Guido Heuer (CDU):
Danke, Frau Präsidentin! Zur Beruhigung: Ich werde die 26 Minuten nicht ausschöpfen. Ich sage das, weil es hier im Saal so schön unruhig ist. Aber vielleicht fange ich zunächst mit dem Folgenden an, bevor ich mit meinem Redebeitrag beginne.
Herr Moldenhauer, der Finanzminister hat eindeutig klargelegt, dass nach § 18 Abs. 5 der Landeshaushaltsordnung in Verbindung mit Artikel 99 Abs. 32 - Sie selbst haben das zitiert - die Möglichkeit eines Sondervermögens gegeben ist. Und ganz ehrlich: Sie sind Opposition, das können Sie ja machen. Sie müssen jetzt aufpassen mit dem Wort Altpartei, weil Sie kurz davorstehen, eine zu werden.
(Lachen)
- Ja. In den letzten fünf Jahren, in denen ich im Landtag bin, haben Sie die Mittel für die Flüchtlinge und für die Zuwanderung immer als Gegenfinanzierung vorgeschlagen.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Heuer.
Guido Heuer (CDU):
Wenn Sie dieses immer gemacht hätten, dann hätten wir noch viel mehr Schulden, weil Sie diese Mittel viel zu oft ausgegeben haben. Ich frage mich deshalb, wie Sie ihren Haushalt dann generell finanzieren würden.
Dann muss ich noch einmal an ein anderes Thema erinnern, Herr Moldenhauer.
(Unruhe)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Heuer, einen Augenblick bitte. - Ich weiß, es ist der letzte Redner. Ich weiß auch, dass Sie jetzt sagen, die Zeit von 12 Uhr scheint nach Mittagszeit zu rufen. Aber wir sind mitten in der Haushaltdebatte. Deshalb möchte um Aufmerksamkeit auch für den letzten Redner in dieser Debatte bitten.
Guido Heuer (CDU):
Und dann ein Letztes, Herr Moldenhauer: Woher nehmen Sie eigentlich die Weisheit, dass wir in den nächsten Jahren Kredite aufnehmen, die der Schuldenbremse widersprechen? Haben Sie eine Glaskugel?
(Zuruf)
- Ich habe keine, um das klar zu sagen.
Herr Henke, jetzt zu Ihnen. Ihre Einlassung zur schwarzen Null war erwartbar. Wenn Herr Lippmann gesprochen hätte, dann hätten wir garantiert über den Pensionsfonds gesprochen. Ohne die Politik der schwarzen Null hätten wir diese Reserven überhaupt nicht gehabt, um so etwas einrichten zu können, um auch das einmal klar zu sagen.
(Beifall)
Jetzt komme ich zu meinem eigentlichen Redebeitrag. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst mit etwas Positivem beginnen. Die Ergebnisse der November-Steuerschätzung lassen uns Hoffnung schöpfen.
Dank der positiven Entwicklung der Steuereinnahmen im Vergleich zur Steuerschätzung im Mai liegen die Mindereinnahmen für das Jahr 2021 für Sachsen-Anhalt bei in Anführungszeichen nur noch 135 Millionen € gegenüber der Prognose vom Mai, bei der es noch 712 Millionen € gewesen sind.
Auch die Lage der Kommunen ist deutlich erfreulicher als erwartet. Statt einem Minus von 66 Millionen € über alle Steuereinnahmen hinweg beträgt das geschätzte Defizit auch hier in Anführungszeichen nur noch 22 Millionen €.
Im Nachtragshaushalt sind dennoch 66 Millionen € eingeplant. An dieser Stelle, Herr Finanzminister, muss ich Ihnen widersprechen: Wir sind der Meinung, dass wir die 44 Millionen € gezielt als Investitionspauschale an die Kommunen ausreichen sollten.
(Zustimmung)
Deutlich pessimistischer fällt der Blick auf die steigenden Coronainfektionszahlen aus. Die aktuelle Entwicklung verdeutlicht wieder einmal, dass die Pandemie noch lange nicht bewältigt ist. Hier erwarten wir deutliche Signale von der künftigen Bundesregierung in Berlin.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aufgrund des bisherigen und noch zu erwartenden Verlaufs der Pandemie ist es notwendig, einen Nachtragshaushalt zu beschließen. Darauf hat sich die Koalition im Koalitionsvertrag geeinigt. Die Landesregierung hat dem Landtag hierzu einen entsprechenden Entwurf zur Beratung vorgelegt. An dieser Stelle möchte ich dem Finanzministerium für die sehr gute Vorbereitung ausdrücklich danken.
Insgesamt ist ein Nachtragshaushalt mit einem Volumen von 2,61 Milliarden € geplant. Aufgrund nicht mehr vorhandener Rücklagen ist dieser komplett aus Krediten zu finanzieren. Davon fließen 1,95 Milliarden € in das Coronasondervermögen sowie 660 Millionen € für bereits geplante bzw. bereitgestellte Mittel für notwendige coronabedingte Maßnahmen. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch dazu, dass dieses sogenannte Sondervermögen ein kreditfinanziertes Programm ist.
Sehr geehrte Damen und Herren! Obwohl wir im Vergleich zu anderen Bundesländern ein recht moderates Sondervermögen einrichten, werden die jüngeren Generationen die finanziellen Folgen der Coronapandemie noch deutlich spüren, während die meisten von uns bereits ihren Ruhestand genießen werden.
In den nun folgenden Beratungen muss jedem klar sein, dass es immer wieder Krisen wie die Coronapandemie geben wird. Wir brauchen nur auf die letzten 25 Jahre mit einem Oderhochwasser, zwei Elbehochwassern, einer weltweiten Finanzkrise, dem Unfall von Fukushima sowie einer Flüchtlingskrise zu schauen, wobei sich jetzt anscheinend eine zweite Flüchtlingskrise anbahnt.
Somit gilt wieder einmal: nach der Katastrophe ist vor der Katastrophe. Aus diesem Grund sind wir verpflichtet, die Schuldenlast für künftige Generationen so gering wie möglich und die Tilgungszeiträume in einem erträglichen Maß zu halten.
(Zustimmung)
Ich persönlich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich kein großer Fan des Coronasondervermögens bin. Aber aufgrund der Ausgabenpolitik der letzten Jahre mit dem Auflösen sämtlicher Rücklagen gibt es keinen anderen Weg.
(Ulrich Siegmund, AfD: Das war doch CDU-Verantwortung! - Zuruf: Was?)
Die Schuldenbremse und das Urteil des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen definieren den Rahmen, in welchem ein pandemiebedingtes Sondervermögen gebildet werden darf. Deshalb gelten folgende Regeln für die Maßnahmen: erstens, zwingend direkter Coronabezug, zweitens, die Mittel sind investiv einzusetzen, drittens, sie müssen in die Zukunft gerichtet sein und der besseren Krisenfestigkeit des Landes Sachsen-Anhalt dienen.
Das Coronasondervermögen ist keine Pinnwand für politische Wünsche. Nach diesen Kriterien wird sich meine Fraktion jede Maßnahme einzeln anschauen, prüfen und entscheiden. Nur so werden wir der Budgethoheit des Landtages gerecht. Wie schon gesagt, hatte das Land in der Vergangenheit viele Krisen zu überstehen und Corona wird mit Sicherheit nicht die letzte sein.
Neben der Gesundheitsversorgung müssen wir in erster Linie die Wirtshaft unterstützen, da diese die Basis unseres Wohlstandes darstellt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Fehlende Prioritätensetzung in der Vergangenheit hat dazu geführt, dass das Land keinen Spielraum mehr hat. Das Coronasondervermögen ist daher zurzeit notwendig, aber wir werden an strukturellen Anpassungen nicht vorbeikommen. Der Haushalt für das Jahr 2022 wird diesbezüglich richtungsweisend sein.
Zum Beispiel ist ein weiterer Aufwuchs der Personalkosten, welche inzwischen ca. ein Drittel des Gesamthaushalts ausmachen, möglichst zu verhindern. Es muss jedem klar sein, dass die Pflicht vor der Kür kommt. Die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge war z. B. aus meiner Sicht ein teurer und ein vor allem nicht von Bürgermeistern bejubelter Kürbeitrag.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde an dieser Stelle nicht auf jede der Ihnen vorliegenden 60 Maßnahmen eingehen. Welchen Maßstab die CDU-Fraktion an die selbigen stellt, habe ich bereits erwähnt.
Selbstverständlich sind Investitionen in die Bildung und in die Gesundheit unabdingbar. Auf die Begründung oder vielmehr auf die Untersetzung mancher Maßnahmen im Ausschuss bin ich dennoch gespannt.
Beispielsweise muss bei den Investitionen in die Gesundheitsvorsorge das im Koalitionsvertrag verankerte und unverzüglich auszuschreibende Gutachten zur Ermittlung des zukünftigen regionalen Versorgungsbedarfs und der Versorgungsstrukturen inklusive der Notfallstrukturen sowie des sich abzeichnenden Fachkräftebedarfs bis zum Jahr 2035 die Grundlage bilden. Alle Maßnahmen im Rahmen des Coronasondervermögens müssen zielgerichtet sein und das Geld darf nicht mit der Gießkanne eingesetzt werden.
Ich freue mich auf die spannenden Diskussionen in unserem Ausschuss. Ich bitte im Namen der Koalitionsfraktionen um eine Überweisung der drei Drucksachen zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Finanzen und zur Mitberatung in alle anderen Ausschüsse außer dem Ausschuss für Petitionen. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Heuer, es gibt eine Frage vom Abg. Herrn Gallert. Beantworten Sie diese?
(Lachen)
Guido Heuer (CDU):
Aber sicher doch!
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Dann, Herr Gallert, stellen sie diese bitte.
Wulf Gallert (DIE LINKE):
Danke, Herr Heuer, dann schauen wir mal. - Es geht mir tatsächlich nicht so sehr um die Frage, ob es erhebliche Debatten darüber geben wird, ob jede einzelne Maßnahme, die in diesem Paket enthalten ist, eine direkte Folge oder sozusagen Prävention von Pandemie ist. Das ist aber ein Problem, das alle hätten, unabhängig davon, wer jetzt vorm am Rednerpult steht. Deswegen habe ich tatsächlich um nicht zu sagen Mitleid die Möglichkeit einer Übernahme der Perspektive der CDU-Fraktion.
Ich will aber auf ein Problem hinweisen. Dabei geht es um eine Frage, über die man sich relativ früh im Klaren sein muss. Ich meine, in diesem Papier steht ja nun auf der einen Seite, dass man im Grunde genommen wirtschaftliche Folgen für die Industrie ich beziehe mich jetzt auf die GRW voraussichtlich bis zum Jahr 2026 prognostiziert. Denn solange will man Landesmittel für die GRW aus diesem Topf bezahlen, zumindest einen Teil. - Okay, darüber kann man noch einmal reden.
Auf der anderen Seite weiß ich nicht, wie wir das große Problem der mangelnden Gewerbesteuereinnahmen, die ja damit korrelieren müssten, lösen können. Also, wenn man sagt: „die Industrie hat bis zum Jahr 2026 damit zu tun, aus dem Knick wieder herauszukommen“, dann müsste man in diesem Topf eigentlich auch Vorsorge für die Gewerbesteuerausfälle der Kommunen treffen.
Das machen wir jetzt für das Jahr 2021 mit einem Betrag von 66 Millionen €. Aber eigentlich müsste man davon ausgehen, dass dies auch in den Folgejahren so sein müsste. Dazu finde ich in dem Sondervermögen nichts. Wie soll dieses Problem gelöst werden, Herr Heuer? Andere Länder haben solche Steuerausfälle dort mit einbezogen. Warum ist das hier nicht erfolgt und wie soll das Problem gelöst werden?
Guido Heuer (CDU):
Herr Gallert, Steuerausfälle in den kommenden Jahren, das wird Thema in der Diskussion zum Haushalt für das Jahr 2022 sein; das gehört an keine andere Stelle.
(Zuruf: Das hat ja dann schon begonnen!)
- Ja, das mag alles so sein. Das ist aber der Nachtragshaushalt, wir reden jetzt nicht über den Haushalt für das Jahr 2022.
(Zuruf)
- Naja, das ist doch so. Wir reden jetzt über den Nachtragshaushalt inklusive Sondervermögen und nicht über den Haushalt für das Jahr 2022. Diese Diskussionen werden noch folgen. Dazu muss die Landesregierung auch erst einmal einen Haushaltsplanentwurf vorlegen. - Das ist das eine.
Das Zweite, Herr Gallert, was die Kommunen betrifft, darin sind wir uns sicherlich alle einig: Die Diskussionen zum künftigen FAG werden eine spannende Sache. Darüber werden wir sicherlich Debatten führen, weil die Kommunen zum Teil deutlich unterfinanziert sind es gibt einen Rechnungshofbericht dazu , teilweise werden aber auch die Hausaufgaben in den Kommunen nicht gemacht. Ich denke dabei allein an fehlende Jahresabschlüsse seit dem Jahr 2013 in vielen Kommunen, ohne jetzt Namen zu nennen.
Das ist die spannende Diskussion, die wir führen müssen. Dass wir die Kommunen ordentlich ausstatten müssen, aber auch mit klaren Maßgaben, das versteht sich aus meiner Sicht von selbst.
(Zustimmung)