzlich nicht nachbesetzt werden. Anstatt im Landeshaushalt auf Prioritäten zu setzen, z. B. auf Investitionen in unser Bildungssystem, holt die Landesregierung lieber den Rasenmäher heraus und mäht wahllos jede Stelle weg, wenn die dort beschäftigten Mitarbeiterinnen in den Ruhestand gehen wollen, für längere Zeit erkranken, in Elternzeit oder Mutterschutz gehen oder sich einfach beruflich umorientieren wollen.
Hier wird mit dem Rasenmäher des Einstellungsstopps ein Rasen drastisch gekürzt, der eh schon an vielen Stellen eher braun und verkümmert ist als noch saftig grün. Die Gartenprofis unter uns wissen, dass es dem Rasen eher schadet als hilft, wenn man ihn zu stark einkürzt. Die Folge ist nämlich, dass der Rasen über kurz oder lang vertrocknet, weil durch die viel zu kurzen Blätter zu wenig Wasser gespeichert werden kann und durch die verringerte Photosynthese ein Nährstoffmangel entsteht.
Das lässt sich auch auf unsere Landesverwaltung übertragen. Statt der Landesverwaltung die Möglichkeit und den Dünger zu geben, um sich weiterzuentwickeln, Prozesse zu verbessern, ein dichter, saftiger Rasen zu werden, der grüner wird, nimmt man ihm jede Möglichkeit dazu.
Was glauben Sie, Herr Richter, was passiert, wenn man wahllos Stellen in der Landesverwaltung streicht? Ich kann es Ihnen sagen: Andere Mitarbeiterinnen werden das ausgleichen müssen und durch Arbeitsbelastung überlastet werden. Wichtige Aufgaben können nicht mehr erledigt werden und bleiben liegen. Einmal ganz einfach gefragt: Angenommen, alle Mitarbeiterinnen in Ihrem Ministerbüro würden Anfang nächsten Jahres aus irgendwelchen Gründen aufhören zu arbeiten und Sie können die Stellen nicht nachbesetzen - wie gut werden Sie dann als Minister noch arbeiten können?
Dabei sind viele Bereiche unserer Landesverwaltung schon jetzt personell eher unterbesetzt, als so ausgestattet, dass man dort großartig einsparen könnte und sollte. Ich denke z. B. an die Landeszentrale für politische Bildung, die großartige Arbeit leistet, aber schon jetzt eine Vielzahl von Aufgaben übernimmt und dafür zu wenige Mitarbeiterinnen hat. Zum Beispiel brauchte die Landeskoordination des Schulnetzwerks „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ dringend eine weitere Personalstelle; sie sind gerade auf dem Stand von einem Viertel weniger Schulen im Netzwerk, um die vielen Schulen im Netzwerk zu verwalten. Doch statt mehr Personal vorzusehen, wird die Zahl der Personalstellen bei der Landeszentrale für politische Bildung aufgrund des Einstellungsstopps in den nächsten zwei Jahren auch dort massiv sinken.
Natürlich kann und muss man auch über Personaleinsparungen reden, auch in der Landesverwaltung, aber eben nicht mit dieser Methode der völligen Wahllosigkeit, die Sie hier vorhaben. Das haben die Mitarbeiterinnen in unserer Landesverwaltung wirklich nicht verdient. Stattdessen sollte man - Aufgabenkritik - Aufgabe für Aufgabe und Personalstelle für Personalstelle daraufhin überprüfen, ob die Stelle benötigt wird, ob oder wie durch Ressourcenbündelung oder effiziente Nutzung der Digitalisierung die Stelle in Zukunft eingespart werden kann, aber eben nicht mit dem Rasenmäher.
Was vielen vielleicht nicht sofort bewusst ist: Der Einstellungsstopp gilt eben nicht nur für Verwaltungsmitarbeiterinnen in Ministerien oder Landesbehörden - das ist das Erste, was einem in den Sinn kommt , nein, das Ganze trifft dann z. B. auch Richterinnen, Hausmeisterinnen, Chemielaborantinnen, Ingenieurinnen und eben auch Schulpersonal. An Letzterem kann man den Irrsinn dieses Einstellungsstopps sehr eindrucksvoll aufzeigen; denn darum geht es auch in unserem Antrag. Zu diesem komme ich jetzt.
Zunächst sei erwähnt, dass Lehrkräfte von diesem Einstellungsstopp, Gott sei Dank, ausgenommen sind.
(Zustimmung)
Das ist auch gut so. Denn das würde nun wirklich den Vogel abschießen.
An unseren Schulen arbeiten aber weit mehr Berufsgruppen als Lehrkräfte. Dazu gehören Hausmeisterinnen, Schulsozialarbeiterinnen, Schulverwaltungspersonal, IT-Mitarbeiterinnen oder auch pädagogische Mitarbeiterinnen. Sie alle werden gebraucht. Sie alle sind ein wichtiger Teil der Schule. Sie leisten ihren Teil dazu, dass Kinder und Jugendliche in unseren Schulen lernen und Leistungen erbringen können.
Gerade in Bezug auf die pädagogischen Mitarbeiterinnen ist die Debatte um den Einstellungsstopp in den letzten Wochen hochgekocht, und das völlig zu Recht; denn pädagogische Mitarbeiterinnen übernehmen vielfältige Aufgaben zur Unterstützung des Bildungs- und Erziehungsauftrags in den Schulen. Sie unterstützen Lerntätigkeiten im Unterricht, übernehmen die Pausenbetreuung oder die Betreuung am Ende des Unterrichts. Sie begleiten Klassenfahrten, Exkursionen oder den Schwimmunterricht. Sie helfen bei der Planung und Organisation von Freizeitgruppen, Schulfesten, Arbeitsgemeinschaften und Veranstaltungen. Pädagogische Mitarbeiterinnen entlasten unsere Lehrkräfte von unterrichtsfernen Aufgaben und geben ihnen damit mehr Möglichkeiten, sich auf den Unterricht für unsere Kinder und Jugendlichen zu konzentrieren. In Zeiten des Lehrkräftemangels ist das ein enorm relevanter Beitrag.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Sie helfen den Schülerinnen stets und ständig, den Schulalltag zu bewältigen und gute Lernleistungen zu erbringen, kurzum: Sie werden in der Schule dringend gebraucht. Bei diesen Stellen darf nicht gekürzt werden.
(Matthias Redlich, CDU: Ja! Machen wir auch nicht!)
Von diesem Einstellungsstopp darf keine einzige Stelle für Schulpersonal betroffen sein.
Frau Bildungsministerin Feußner ist nicht anwesend und wird sich deswegen jetzt auch nicht überrascht zeigen, weil sie es gar nicht mitbekommt. Ungewöhnlicherweise bin ich in meiner Rede bisher überhaupt nicht auf die Bildungsministerin eingegangen. Das liegt aber daran, dass wir beide - es ist wirklich schade, dass sie jetzt nicht da ist - bei diesem Anliegen in der Sache geeint sind.
(Zuruf: Das ist nicht nur schade!)
An dieser Stelle möchte ich sie wirklich in Schutz nehmen. Ich habe den Eindruck, dass wir an dieser Stelle in der Sache einig sind. Denn auch Frau Feußner - das konnte ich zumindest der Presse entnehmen - findet den Einstellungsstopp bei den pädagogischen Mitarbeiterinnen nicht gut. Deswegen fordere ich sie auf - ich hoffe, sie kann das später nachverfolgen; vielleicht hört sie es auch irgendwo im Haus : Frau Feußner, kämpfen Sie für Ihr Ressort! Knicken Sie nicht vor dem Finanzminister ein und fallen Sie nicht um wie ein Fähnchen bei ein bisschen Wind im Wald.
Frau Feußner ist die Chefin eines der wichtigsten Ministerien in unserem Bundesland. Sie sollte etwas tun und für die Stellen der pädagogischen Mitarbeiterinnen und für das Schulpersonal in unserem Land kämpfen.
(Zurufe: Das macht sie! - Macht sie!)
Die Schülerinnen, die Eltern, die Lehrkräfte, die Schulleitungen - alle setzen darauf und werden es Frau Feußner danken.
Wir müssen als Bundesland in die Bildung investieren. Wir müssen in unseren Nachwuchs investieren. Nichts ist wichtiger, als die Kinder und Jugendlichen unseres Landes fit zu machen für ihre Zukunft und für die Zukunft unseres Landes, ihnen die bestmöglichen Bildungschancen zu verschaffen. Unsere Kinder sind die Handwerkerinnen von morgen, die Lehrerinnen von morgen. Sie werden einmal Zugfahrerinnen und Ingenieurinnen sein. Unsere Kinder werden die Mikrochips der Zukunft entwickeln. Irgendwann werden die Kinder und Jugendlichen genau hier sitzen oder stehen, wo wir gerade sind, als Politikerinnen, die die zielgebenden Entscheidungen für Sachsen-Anhalt treffen.
Deshalb ist jede Investition in sie, jede Investition in ihre Bildung auch eine Investition in die Zukunft unseres Landes, und zwar eine der wichtigsten. Ich persönlich kann mir keine bessere und wichtigere Investition vorstellen.
Für gute Bildung an unseren Schulen braucht es mehr als nur Lehrkräfte. Es sind eben auch die pädagogischen Mitarbeiterinnen, es ist auch das Schulverwaltungspersonal, es sind auch die IT-Fachkräfte. Sie alle gehören zu einer funktionierenden Schule dazu und deshalb darf es gerade in diesem Bereich keinen Einstellungsstopp geben. Bei der Bildung darf nicht gespart werden. Nur so können wir mehr Bildungsgerechtigkeit in Sachsen-Anhalt schaffen. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Frau Sziborra-Seidlitz. Sie beantragen keine Überweisung? Denn Sie haben um Zustimmung zu dem Antrag gebeten.
Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):
Ich nicht. Aber vielleicht möchte das jemand anders tun.