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Plenarsitzung

Transkript

Tobias Krull (CDU):

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr geehrten Mitglieder des Hohen Hauses! Ich darf mich heute an Sie als Vertreter der CDU-Landtagsfraktion und damit der Union, die zweifelsohne die Partei der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland ist und für die immer klar war, dass das Geld, was wir als Staat an Bedürftige verteilen wollen, erst einmal verdient werden muss, wenden.

(Zustimmung von Andreas Schumann, CDU)

Und ja, die Debatte über das Bürgergeld braucht eine Versachlichung. Das ist auch im Sinne unserer Fraktion. Dazu gehört es aber auch, bestehende Probleme anzuerkennen. Es gibt eine Realität abseits von diversen Sendungsformaten auf privaten TV-Kanälen oder der allgemeinen Aussage, dass alle Bürgergeldempfänger einfach nur zu faul seien, um sich eine richtige Arbeit zu suchen.

Aber dass die Vermittlungsquote auf den ersten Arbeitsmarkt von 13,7 % im Jahr 2014 auf mittler-weile 5,5 % im Jahr 2023 gesunken ist, kann doch niemanden befriedigen. Ganz im Gegenteil, die Quote macht deutlich, welcher Handlungsbedarf existiert.

(Zustimmung von Sandra Hietel-Heuer, CDU)

Als Union sehen wir die absolute Notwendigkeit, dass es einen aktiveren Sozialstaat gibt. Das bedeu-tet einerseits, dass alle Menschen, die entsprechende Hilfe benötigen, diese auch erhalten. Aber ge-nauso bedeutet das, dass jede einzelne Person im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihren Beitrag dazu leisten muss, die persönliche Lebenssituation zu verbessern. Dabei geht es nicht allein um die Finan-zen, sondern auch um den gesellschaftlichen Konsens, dass alle ihren Beitrag leisten müssen. Ansons-ten kommt es unweigerlich zu gesellschaftlichen Spannungen.

In Deutschland erhalten 5,57 Millionen Menschen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II, besser bekannt als Bürgergeld. Davon gelten fast 4 Millionen Menschen als erwerbfähige Empfänger von Bürgergeld. Nicht jeder von diesen ist in gleichem Maße vermittelbar, oder es handelt sich um Auf-stocker. Häufig fehlt es an entsprechenden Qualifikationen, die sprachlichen Kompetenzen reichen nicht oder es gibt persönliche Gründe wie Krankheit, Kinderbetreuung oder die Rolle als pflegende Angehörige, die einer Vermittlung entgegenstehen.

In Zeiten, in denen vielerorts nicht nur über Fachkräftemangel geklagt wird, sondern in denen gene-reller Arbeitskräftemangel existiert, sind solche Zahlen natürlich nicht tolerierbar. Insgesamt betrach-tet braucht man also einerseits mehr Anreize zur Arbeitsaufnahme. Andererseits müssen die Vermitt-lungshemmnisse abgebaut werden, z. B. mit passenden Qualifizierungen.

Als CDU haben wir unseren Vorschlag für eine neue Grundsicherung bereits vorgebracht. Dazu gleich mehr. Das heutige Bürgergeld hat sich aus der Sicht meiner Fraktion nicht bewährt. Es sei daran erin-nert, dass im ersten Gesetzentwurf des Bundes das Thema Sanktionen gar nicht vorkam. So wirkte das Bürgergeld für manche wie ein bedingungsloses Grundeinkommen. Erst bei den Verhandlungen mit der CDU - zu dem Verhandlungsteam gehörte auch unser Minister Sven Schulze - wurden dabei wichtige Veränderungen erreicht. Aber insgesamt reichten sie nicht aus.

Die Kosten des Bürgergeldes liegen im mittleren zweistelligen Milliardenbereich. Die abgewählte Bun-desregierung musste immer wieder Geld nachschießen, weil die ursprünglichen Haushaltsansätze nicht ausreichten. 

Dazu kommt die Tatsache, dass die Ampelregierung für die Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld deutlich zu wenig Geld an die Kranken- und Pflegekassen überwiesen hat. Rund 100 € pro Monat sind pro Person geflossen, während die Kassen durchschnittlich 300 € monatlich für diese Personen ausgeben. Es entstand ein Delta, das sich kassenübergreifend auf einen Milliardenbeitrag aufsummiert hat, und das zulasten der gesetzlich Krankenversicherten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will nicht über Papiere spekulieren, die man im Netz fin-det. Das sind Verhandlungsstände und keine Beschlüsse. Aber im Sondierungspapier der CDU, der CSU und der SPD finden sich die folgenden Aussagen: 

„Mit starken Wachstumsimpulsen und einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sichern wir Beschäftigung und schaffen die Voraussetzungen für neue Arbeitsplätze. Mit einer aktiven Arbeits-marktpolitik wollen wir erwerbfähige Arbeitslose in dauerhafte Beschäftigung bringen.

Das bisherige Bürgergeldsystem gestalten wir zu einer neuen Grundsicherung für Arbeitssu-chende um. Es muss sichergestellt werden, dass die Jobcenter für die Eingliederung ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt bekommen. Wir stärken die Vermittlung in Arbeit. Für die Menschen, die arbeiten können, soll der Vermittlungsvorrang gelten. Diese Menschen müssen schnellstmöglich in Arbeit vermittelt werden. Für diejenigen, die aufgrund von Vermittlungshemmnissen keinen Zu-gang zum Arbeitsmarkt finden, werden wir vor allem durch Qualifizierung eine dauerhafte Integrati-on in den Arbeitsmarkt ermöglichen. 

Wir werden Vermittlungshürden beseitigen, Mitwirkungspflichten und Sanktionen im Sinne des Prinzips Fördern und Fordern verschärfen. Bei Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenom-men. Für die Verschärfung von Sanktionen werden wir die Rechtsprechung des Bundesver-fassungsgerichts beachten.“ 

(Zustimmung von Sandra Hietel-Heuer, CDU, von Dr. Anja Schneider, CDU, und von Sven Czekalla, CDU)

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist doch der richtige Ansatz. Es geht um das Leitmotiv von Fördern und Fordern, damit dieses in der Realität endlich wieder vollständig umgesetzt wird. Jede Vermittlung auf den Arbeitsmarkt schafft den Menschen nicht nur die Möglichkeit, sich ihr Leben durch eigenes Erwerbseinkommen zu finanzieren. Durch eigener Hände Arbeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, hat so viel mehr Aspekte als nur den rei-nen finanziellen Aspekt. Es geht auch um das Gefühl der Selbstbestimmtheit, um die Freude an der Arbeit, um die sozialen Kontakte und Verbindungen, die durch die Beteiligung an der Arbeitswelt entstehen. 

Schlussendlich werden auch erhebliche Sozialausgaben eingespart und gleichzeitig bekom-men die Sozialkassen zusätzliche Einnahmen zur Stärkung der finanziellen Basis. So gesehen ist die Vermittlung in Arbeit eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. 

Die Argumente der Linken gegen die neue Grundsicherung haben wir heute schon mehrfach hören können; sie wurden auch an anderer Stelle entsprechend vorgetragen. Natürlich ist es nicht die optimale Lösung, wenn die Vermittlung in den sogenannten Niedriglohnbereich passiert und weitere Sozialleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen werden müssen. Aber es ist besser als nichts bzw. das ausschließliche Verbleiben in sozialen Siche-rungssystemen. 

An dieser Stelle möchte ich für meine Fraktion noch einmal ganz deutlich machen, dass wir gegen die politische Festsetzung des Mindestlohns sind. Hierbei ist die Mindestlohnkommis-sion gefragt, in der Sozialpartner gemeinsam über die Höhe des Mindestlohns entscheiden. Dabei ist immer mitzudenken, dass dessen Höhe auch Auswirkungen auf die anderen Ent-gelthöhen hat. Denn qualifizierte Fachkräfte haben natürlich einen berechtigten Anspruch darauf, mehr zu verdienen als die Unqualifizierten. 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf das Modell der neuen Grundsicherung der CDU Deutschlands möchte ich jetzt noch etwas ausführlicher eingehen. Der Ansatz, der da-mit verfolgt wird, ist einerseits, die Vermittlung durch unterschiedliche Maßnahmen zu stär-ken und die Anreize zur Arbeitsaufnahme zu erhöhen, andererseits, durch Sanktionen und entsprechende Ansätze die richtigen Impulse zu setzen. Dabei geht es nicht um Schikanen oder Drangsalierung der Hilfebedürftigen, wie es von unseren politischen Mitbewerbern un-terstellt wird. Es geht um die richtigen Impulse. 

Ist es tatsächlich zu viel verlangt, wenn man von denjenigen, die Hilfe erhalten, z. B. die Ein-haltung von Fristen, die Wahrnehmung von Terminen oder das eigenständige Bemühen um Reintegration auf dem Arbeitsmarkt verlangt? Wie soll eine Person dauerhaft auf dem ers-ten Arbeitsmarkt zurechtkommen, wenn sie schon an diesen Grundfertigkeiten scheitert? 

Ja, die Anzahl der Totalverweigerer ist im Verhältnis zur Gesamtzahl der Leistungsbezieher gering und manchmal wird die öffentliche Debatte auf diesen Personenkreis verkürzt ge-führt. Doch das Grundanliegen von Fördern und Fordern bleibt zweifelsohne richtig. 

Mit den besseren Hinzuverdienstmöglichkeiten, bei denen es nicht gleich zum vollständigen Abzug des verdienten Geldes von den Transferleistungen kommt, wollen wir zusätzliche An-reize zur Arbeitsaufnahme schaffen. Wir wollen auch die Qualifizierungsmöglichkeiten ver-bessern, damit die Leistungsempfänger die Möglichkeit bekommen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, die es ihnen ermöglicht, ihren Lebensunterhalt möglichst vollständig durch ei-genes Erwerbseinkommen zu sichern. 

Da sich verhältnismäßig viele Menschen im Bürgergeldbezug befinden, die ursprünglich nicht aus unserem Land kommen, gilt es, besondere Maßnahmen zum Spracherwerb zu er-greifen. Die Sprache ist der Schlüssel zu fast allem, auch zur Integration auf dem Arbeits-markt. Hierbei wird die neue Bundesregierung gefordert sein, Maßnahmen zu ergreifen, um wieder eine bessere Steuerung der Migrationsströme zu gewährleisten. Eine dauerhafte Zu-wanderung in die sozialen Sicherungssysteme überfordert diese und schadet dem sozialen Frieden in unserem Land. 

Im Übrigen darf man an dieser Stelle bitte auch nicht vergessen, dass eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass die Menschen wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt Beschäftigung finden. 

(Zustimmung bei der CDU)

Denn nur erfolgreiche Unternehmen sind auch in der Lage, Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen. Diese Tatsache dürfen wir an dieser Stelle ausdrücklich nicht vergessen. Wir brau-chen eine neue Grundsicherung, die denen hilft, die Hilfe brauchen, und gleichzeitig die richtigen Ansätze zur Arbeitsaufnahme und zur Einhaltung von Vereinbarungen sowie zur Stärkung der Vermittelbarkeit beinhaltet. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Vielen Dank, Herr Krull. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Gallert. - Ja. Herr Gallert, bitte. 


Wulf Gallert (Die Linke): 

Herr Krull, Sie haben am Anfang Ihrer Rede betont, dass eine Versachlichung der Debatte notwendig ist. Es freut mich, das von einem CDU-Vertreter zu hören. Deswegen frage ich Sie nach Ihrer Einschätzung zu den Äußerungen von Carsten Linnemann im Zusammenhang mit diesem Thema, der unter anderem mehrfach gefordert hat, dass man bei jenen, die er als Totalverweigerer bezeichnet   ich weiß nicht, woher er diesen Begriff hat, die Definition da-für  , radikal 100 % der Unterstützung streichen soll. Sie haben gesagt, Sie wollen Ihre Forde-rungen nach dem Grundgesetz und nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausrich-ten. Er sagt 100 % Streichung, was nun definitiv das Gegenteil davon ist; und außerdem spricht er von Totalverweigerern. 

Wenn wir bei uns in Sachsen-Anhalt von 1,2 % bis 1,3 % von 60 000 arbeitslosen Bürgergeld-empfängern reden, reden wir von Leuten, denen die Leistung im Schnitt um 9 % gekürzt worden ist, weil sie z. B. einen Termin verballert haben. 

(Eva von Angern, DIE LINKE: Das ist kein Totalverweigerer!) 

Das sind doch keine Totalverweigerer. Über wie viele reden wir eigentlich? Und wie schät-zen Sie die Position von Herrn Linnemann ein? 

(Matthias Redlich, CDU: Er hat recht!) 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Krull, bitte. 


Tobias Krull (CDU): 

Vielen Dank. - Meiner Kenntnis nach war Herr Linnemann dabei, als das Sondierungspapier verabschiedet worden ist. Er hat sich also auch klar dazu bekannt. Er hat auch in Hinter-grundgesprächen immer wieder geäußert, dass es nicht darum geht, die entsprechenden Ur-teile des Bundesverfassungsgerichts bezüglich des Mindestbedarfs außer Kraft zu setzen. Es geht vielmehr um eine Regelung, mit der diejenigen, die sich dauerhaft verweigern, dann nur noch das absolute Mindestmaß bekommen. 

(Eva von Angern, DIE LINKE: Das ist aber etwas anderes als 100 % Streichung!)

Es geht nicht darum, auf null zu fahren, sondern darum, klar zu machen, dass dann nur noch das absolut Notwendigste, das gerichtlich festgestellt worden ist, gezahlt wird - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Denn wir sind eine Rechtsstaatspartei und selbstverständlich halten wir uns an die Urteile. 

Und ja   ich habe das auch in meiner Rede bereits gesagt  , die Anzahl derjenigen, die sich total verweigern, ist relativ gering. Aber sie existieren. Und jeder Fall, der vorliegt, ist ein Fall zu viel. 

Wenn ich mir die aktuellen Entwicklungen angucke, stelle ich fest: Wir brauchen in unserem Land vor allem wieder eine starke Wirtschaftspolitik, um genug Arbeitsplätze zu haben für diejenigen, die wir vermitteln wollen. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Vielen Dank, Herr Krull.