Tagesordnungspunkt 22
Den Faden nicht abreißen lassen - Beziehungen zu Russland auf kulturellem, wissenschaftlichem und schulischem Gebiet sofort wieder aufnehmen!
Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/1009
Herr Tillschneider möchte den Antrag für die AfD gern einbringen. - Herr Tillschneider, Sie haben das Wort.
Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Stadt München hat Valery Gergijew, den Chefdirigenten der Münchner Philharmonie, entlassen, weil er nicht bereit war, sich von Putin zu distanzieren.
(Holger Hövelmann, SPD: Richtig so!)
- Sie rufen: „Richtig so!“ Warten Sie einmal ab. Der Fall Valery Gergijew steht beispielhaft für viele weitere Fälle von Künstlern in Deutschland und Europa, deren Engagements gekündigt wurden, weil sie aus Russland kommen und nicht bereit waren, das geforderte politische Bekenntnis abzulegen. Künstler werden unter Druck gesetzt, ihre politische Gesinnung zu offenbaren und sich zu einer bestimmten außenpolitischen Doktrin zu bekennen.
(Dr. Falko Grube, SPD: Einfach nur für Frieden!)
Wenn sie sich weigern, dann drohen Konsequenzen. Für ein Land, dessen Grundgesetz die Freiheit der Kunst postuliert, sind solche Vorgänge eine Ungeheuerlichkeit.
(Beifall bei der AfD - Zuruf von Angela Gorr, CDU)
Es ist eine dermaßen brutale und offene Vergewaltigung der Kunstfreiheit,
(Dr. Falko Grube, SPD: Oh!)
dass jeder, der dies jetzt duldet oder sogar gutheißt, wie Sie es tun, sich nie wieder als ein Verteidiger der Kunstfreiheit aufspielen muss.
(Beifall bei der AfD - Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE: Gehen Sie einfach wieder mit Ihren Russlandfahnen spielen!)
Im Archäologischen Museum im Chemnitz hat es sogar eine Mumie getroffen.
(Lachen bei der AfD)
Dort muss eine Ausstellung über Schmuck ohne den mumifizierten Leichnam eines skythischen Reiters aus Nowosibirsk stattfinden, der eigentlich die Hauptattraktion der Ausstellung bilden sollte, aber das Pech hatte, aus dem prähistorischen Russland zu kommen.
(Lachen bei der AfD)
Eine am Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte entwickelte Ausstellung zu den Ausgrabungen von Heinrich Schliemann darf nicht wie vorgesehen in Moskau gezeigt werden. Der finnische Zoll hat in einem kriminellen Akt Bilder aus russischen Sammlungen beschlagnahmt, die als Leihgaben in italienischen Museen ausgestellt waren und turnusmäßig zurückgeführt werden sollten. Der Gipfel des Irrsinns war erreicht, als die Universität Mailand ein Seminar über den im Jahr 1891 verstorbenen russischen Romancier Fjodor Dostojewski absagen wollte mit der Begründung, er sei ja Russe.
(Zuruf von der AfD)
Wir erleben zurzeit im Zeichen des Ukrainekonflikts eine Hexenjagd auf alles Russische. Wir erleben eine Vereinnahmung von Kunst, Kultur und Bildung durch die Politik, wie man sie ansonsten nur aus totalitären Regimen kennt. Leider beteiligt sich auch die Landesregierung an diesem unwürdigen Treiben und hat alle schulischen und universitären Beziehungen zu Einrichtungen in Russland bis auf Weiteres auf Eis gelegt.
(Zuruf von der AfD: Pfui!)
Das betrifft Schulpartnerschaften, Schüleraustauschprogramme, Forschungskooperationen, Gastprofessuren und Auslandsstudien. All das wird abrupt abgebrochen. Zwar dürfen russische Studenten, die schon hier sind, ihre Studien hier noch zu Ende führen welche Gnade aber auch, sie werden nicht unverzüglich abgeschoben , schon organisierte Auslandsaufenthalte dürfen aber nicht angetreten werden.
Weitere Kontakte werden nicht angebahnt. Aktivitäten im Rahmen bestehender Kontakte ruhen. Alle Beziehungen zu Russland auf dem Gebiet der Bildung sind ausgesetzt. Sie zerreißen Verbindungen, die in Jahren gewachsen sind. Sie zerstören das, was durch das Interesse und die Initiative junger Menschen von unten aufgebaut wurde. Sie nehmen Schüler und Studenten in Mithaftung für Ihre Außenpolitik, was selbst dann falsch wäre, wenn Ihre Außenpolitik richtig wäre.
Sie isolieren damit nicht Russland. Sie isolieren uns und fügen damit Sachsen-Anhalt schweren Schaden zu. Was Sie tun, ist falsch, weil gerade unsere Bildungseinrichtungen vom Kontakt mit Russland profitieren. Wie schon in unserem Antrag zu den ukrainischen Sonderklassen dargelegt, sind uns die Bildungssysteme in ganz Osteuropa und so auch in Russland haushoch überlegen. Dort wird, wenn es um Bildungspolitik geht, eben nicht à la Lippmann darüber gejammert, dass es zu wenige Schulsozialarbeiter gibt, die Tag und Nacht verwöhnten Problemschülern das Näschen pudern, sondern darüber, wie man besser werden kann und wie man das Niveau anheben kann. Dort wird darüber nachgedacht, was Lehrer tun können, um die Disziplin und die Leistungsbereitschaft der Schüler zu erhöhen. Die Schüler dort sind disziplinierter und strebsamer. Sie sind bereit, hart an sich zu arbeiten und suchen die Schuld für schlechte Ergebnisse nicht beim Lehrer oder bei der Schule oder bei der Gesellschaft, sondern bei sich selbst.
(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)
Das sieht man sehr deutlich bspw. an den Ergebnissen internationaler Schülerwettbewerbe. Die Europäische Vereinigung für Internationale Jugendmusikwettbewerbe listete aktuell auf ihrer Internetpräsenz 96 Preisträger auf, und zwar zwei Preisträger aus Australien und drei Preisträger aus den USA. Allein zehn dieser 96 Preisträger entfallen auf Russland, so viele wie auf kein anderes Land.
Die Internationale Mathematikolympiade ist ein seit 1959 veranstalteter Schülerwettbewerb auf dem Gebiet der Mathematik. Deutschland hat in den letzten zehn Jahren im Länderranking Platzierungen zwischen Platz 11 und Platz 33 erreicht. Russland stand hingegen im gleichen Zeitraum dreimal, nämlich in den Jahren 2021, 2020 und 2018 auf Platz 2. Russlands schlechtestes Ergebnis, ein Platz 11, war für Deutschland das beste jemals erreichte Ergebnis.
(Lachen bei der CDU)
Bei der Internationalen Physikolympiade im Jahr 2021 in Litauen kamen fünf der 45 Goldmedaillenträger aus Russland. Deutschland war unter den Goldmedaillenträgern nicht vertreten usw. usf.
Ich habe mir viele internationale Schülerwettbewerbe angesehen und könnte diese Liste lange fortsetzen. Immer waren die Russen deutlich besser als die Deutschen.
(Olaf Meister, GRÜNE: Dann sollen sie mal ein Patent anmelden!)
Dazu muss ich sagen: Sie haben kein Problem damit, massenweise Kinder von bildungsfernen Armutseinwanderern aus Dritte-Welt-Ländern, die uns kulturell fernstehen, an unsere Schulen zu lassen. Aber der Schüleraustausch mit Russland soll ein Problem sein? Es fällt schwer, Ihnen keine destruktiven Absichten zu unterstellen.
Russische Schüler können mit ihrer Disziplin, mit ihrer Leistungsbereitschaft und übrigens auch mit ihrem Patriotismus unseren Schülern als Vorbild dienen. Von Schulpartnerschaften zwischen Sachsen-Anhalt und Russland profitiert vor allem Sachsen-Anhalt. Russland braucht diese Partnerschaften nicht, wir brauchen diese Partnerschaften.
Für die Sanktionen gegen Russland auf kulturellem Gebiet gilt wie für die Wirtschaftssanktionen: Damit schaden wir nicht Russland, damit schaden wir uns selbst. Selbst, wenn man Russland schaden wollte, was ich nicht für ein erstrebenswertes Ziel halte aber Sie wollen das , sind die Sanktionen kontraproduktiv. Sie drohen Russland gewissermaßen damit, sich ins eigene Knie zu schießen. Das wird Putin ganz gewiss zu Tode erschrecken. Was, wenn nicht das?
Aber Spaß beiseite. Wir sollten in diesem Konflikt unsere eigenen Interessen definieren und vertreten. Auf kulturellem und bildungspolitischem Gebiet besteht unser Interesse ganz sicher nicht darin, unsere Verbindungen zu Russland zu kappen.
Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.
(Beifall bei der AfD)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Es gibt eine Frage. Herr Gürth hat das gerade so in den Griff bekommen. - Bitte.
Detlef Gürth (CDU):
Verehrter Herr Präsident! Es ist eine Intervention.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Das habe ich nicht erkannt.
Detlef Gürth (CDU):
Ich habe Ihrer Rede, Herr Kollege, zugehört das fällt inhaltlich manchmal schwer , aber mir sind zwei Dinge aufgefallen, bei denen ich mich aufgrund Ihres akademischen Grades wirklich darüber wundere, dass Ihnen das beim Lesen Ihrer vorbereiteten Zündelrede nicht selbst aufgefallen ist.
Sie reden kritisch über Einschränkungen kultureller Freiheit und stehen hier wie kein zweiter Abgeordneter für die Einschränkung kultureller Freiheit.
(Zustimmung bei der CDU, bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Nur deutsche Künstler an deutschen Theatern das ist Ihr Credo. Offensichtlich gibt es nur zwei Kulturkreise, wenn ich es so nennen kann: Deutsche Künstler und russische Künstler, die Sie noch dulden.
(Lachen bei der CDU und bei der CDU)
Alle anderen, also selbst ein Shakespeare, sind Ihnen fremd und Sie würden sie am liebsten aus den Theatern verbannen wollen.
(Zurufe von der AfD)
Lesen Sie in Ihren Reden nach. Dann sind Sie wieder bei dem Thema „ins Knie schießen“. Es ist ein Schuss in Ihr eigenes Knie.
(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zuruf von der AfD: Oh!)
Zudem wollte ich anmerken: Der Name Petrenko sagt Ihnen sicherlich etwas. Das ist der Chefdirigent der Berliner Philharmoniker. Er stand wie alle Kulturschaffenden und wie alle Menschen vor der Frage: Wie gehen wir denn damit um, dass täglich Bomben auf Krankenhäuser, auf Theater, auf Kindergärten, auf Schulen und dergleichen mehr fallen und Kinder sterben? Wie verhalte ich mich dazu? Ist es unzumutbar, dass sich auch ein Künstler, also gerade ein Mensch der Kultur, mit der Thematik befasst und zu dem Schluss kommt, dass man so etwas nicht gutheißen kann und dass man dazu eine Meinung haben muss? Wenn es um einen Verantwortlichen wie Putin geht, dann muss man sich davon distanzieren, weil man sich ansonsten durch Duldung zu eigen macht, was dort Schlimmes passiert.
(Zustimmung von Anne-Marie Keding, CDU)
Warum ist das unmöglich, obwohl dort fast täglich Kinder sterben?
(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):
Sie haben sich gleich zweimal ins Knie geschossen.
(Zuruf von der CDU: Er hat ja auch zwei!)
Erstens zur Kunstfreiheit. Sie haben von der Kunstfreiheit gar nichts verstanden.
(Zurufe von den GRÜNEN)
Die Kunstfreiheit ist in erster Linie ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Also die Kunstfreiheit ist zunächst ein Recht, vom Staat in Ruhe gelassen zu werden, und nicht ein Recht, jeden Blödsinn gefördert zu bekommen.
(Zustimmung bei der AfD - Zurufe von der AfD: Genau!)
Wir sind auch sehr tolerant. Ich bin hier nie - darauf lege ich Wert - dafür eingetreten, bestimmte Kunstveranstaltungen abzusagen, zu sabotieren oder Druck auszuüben, dass etwas nicht stattfinden kann. Niemals!
(Zurufe von der AfD: Jawohl!)
Das ist unter meinem Niveau. Ich habe nur gesagt das kann ein Kulturpolitiker , was wir fördern wollen und was wir nicht fördern wollen.
(Zuruf von Holger Hövelmann, SPD)
Das, was Sie hingegen machen, ist Folgendes: Lange vor der Frage, ob überhaupt etwas gefördert werden soll, sagen Sie, wir entziehen dir die Existenzgrundlage, du darfst das nicht machen, dir wird gekündigt, dieses Konzert wird verhindert. Hier wird Druck gemacht, dass etwas abgesagt wird.
(Unruhe)
Das sind Eingriffe in die Kunstfreiheit. Das sind nicht gerechtfertigte Eingriffe. Das sind Verletzungen der Kunstfreiheit. Sie sind der wahre Feind der Kunstfreiheit in diesem Saal.
(Beifall bei der AfD - Ulrich Siegmund, AfD: Bravo! Jawohl!)
Zweitens zu dem von Ihnen genannten Dirigenten, der eine andere Meinung hat. Die kann er auch haben; das ist kein Problem.
(Zuruf von Detlef Gürth, CDU)
Aber man muss diese Meinung nicht haben. Sie haben Ihre Meinung und Ihre Sicht auf die Dinge dargestellt und dann gesagt, man müsse sich doch dann so äußern. - Nein, man muss es nicht.
(Zuruf von Juliane Kleemann, SPD)
Wer aber totalitärer Gesinnung ist, wer kein Demokrat ist und wer nicht zulassen kann, dass der andere eine andere Meinung hat, der sagt, man müsse so denken. Daran kam zum Ausdruck, woran wir leiden, an diesem „Man muss so …“, „Man muss sich von Putin distanzieren“. - Nein, das muss man nicht.
(Juliane Kleemann, SPD: Vom Krieg!)
Denn noch haben wir in diesem Land Kunstfreiheit und Gedankenfreiheit und die Freiheit der politischen Betätigung. - Vielen Dank.
(Beifall bei der AfD - Christian Hecht, AfD: Wahnsinn! - Unruhe)