Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte meinem Redebeitrag ein kleines Rätsel voranstellen.
(Hannes Loth, AfD: Sie sind eine Frau?)
Vater und Sohn fahren im Auto. Sie haben einen schweren Unfall, bei dem der Vater noch am Unfallort verstirbt. Der Sohn wird mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht, in dem ein Chefarzt der Chirurgie arbeitet, der eine bekannte Kapazität für Kopfverletzungen ist. Die Operation wird vorbereitet. Alles ist fertig, als der Chefarzt erscheint, erblasst und sagt: Ich kann nicht operieren, das ist mein Sohn.
In welchem Verwandtschaftsverhältnis steht der Chirurg zum Kind? Wieso kann er es nicht operieren? Wissen Sie es? Ist es ein uneheliches Kind? Eine Adoption? - Nein, die Antwort ist ganz einfach: Der Chirurg ist die Mutter des Kindes, also eigentlich die Chirurgin.
(Lachen bei der AfD - Unruhe bei der AfD)
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wie Sie wissen, wird im Deutschen nach wie vor das sogenannte generische Maskulinum verwendet. Personen oder Berufsbezeichnungen werden in der grammatikalisch männlichen Form verwendet, obwohl in der Regel auch eine weibliche Wortform existiert.
(Zurufe von der AfD)
Eine Personengruppe, die sich aus allen Geschlechtern zusammensetzt, wird „männlich“ bezeichnet.
(Lachen bei der AfD)
Demgegenüber soll der geschlechtergerechten Sprache die geschlechtliche Vielfalt unserer Wirklichkeit auch sprachlich besser abgebildet werden, als es allein mit männlichen Personenbezeichnungen möglich ist. Unsere Welt besteht aus verschiedenen Geschlechtern, deshalb sollten wir sie auch abbilden.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Leider ist festzustellen auch gerade heute wieder , dass es bei der Debatte um das Gendern nicht immer um den bloßen Austausch der besten Argumente geht.
(Zuruf von der AfD)
Dabei zeigt das von mir gewählte Beispiel deutlich, was seit Langem bekannt und im Übrigen auch durch die psychologische Forschung in einer Vielzahl verschiedener Experimente nachgewiesen wurde: Unsere Sprache bestimmt unser Denken. Worte lösen beim Lesen und Hören Assoziationen aus.
Worte manifestieren Machtbeziehungen, d. h. auch, Sprache schafft Welt. Durch die Nutzung männlicher Personenbezeichnungen entstehen vorrangig männliche Bilder in unseren Köpfen. Bei Nutzung maskuliner Personenbezeichnungen stellt unsere Sprache die Welt also anders dar, als sie es eigentlich ist.
(Zuruf von der AfD)
Oder haben Sie bei meinem Rätsel die meisten haben ja nur gelacht tatsächlich an die Chirurgin als erstes gedacht?
Gleichzeitig kennen wir aber auch alle die Beispiele, in denen neue Begriffe gefunden bzw. geprägt wurden, da sich Einzelne von uns in den tradierten Berufsbezeichnungen eher nicht wiederfinden oder mit gemeint sehen. Die männliche Krankenschwester wird zum Pfleger und die männliche Hebamme bei uns gibt es diese noch heißt bei uns Entbindungshelfer.
Genau darum geht es bei der geschlechtergerechteren Sprache. Sprache ist ein zentrales Mittel, um Bewusstsein zu schaffen, Sensibilisierung und Sichtbarkeit zu erreichen und um Anerkennung und Respekt zum Ausdruck zu bringen. Das muss uns leiten: Respekt.
Kinder trauen sich bspw. und das ist wissenschaftlich erwiesen durch die Verwendung der verschiedenen Geschlechter bei Berufsbezeichnungen eher Erfolg in genderuntypischen Berufen zu. Geschlechtergerechtere Sprache anzuwenden ist natürlich kein Allheilmittel, sondern vielmehr ein Baustein auf dem Weg hin zu mehr Gleichberechtigung in unserem Land.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Auch der angeführte Rat für deutsche Rechtschreibung hat jüngst explizit betont, dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll und sie sensibel angesprochen werden sollen.
Lassen Sie mich zum Ende meiner Rede noch auf einen letzten Aspekt eingehen. Zutreffend führen Sie verschiedene Befragungen an, wonach eine Mehrheit der Menschen in diesem Land das Gendern ablehnt. Auch hier lohnt der Blick ins Detail.
Nach einer Untersuchung des Kölner Rheingold-Instituts, renommiert im Bereich der Markt- und Wirkungsforschung, sehen vor allem junge Frauen zwischen 15 und 34 Jahren in geschlechtergerechter Sprache ein wichtiges Signal auf dem Weg zur mehr Gleichberechtigung und einem moderneren Geschlechterverständnis. Ca. 44 % der jungen Frauen erachten die Diskussion als wichtig und gerechtfertigt.
(Zuruf von der AfD: Ja, ja!)
Manchmal ist es schwer, sich neuen sprachlichen Vorschlägen zu öffnen, dabei ist der deutsche Sprachwandel ein Phänomen, das so alt wie unsere Sprache selbst ist. Ein Unglück? - Ich meine: keineswegs. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Herr Kirchner, es gibt eine Frage?
Oliver Kirchner (AfD):
Eine Zwischenintervention.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Dann müssen Sie das aber auch deutlich machen. Es gibt es keine Privilegien für Fraktionsvorsitzende. Stehen Sie auf und stellen Sie sich hin. Aber, Herr Kirchner, da eine Ministerin eine Frage immer beantworten muss, egal, ob sie das will oder nicht, können Sie jetzt noch sitzen bleiben und das Wort nehmen.
Oliver Kirchner (AfD):
Alles klar; vielen Dank, Herr Präsident. - Sie führten die Umfrage an. Ich glaube, 26 000 Befragte im Land Sachsen-Anhalt ist schon eine stolze Zahl. Es ist eine deutliche Umfrage, die sonst immer mit 1 005 Befragten schon repräsentativ ist.
Wenn dort 86 % sagen, dass für sie diese Gendersprache unwichtig ist, dann sollten wir das doch in diesem Haus oder in anderen Verwaltungen akzeptieren und es den Menschen, denen es nicht so leichtfällt, Sprache zu verstehen, z. B. Menschen mit Behinderung, nicht noch deutlich schwerer machen, mit solcher Sprache nach vorn zu preschen, sondern gerade für diese Menschen einfache Sprache zu benutzen. Das passiert in den Verwaltungen nämlich auch nicht immer. Für mich persönlich hat aber auch diese Gendersprache einen wirklich großen Vorteil: Man weiß beim ersten Satz, mit wem man es zu tun hat. - Vielen Dank.
(Bravo! bei der AfD - Beifall bei der AfD)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Die Ministerin meint, dass sie darauf nicht reagieren muss. Insofern war das klar, es war eine Intervention.
(Zuruf von der AfD)