Tobias Krull (CDU):
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr geehrten Mitglieder des Hohen Hauses! Bei den Beratungen über den Landeshaushalt 2022 hat der finanzpolitische Sprecher der AfD Fraktion Dr. Moldenhauer die besondere Unterstützung für Familien und Kinder angekündigt. Wenn dieser Antrag der erste Aufschlag dazu sein soll, dann ist er gründlich misslungen. Ich werde auch gleich erklären, warum.
(Zustimmung bei der CDU)
Fangen wir mit dem Zeitpunkt des Antrags an. Wenn Ihnen dieses Anliegen so wichtig gewesen wäre, warum haben Sie nicht die Gelegenheit genutzt, diesen Antrag im Rahmen der Haushaltsberatungen einzubringen, nämlich entweder im zuständigen Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung oder im Finanzausschuss. Beides haben Sie unterlassen.
(Oliver Kirchner, AfD: Eigentlich nur, um Sie zu ärgern, Herr Krull!)
Zu den Zugangsvoraussetzungen. Die Eltern können den Antrag stellen. Was machen Sie mit jenen, die alleinerziehend sind und diesen Antrag stellen möchten? Für diese Personengruppe wollten Sie besonders engagiert kämpfen. Jetzt wurde sie einfach vergessen.
(Ulrich Siegmund, AfD: Gar nicht!)
Was passiert eigentlich mit denjenigen, die als Pflegeeltern ein Neugeborenes aufnehmen? Diese wären gemäß Ihrem Gesetzentwurf nicht antragsberechtigt. Er scheint also nicht vollständig durchdacht zu sein.
Aber was mich ganz besonders geärgert hat, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Tatsache, dass es ganz offensichtlich Kinder erster und zweiter Klasse für Sie gibt.
(Oliver Kirchner, AfD: Nur in der Schule!)
Wenn ein Kind nichtdeutsche Eltern hat, dann soll es keine Unterstützung bekommen. Wenn das keine Form von Rassismus ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann weiß ich es auch nicht.
(Beifall bei der CDU, bei der LINKEN, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)
Wir als CDU, und ich glaube, das kann ich für alle anderen Fraktionen außer der AfD auch sagen, sind gegen jede Form von Rassismus und Menschenfeindlichkeit und grenzen uns ganz klar ab.
(Zuruf: Das ist richtig!)
Was machen wir, wenn nach der Geburt eines der Elternteile oder beide eingebürgert werden? Erfolgt dann eine Nachzahlung oder bekommen erst die später geborenen Kinder das Begrüßungsgeld?
(Zuruf von der AfD)
Viele Fragen - wenig Antworten.
(Unruhe bei der AfD)
Jetzt zu dem Zeitraum von drei Jahren. Wenn jemand seinen Hauptwohnsitz ummeldet und weitere Voraussetzungen erfüllt, z. B. über 18 Jahre alt ist, kann er sein Wahlrecht nutzen, und zwar bei Kommunalwahlen, bei Landtagswahlen. Er darf über die Zusammensetzung dieses Hohes Hauses entscheiden, aber die Kinder bekommen kein Begrüßungsgeld.
Außerdem sollte Ihnen spätestens nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu den Kindergeldregelungen in Österreich klar sein, dass solche Regelungen diskriminierend und damit rechtswidrig sind.
(Zustimmung bei der CDU)
Ich denke, dass meine Ausführungen deutlich gemacht haben, dass dieser Gesetzentwurf nur eines verdient, und zwar dass er nicht überwiesen und abgelehnt wird.
(Beifall bei der CDU - Ulrich Siegmund, AfD: Was?)
Meine Damen und Herren, die niedrigen Geburtenraten in Sachsen-Anhalt sind etwas, mit dem wir uns alle politisch auseinandersetzen müssen. Die Ursachen für diese Zahlen sind sehr differenziert zu betrachten; so allein das demografische Echo. Frauen, die nicht in Sachsen-Anhalt leben können, werden hier auch keine Kinder bekommen. Das hohe Alter wurde angesprochen. Ein Grund war leider die Abwanderung in den 90er-Jahren.
Aber was hilft wirklich, um junge Familien nach Sachsen-Anhalt zu bekommen und dafür zu sorgen, dass die jungen Menschen hier Kinder bekommen? - Das sind ihre Arbeitsplätze. Das sind die richtigen Rahmenbedingungen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch eine gute Kinderbetreuung,
(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)
gute Bildungs- und Wissenschaftsangebote, bezahlbarer Wohnraum und bezahlbare Grundstückspreise, die es ermöglichen, den Traum vom Eigenheim zu erfüllen.
(Hannes Loth, AfD: All das wissen wir! Aber Sie sind doch an der Macht! - Weitere Zurufe von der AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Krull, kommen Sie bitte zum Ende.
Tobias Krull (CDU):
Soziale, kulturelle und sportliche Angebote kommen dazu, um nur wenige Themen anzureißen. Wir als Koalition handeln entsprechend und solche Schaufensteranträge, wie sie eingebracht worden sind, sind an dieser Stelle nicht hilfreich.
(Beifall bei der CDU - Ulrich Siegmund, AfD: Wo handeln Sie denn?)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Es gibt eine Frage. Herr Krull, wollen Sie sie zulassen?
Tobias Krull (CDU):
Ja.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Siegmund.
Ulrich Siegmund (AfD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Krull. Sie haben eben ausgeführt, dass eine gute Kinderbetreuung für Familien wichtig ist, um eine Familie gründen zu können. Warum hat es die CDU in mehr als 30 Jahren nicht geschafft, für alle Kinder in diesem Land eine kostenfreie Kitabetreuung anzubieten?
(Beifall bei der AfD)
Tobias Krull (CDU):
Wir haben in Sachsen-Anhalt mit dem Kinderförderungsgesetz den umfangreichsten Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung in ganz Deutschland.
(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)
Diejenigen, die über wenig Einkommen verfügen bzw. SGB II-Leistungen beziehen, bezahlen keine Gebühren. Denjenigen, die die Kinderbetreuung in Anspruch nehmen und leistungsfähig sind, können wir auch etwas abverlangen,
(Ulrich Siegmund, AfD: Nein!)
weil wir ganz einfach denken, dass diejenigen, die leistungsfähig sind, staatliche Leistungen mitfinanzieren müssen.
(Lothar Waehler, AfD: Das sind die Dummen! - Weitere Zurufe von der AfD)
Es ist doch nicht so, dass die Plätze kostendeckend finanziert werden.
Aber Beiträge in Höhe von 252 € sind leistbar. Wir als CDU-Fraktion haben den Anspruch, unsere Sozialleistungen nicht mit der Gießkanne zu verteilen, sondern zielgerichtet denjenigen zu helfen, die es brauchen.
(Daniel Rausch, AfD: Leistbar bei Mindestlohn! - Weitere Zurufe von der AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Hohmann hat sich für eine Intervention gemeldet.
Monika Hohmann (DIE LINKE):
Ich habe eine Frage.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Es ist eine Frage. - Herr Krull, wollen Sie sie zulassen?
Tobias Krull (CDU):
Ja.
Monika Hohmann (DIE LINKE):
Herr Krull, von der AfD war vorhin zu hören, dass die 1 000 € Begrüßungsgeld für die Erstausstattung genutzt werden könnten. Gehen Sie mit mir d‘accord, dass wir mit der Stiftung „Familie in Not“ eine Institution haben, die jungen Eltern bei der Erstausstattung behilflich ist.
Tobias Krull (CDU):
Frau Kollegin, das ist richtig. Es gibt solche Unterstützung. Es gibt aber auch noch viele andere Netzwerke.
(Daniel Rausch, AfD: Der Staat soll sich nicht immer auf den Netzwerken ausruhen!)
Ich kann als zweifacher Familienvater nur sagen: Man muss nicht immer alles neu kaufen, sondern man kann sich im Freundes- und Familienkreis entsprechende Leihgaben organisieren.
(Lachen bei der AfD)
Das haben wir selbst so gemacht und werden das weiterhin so praktizieren. Das ist ebenfalls eine Form von Nachhaltigkeit.
(Ulrich Siegmund, AfD: Alter Schwede!)