Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat habe ich heute ein zweites Mal die Freude und Ehre, Frau Kollegin Grimm-Benne zu vertreten, die nach wie vor die Gesundheitsministerkonferenz im Herrenkrug leitet.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wie es bereits in der Begründung zum Antrag formuliert ist, wird der Bedarf an Prüfungen der Pflegebedürftigkeit in den nächsten Jahren weiterhin erheblich ansteigen. Sachsen-Anhalt ist bekanntermaßen das Bundesland, welches statistisch gesehen die älteste Bevölkerung aufweist und zugleich eine hohe Morbidität im Bereich der chronischen Erkrankungen zu verzeichnen hat. Aber darüber, sehr geehrte Damen und Herren, haben wir in diesem Hohen Haus bereits oft debattiert.
Der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen weist auf das Problem hin, das Pflegefachkräfte, die in der direkten Versorgung von Pflegebedürftigen dringend gebraucht werden, für Aufgaben in der Pflegebegutachtung herangezogen werden müssen. Umso mehr muss nach Lösungen gesucht werden, damit das schon so wenige, aber höchst begehrte Pflegepersonal effizienter seine Arbeit erfüllen kann.
Der Bundesgesetzgeber hat es während der Pandemie ermöglicht, dass zur Begutachtung von Pflegebedürftigen alternative Begutachtungsformen, wie zum Beispiel Video- oder Telefoninterviews befundgestützt nach Aktenlage oder modulgestützt in den Einrichtungen, genutzt werden können. Diese Verfahren werden zur Sicherstellung der Pflegebegutachtung unter Pandemiebedingungen entwickelt, um kranke und pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen zu schützen.
Dafür hat der Bundesgesetzgeber durch eine Änderung von § 147 SGB XI vorübergehend die Vorgabe aufgehoben, dass gemäß § 18 Abs. 2 SGB XI Versicherte im Wohnbereich zu untersuchen seien.
Zum 30. Juni 2022 endet nun diese Regelung. Durch diese alternativen Begutachtungsformen konnte der Medizinische Dienst überhaupt erst Begutachtungen vornehmen, weil eine Begutachtung in der Häuslichkeit der Antragstellenden oder eine Begutachtung am Menschen wegen der Kontaktbeschränkungen nicht möglich waren. Erhebliche Personalressourcen konnten damit übrigens eingespart werden. So wurden bis zu sieben statt der üblichen maximalen fünf Gutachten am Tag erstellt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen leider davon ausgehen, dass bereits zum Herbst bzw. Winter ein deutlicher Anstieg der Infektionslage zu verzeichnen sein wird, sodass eine Fortführung der Regelung allein schon zu diesem Zwecke sinnvoll erscheint. Gleichwohl dies haben die Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag bereits ausgeführt macht es Sinn, die generelle Anwendung einer digitalen oder alternativen Begutachtung genauer zu prüfen, bevor sie, wie bei all ihren positiven Effekten, ggf. als gleichberechtigte Form der Begutachtung etabliert werden kann.
Nur wenn es sich im Regelfall nicht um Erstbegutachtungen handelt, wenn die Betroffenen überhaupt technisch in der Lage sind, Videokonferenzen durchzuführen, und sie gute Unterstützung bei der Durchführung alternativer Begutachtungsformen erhalten, dann erscheint eine solche Verfahrensweise sachgerecht. Auch die Frage, ob am Telefon in allen Fällen, ohne die Möglichkeit eines visuellen Eindruckes zur Bedürftigkeit und zum Wohnumfeld zu gewinnen, zu einer objektiven und realen Einschätzung gelangt werden kann, ist zu prüfen. Gerade deshalb ist es wichtig, dies ist dem Antrag zu entnehmen, dass eine Zustimmung der Betroffenen oder der Angehörigen hierzu vorliegen muss.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung wird, sofern der vorliegende Antrag durch den Landtag beschlossen wird, dem Auftrag selbstverständlich nachkommen und Änderungsvorschläge zum § 18 SGB XI prüfen. - Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)