Kathrin Tarricone (FDP):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrtes Hohes Haus! Wir sprechen über zwei Anträge. Über den einen - so viel kann ich vorwegnehmen - habe ich mich überhaupt nicht gewundert. Den anderen finde ich wenigstens irritierend.
Zur Einordnung. Das Deutschlandticket ist eine Flatrate auf das gesamte ÖPNV-Netz in der Bundesrepublik. Allein schon dieser Umstand kommt einer Revolution im Nahverkehr gleich,
(Zustimmung bei der FDP)
weil ein kaum durchschaubares Dickicht aus Tarifstrukturen für die Gäste radikal vereinfacht wurde.
In der Folge werden womöglich auch die hochkomplexen Modelle zur Verteilung von Einnahmen in den Verkehrsverbünden an Bedeutung verlieren. Die Steuerzahler machen - das klang heute schon an - mit 3 Milliarden € im Jahr das Deutschlandticket zudem besonders günstig.
Der rechnerische Geldvorteil - es gab bereits einige Modelle - liegt innerhalb des MDV bei 187 € gegenüber dem Netzticket im Abo-Light-Tarif. In der Natur einer Flatrate liegt es freilich, dass der tatsächliche Vorteil stark vom individuellen Nutzungsverhalten abhängt. Wer häufig längere Strecken fährt, profitiert mehr als Seltenfahrer auf kurzen Strecken.
Den größten finanziellen Vorteil dürfen diejenigen haben, die bisher mit dem Auto gependelt sind und es künftig vielleicht öfter einmal stehen lassen, wenn sie es stehen lassen können. Das ist letztlich der Zweck der ganzen Angelegenheit.
In diesem Sinne kann es gar nicht darauf ankommen, über welches Einkommen die Käuferinnen und Käufer verfügen. Dadurch wird das Deutschlandticket - das klang schon an - aber nicht sozial ungerecht, wie die LINKE offen behauptet und die GRÜNEN andeuten. Wenn das so wäre, dann sollten Sie konsequenterweise für alle staatlichen Leistungen eine Einkommens- oder Bedürftigkeitsprüfung verlangen.
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das wäre schön!)
Das wäre schön, aber das ist mit den Liberalen nicht zu machen.
(Beifall bei der FDP)
Dass die LINKEN die Karte des Sozialneids spielen, ist erwartbar.
Dass allerdings die GRÜNEN auf diese Weise hier einen Erfolg klein-, wenn nicht angesichts des mitschwingenden Vorwurfs des Unsozialen gar kaputtreden, an dem sie auf Bundesebene maßgeblich beteiligt waren, das verwundert uns doch sehr.
(Guido Kosmehl, FDP: Weil sie es nicht wollten! Weil sie es nicht wollten!)
Auf das viel drängendere Problem habe ich hier schon mehrfach hingewiesen. Auch heute klang es an: Wo kein ÖPNV fährt, nützt auch die billigste Fahrkarte der Welt nichts. Im Antrag der GRÜNEN begnügen sie sich dazu mit einem knappen Halbsatz. In die Begründung zu dem Antrag der LINKEN kann man mit etwas gutem Willen allenfalls die Übernahme unserer Idee des 365-Tage-Tickets hineininterpretieren. Schließlich sollte gerade auch die Angebotsverbesserung auf dem Land ein wesentlicher Bestandteil des Modellversuchs sein.
Die Verkehrsunternehmen werden noch eine ganze Weile mit der Umsetzung des Deutschlandtickets vollauf beschäftigt sein. Es ist absolut nachvollziehbar, dass das 365-Tage-Ticket deshalb erst einmal zurückgestellt wird. Es würde mich allerdings sehr freuen die Ministerin hat es mehrfach angedeutet , wenn möglichst viele der dafür entwickelten Konzepte nicht in der Schublade landen.
Ab 2026 wird die Finanzierung dann vom Mechanismus des ÖPNV-Rettungsschirms auf ein neues System umgestellt. Vorher wird es eine Evaluierung für die Jahre 2023 und 2024 geben. Nach meiner festen Überzeugung muss es dann verstärkt auch Anreize zur Verbesserung des Angebots geben. Das ist derzeit zwangsläufig nicht gegeben.
Uns Freien Demokraten ist es wichtig, Mobilität vom einzelnen Menschen aus zu denken. Wo will er wann hin? Warum er das will, ist uns egal. Das Was analysieren wir, und wir entwickeln neue Ideen, um das bestmöglich abzubilden. Dafür braucht es noch viele, viele neue Ideen. Mit denen werden wir Freien Demokraten uns in der Testphase beschäftigen, und nicht mit dem Mäkeln an der ÖPNV-Revolution.
Die Entwicklung um das Deutschlandticket werden wir sicherlich regelmäßig thematisieren. In den Ausschuss für Infrastruktur und Digitales überweisen wir gern den Antrag der GRÜNEN. Den Antrag der LINKEN lehnen wir ab.
(Zustimmung bei der FDP)