Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Aktuelle Debatte und der Vortrag von Frau Dr. Pähle sprechen ein wichtiges Thema unserer Zeit an. Wir sind ein Land im Um- und Aufbruch. Wir sind ein Land, wie es aus der Landesregierung heraus gern gesagt wird, auf der Überholspur in Sachen Ansiedlung von Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen. Reden wir also darüber, was es braucht, um diese Erfolge dauerhaft zu sichern und mit Leben zu erfüllen.
Wissenschaft und Forschung, die in diesem Antrag vor allen Dingen adressiert sind, sind als solche grenzüberschreitend international und immer weltoffen. Die Internationalität wird an den wissenschaftlichen Einrichtungen in Sachsen-Anhalt gepflegt; denn anders würde es nicht funktionieren. Dies zeigen die Vielfalt der internationalen Kooperationen, die Austauschprogramme und die Mobilitätsströme, und das sowohl bei Studierenden als auch bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
Internationale Wissenschaftler und weltoffene Wissenschaftler nutzen aber nicht nur die Wissenschaft selbst, sondern sie sorgen auch dafür, dass sich Menschen aus verschiedenen Ländern begegnen, besser verstehen und kennenlernen. Das geschieht bei uns und das ist wichtiger denn je.
Auch für die Entwicklung unseres Landes ist es deshalb bedeutsam, dass es gelingt, Menschen von anderswo anzuziehen. Qualifizierte Arbeitskräfte werden auch in Sachsen-Anhalt gesucht. Diese Suche wird weiter zunehmen. Sie hängt unmittelbar mit dem großen Projekt Intel zusammen, aber endet dort natürlich nicht, insbesondere müssen wir das Spannungsverhältnis lösen, dass wir auf der einen Seite eine spektakuläre Neuansiedlung haben und auf der anderen Seite Bestandsunternehmen, die ihrerseits ebenfalls Fachkräfte brauchen. Zuzug ist das Mittel der Wahl.
Nun ist Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren schon das Investitionsziel vor allen Dingen ausländischer Unternehmen geworden. UPM - im Antrag bereits genannt - ist ein finnischer Konzern mit Standort in Leuna und bspw. Horiba in Barleben, ein japanisches Unternehmen, zeigen, dass sie Sachsen-Anhalt auf dem Schirm haben und dass sie gern hierherkommen, aber sie kommen natürlich auch mit einer Belegschaft. Sie kommen mit Personal, das einen internationalen Hintergrund hat und dieser internationale Hintergrund muss von uns akzeptiert und gelebt werden.
Ich will den Blick weiter lenken. Erstens. Das Großforschungszentrum CTC, das ebenfalls in den Süden Sachsen-Anhalts respektive den Norden Sachsens kommt, hat kein geringeres Ziel, als wichtige Verfahren und Kreisläufe der Chemie zukunftsfest zu machen und wieder verstärkt heimatnah umzugestalten. Das ist ein wichtiges Vorhaben im Kernland der chemischen Industrie. Das Projekt hat gewaltige Dimensionen. Mehr als 1 000 hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden gesucht. Mindestens 300 davon werden in Sachsen-Anhalt beschäftigt sein. Sie wissen, die Standortentscheidung ist noch nicht endgültig, aber die Landesregierung setzt sich sehr für den Standort Leuna ein. Der Bund hat darüber zu entscheiden.
Zweitens. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt soll ab dem Jahr 2024 in Leuna die weltweit erste Entwicklungsplattform für Power-to-Liquid-Kraftstoffe für die Luft- und Schifffahrt errichten. Dies ist ein Projekt, das bis zum Jahr 2035 läuft und eine mittlere dreistellige Millionenförderung erhält. Damit sind 100 Arbeitsplätze im Bereich Bau, Anlagen und Betrieb und eben Forschung verbunden. Wir brauchen Fachkräfte.
Das dritte Projekt ist von Frau Pähle ebenfalls schon genannt worden. Der schöne, der großartige Erfolg, den sich die Hallenser auf die Fahne schreiben können: Das Zukunftszentrum Deutsche Einheit und Europäische Transformation, das nach Sachsen-Anhalt kommt.
(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und von Andreas Silbersack, FDP)
Die wirklich großartigen Bemühungen des Teams um Bürgermeister Geier und die Unterstützung vonseiten der Landesregierung haben dazu beigetragen, dass diese Investition in Höhe von 200 Millionen € nach Sachsen-Anhalt kommt; 180 neue Stellen, mehrere Professuren an der Martin-Luther-Universität - Dr. Pähle hat zu Recht von einem Thinktank gesprochen. Das alles ist doch hoffnungsstimmend.
Aber es zeigt auch, dass wir mit den eigenen Fachkräften, mit Fachkräften aus Deutschland nicht mehr hinkommen. Wir brauchen dringend Zuzug, Zuwanderung. Dies gilt natürlich auch für die bereits angesprochenen Cluster in der Exzellenzstrategie. Wir setzen große Hoffnungen darauf, dass sich das Land Sachsen-Anhalt, die beiden Universitäten, erfolgreich an der Exzellenzstrategie beteiligen werden. Diese Hoffnung ist berechtigt.
Ich will Ihnen an dieser Stelle nicht verschweigen, warum das so ist. Wir haben seit dem Jahr 2016 dafür gesorgt, dass das Auf und Ab in der Wissenschaftspolitik dieses Landes, das ständige „mal fördern und dann wieder zurückholen“ ein Ende hat.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)
Seit dem Jahr 2016 wird kontinuierlich in die Wissenschaft investiert. Es ist vor allen Dingen Ruhe eingezogen. Mit der Entscheidung der Koalition, im Koalitionsvertrag 2021 die Existenzstrategie zu befördern, ist etwas geschehen, das finanziell Sicherheit schafft. Deshalb konnten wir alle - ich gehe davon aus, dass das für die Allermeisten gilt - im Umwelt- und Wissenschaftsausschuss in der vorvergangenen Woche erleben, wie engagiert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Projekte vortragen.
(Zustimmung bei der SPD)
Meine Damen und Herren! Wir haben in Ostdeutschland einen der höchsten Ausländeranteile, wenn es um Studierende geht. Im Land Sachsen-Anhalt sind es ca. 15,6 %. Im Bund liegt der Anteil bei 11,9 %. Und noch etwas sei Ihnen gesagt: 20 % kommen aus Indien, 11 % aus China, je 5 % aus Syrien und Bangladesch. Das ist international.
Einige Hochschulen haben einen Anteil ausländischer Studierender von 14 %, nämlich die Universität Halle, bzw. von 63 %, nämlich die Hochschule Anhalt. Diesbezüglich ist eine Menge geschehen. Das Landesstudienkolleg hat sich nicht erst jetzt in der Situation nach dem russischen Überfall auf die Ukraine extrem ins Zeug gelegt, um die Weiterqualifikation junger Menschen hin zu einem Abschluss, der eine Studienbefähigung oder Studierbefähigung enthält, auszugestalten.
60 ausländische Professorinnen und Professoren im Lande; rund 700 aus dem Ausland stammende wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; das alles sind gute Signale und das ist alles richtig. Wir sind an dieser Stelle vielleicht sogar attraktiver, als wir es selbst empfinden, auch wenn manche darauf unterschiedlich reagieren. Ich meine, es ist ein Grund zur Freude, dass wir so international sind.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)
Aber lassen Sie uns diesen Erfolg nicht verspielen. Wir brauchen diesen Erfolg dauerhaft und deshalb ist die Internationalität nicht nur in der Wissenschaft wichtig - Strukturwandel, Energiewende, überall ausländisches Fachkräftepotenzial, das zu nutzen ist. Holen und Halten, das ist die Devise und daran müssen wir gemeinsam arbeiten.
Wie machen wir das? - Das Land hat sich zum Ziel gesetzt, eine faire und bedarfsgerechte Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland zu ermöglichen und Unternehmen ebenso wie Zuwandernde aus dem Ausland gezielt zu unterstützen. Wir wollen ein attraktives Zuwanderungsland werden und an dieser Stelle attraktiv für Menschen aus dem Ausland, die hier ihre Zukunft gestalten wollen.
Ganz zentral dabei sind attraktive Lebens- und Arbeitsbedingungen; d. h. in den Unternehmen sichtbare Mitarbeiterorientierung, gute familienfreundliche Arbeitsbedingungen, faire Löhne, hohe Tarifbindung und eine starke Sozialpartnerschaft.
(Beifall bei der SPD)
So wollen wir es auch über unseren Koalitionsvertrag absichern und wir haben das im Blick.
Um ausländische Fachkräfte zu gewinnen, müssen viele Rädchen ineinandergreifen, aber dazu gehören schon einige, die funktionieren. Die Beratung und Begleitung von Unternehmen und Zuwanderungsinteressierten zu rechtlichen Voraussetzungen - Stichwort Fachkräfteeinwanderungsgesetz , die zügige Anerkennung ausländischer Qualifikation und die kraftvolle berufliche und betriebliche Integration sowie die Förderung fairer und sozialrechtlicher Mindeststandards.
Unter Federführung unseres Sozialministeriums und Kollegin Grimm-Benne sind zahllose Maßnahmen bereits ergriffen worden. Dazu gehört auch das Welcomecenter als verlässliche Anlaufstelle für Unternehmen und zuwanderungsinteressierte ausländische Fachkräfte.
(Beifall bei der SPD)
Das Beratungsangebot für migrantische Arbeitskräfte zur Stärkung fairer und nachhaltiger Rahmenbedingungen bei der Beschäftigung ausländischer Fachkräfte ist ebenfalls zu nennen. Darüber hinaus hat sich das Sozialministerium erfolgreich dafür eingesetzt, dass das Angebot der Erstorientierung zur sprachlichen Grund- und Erstorientierung in Sachsen-Anhalt ausgebaut wird.
All die genannten Beratungs- und Unterstützungsstrukturen sollen in den kommenden Jahren bedarfsorientiert weiterentwickelt werden, die Anerkennungsverfahren für ausländische Berufsabschlüsse vereinfacht und beschleunigt und die Visa-Erteilung an ausländische Fachkräfte durch den Bund ebenfalls beschleunigt werden.
Was aber bei alledem unverzichtbar ist, das ist eine echte Willkommenskultur. Nur wenn sich die Menschen im Land Sachsen-Anhalt willkommen fühlen und die Migration in den Arbeitsmarkt positiv anerkannt und befördert wird, werden sie sich für eine Zukunft im Land Sachsen-Anhalt entscheiden.
Dafür braucht es vor allem diskriminierungsfreie Teilhabe am gesellschaftlichen, am politischen, am kulturellen und am wirtschaftlichen Leben. Dazu sind wir alle aufgefordert: Ausländerfeindlichkeit aktiv und konsequent entgegenzutreten sowie eine zukunftsbejahende Willkommenskultur zu etablieren.
Lassen Sie es mich wiederholen: Andere Bundesländer haben sicherlich eine große Vergangenheit, das Land Sachsen-Anhalt hat eine großartige Zukunft vor sich:
(Zustimmung bei der SPD)
weltoffen und international. Wir wollen diese Erfolge nicht verspielen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)