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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 2

Aktuelle Debatte

Situation der Landwirtschaft in Europa, Deutschland und Sachsen-Anhalt

Antrag Fraktion CDU - Drs. 8/2690


Die Redezeit beträgt zehn Minuten. Die Fraktionen sprechen in der folgenden Reihenfolge: CDU, AfD, SPD, LINKE, FDP und GRÜNE. Zunächst spricht für die antragstellende Fraktion Herr Olaf Feuerborn. - Bitte.


Olaf Feuerborn (CDU):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident, ich möchte am Anfang darauf aufmerksam machen, dass ich am Ende der Debatte das Recht eingeräumt haben möchte, dazu noch einmal zu sprechen.

(Unruhe)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Das dürfen Sie. - Ich möchte darum bitten, dass wir uns konzentrieren - heute ist Kindertag und der Tag der Landwirte - und dass die Gespräche hier vorn in der ersten Reihe ein bisschen leiser geführt werden. - Damit haben Sie das Wort, bitte.


Olaf Feuerborn (CDU):

Danke, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Werte Gäste auf der Tribüne! Der Weltbauerntag ist im Jahr 2000 auf der Expo in Hannover eingeführt worden und er wurde im Jahr 2002 durch die UNESCO anerkannt. Es ist wichtig, dabei herauszustellen, dass es für die Land- und Ernährungswirtschaft unwahrscheinlich wichtig ist, die bäuerliche Tätigkeit entsprechend zu würdigen und an der Stelle der Landwirtschaft für die Leistungen zu danken,

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

die sie Tag ein und Tag aus für die Ernährung unserer Bevölkerung - nicht nur im Land, sondern in der Welt - auf den Weg bringt.

Der Weltbauerntag heute, am 1. Juni 2023, in Südafrika steht auch unter dem großen Motto, dass wir uns im zweiten Jahr der Ukrainekrise befinden und die Auswirkungen noch immer zu spüren haben.

Wie sieht es aus? - Im vorigen Jahr hatten wir einen Preisanstieg für Verbrauchsmaterialien, Treibstoffe und Energie zu verzeichnen. Aber auch Düngemittel wurden extrem teuer. Was sich dann ankündigte, war, dass die Lebensmittelpreise entsprechend steigen. Auch die Preise für Getreide und für tierische Produkte stiegen in ungeahnte Höhen, sodass wir gedacht haben: Wir haben jetzt tatsächlich die Chance, mit den Preisen, die wir für unsere Produkte erhalten, die höheren Produktionskosten abzudecken. Man muss dabei aber immer berücksichtigen, dass Landwirte im Jahr zuvor schon Kontrakte zu niedrigen Preisen abgeschlossen haben. Sie haben zu höheren Preisen Dünger eingekauft und das müssen sie dann mit der nächsten Ernte ausgleichen.

Jetzt sind wir in einer Situation, in der wir merken: Die Preise für Agrarprodukte sind gefallen. Das ist auf die Veränderung der Märkte insgesamt zurückzuführen. Wir stellen aber fest, dass die Volatilität der Preise, der Marktpreise für landwirtschaftliche Produkte oder aber auch für Produktionsgüter, gerade die Landwirtschaft vor großen Herausforderungen stellt; denn wir können nicht sagen, dass die Schraube immer die gleichen Produktionskosten hat. Wir produzieren unter freiem Himmel und wir produzieren immer bei dem jeweiligen Wetter und der jeweiligen Witterung, die wir haben. Gerade in Sachsen-Anhalt - wenn wir uns das Wetter in den letzten vier Wochen ansehen - steuern wir schon wieder auf eine trockene Getreideernte zu, meine Damen und Herren.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und von Olaf Meister, GRÜNE)

Auch wenn Europa mit einer um ca. 7 % höheren Getreideernte rechnet, dann ist das lange noch nicht ausschlaggebend dafür, was wir in Sachsen-Anhalt ernten. Gerade die Mitte, der Osten und der Norden Sachsen-Anhalts sind wieder extrem von Trockenheit geprägt. An dieser Stelle müssen wir abwarten, wie sich die Witterung in den nächsten Wochen entwickelt, aber es sind schon wieder schlechte Vorzeichen gegeben. Nach dem März und dem April sind die Niederschläge leider schon wieder stark gesunken. Die Vorräte, die wir dadurch ansammeln konnten, sind weg.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Politik steht vor großen Herausforderungen. Wir haben in Europa - trotz aller Dinge, die wir in dem letzten Jahr erlebt haben - an der Neugestaltung der GAP festgehalten. Wir wissen, es war ein hartes Ringen, und es war schwierig, die GAP überhaupt auf den Weg zu bringen. Die jetzige Bunderegierung hat es versäumt, die Pläne rechtzeitig einzureichen, sodass wir Planungssicherheit gehabt hätten - auch für die jetzt neu begonnene GAP-Saison mit fünf Jahren.

Wir haben am 15. Mai 2023 einen Abgabetermin für einen Agrarantrag gehabt, der bei Weitem nicht fertig war, der bei Weitem nicht fertig programmiert war, bei dem die Landwirte nicht wussten, wie sie diesen Antrag fristgerecht auf die Beine stellen können. Abgesehen davon, dass der Programmierer oder die Programmierer diese politischen Forderungen entsprechend auf den Weg bringen und in ein Programm fassen sollten, mussten die Landwirte einen entsprechenden Antrag stellen.

Es kommt hinzu: Das muss auch verwaltet und nachher kontrolliert werden. Auch an dieser Stelle sind die Anforderungen so hoch gewesen, dass man selbst in unseren Ämtern für Landwirtschaft und in unserem Ministerium Schwierigkeiten hatte, die Fragen richtig zu beantworten, um die Anträge entsprechend auf den Weg zu bringen.

Wir erleben zurzeit, dass wir in Europa nach wie vor Diskussionen über die Frage führen, ob wir uns über die Pflanzenschutzreduktionsstrategie weiter unterhalten. Darin ist vorgesehen, bis zum Jahr 2030  50 % der Pflanzenschutzmittel zu reduzieren. Ich frage mich nur, wovon wir diese 50 % der Pflanzenschutzmittel reduzieren. Wir wissen, dass wir mit Pflanzenschutzmitteln unsere Kulturarten schützen. Von uns werden Lebensmittel produziert. Dies ist ein Eingriff in die Biodiversität, den wir tagtäglich vornehmen - übrigens nicht nur wir Landwirte.

Jeder von uns greift jeden Tag in die Biodiversität ein, sobald er seinen Fuß aus dem Bett setzt. Darüber muss man sich Klaren sein. Landwirte tun dies, weil sie Nahrungsmittel produzieren; Nahrungsmittel für uns alle.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Wir schützen unsere Pflanzen mit modernen Pflanzenschutzmitteln, weil wir sie vor Insekten und Pilzen schützen müssen, die in Bezug auf die Nahrungsmittel in Konkurrenz zu uns stehen. Sie wollen die Menge unserer Nahrungsmittel reduzieren oder unsere Nahrungsmittel verschlechtern. Deswegen setzen wir Pflanzenschutzmittel ein.

Es ist mir nicht verständlich, warum man immer wieder nur darauf zurückgreift. Die heutigen Pflanzenschutzmittel unterliegen einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Keines der Medikamente, die wir täglich einnehmen, ob verschrieben oder nicht, unterliegt einer Umweltverträglichkeitsprüfung, meine Damen und Herren. Wir verändern unsere Gewässer von Tag zu Tag, aber die Landwirtschaft ist schuld. Das kann so nicht weitergehen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich möchte zudem darauf aufmerksam machen, dass in der Tierproduktion große Defizite bestehen. Die letzte Bundesregierung hat aufgrund der Bauerproteste im Jahr 2019 eine Borchert-Kommission eingesetzt. Es ist gefordert worden, Landwirtschaft wieder greifbar zu machen und einen Dialog mit der Politik und der Gesellschaft zu führen. Die Borchert-Kommission ist ins Leben gerufen worden, um für die Tierhaltung der Zukunft eine Möglichkeit zu finden.

Was ist dabei herausgekommen? - Es sind tolle Pläne dabei herausgekommen. Die jetzige Bundesregierung hat sich zwar dazu bekannt, aber sie handelt nicht danach. Es passiert einfach nichts. Wir wissen noch immer nicht, wie der Stall der Zukunft aussehen soll. Im Baugesetzbuch gibt es nach wie vor Schwierigkeiten, bspw. in Bezug auf die BImSch-Verordnung oder die TA Luft. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, um überhaupt Ställe auf den Weg zu bringen. Wir wissen nur, dass unsere Landwirte, die bereits jetzt investieren, in das Tierwohl investieren, ohne genau zu wissen, ob sie mit der Investitionsentscheidung, die sie heute getroffen haben, in fünf Jahren noch richtig liegen. Abgesehen davon muss ein Landwirt wissen, ob er 25 Jahre lang so produzieren darf.

Wenn der Landwirt heute einen Stall baut, dann nimmt einen Kredit auf und diesen bezahlt er 20 oder 25 Jahre lang ab, und zwar mit den Erlösen, die er aus diesem Stall generieren kann.

Meine Damen und Herren! Daher ist es unwahrscheinlich wichtig, dass wir Planungssicherheit bekommen sowie eine Definition und ein klares Bekenntnis zur Tierproduktion in Deutschland.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Denn jedem Tier, das in Deutschland in Stallungen gehalten wird, geht es wesentlich besser als außerhalb unserer Landesgrenzen. Alles, was wir an Tierproduktion verlieren, verlieren wir an Wertschätzung im ländlichen Raum.

Meine Damen und Herren! Es ist unwahrscheinlich wichtig, dafür zu sorgen, dass wir uns mit ausreichend guten Nahrungsmitteln versorgen. Dazu gehören auch tierische Nahrungsmittel.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Nicht zu vergessen ist unsere Weidetierhaltung. Wir reden von Biodiversität, von Artenvielfalt, von Artenschutz, aber wir tun nichts dafür, unsere Weidetierhaltung, die für die Erhaltung der Biodiversität und des Artenschutzes extrem wichtig ist, nachträglich zu unterstützen und für sie da zu sein, damit die Weidetiere explizit unsere Kulturlandschaft pflegen, sei es in Bezug auf den Deichschutz, aber auch in Bezug auf das viele Grünland und auf den Artenschutz. Wenn wir darüber reden, brauchen wir die Tierproduktion. Wir brauchen die tierischen Exkremente, damit sich dort Insekten ansiedeln können und damit sich die Biodiversität fortsetzen kann.

Daher ist dies eine Riesenaufgabe, der wir uns alle stellen müssen, meine Damen und Herren. - Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. Es gibt eine Kurzintervention.


Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

Vielen Dank. - Es ist wichtig, gerade aus Anlass des Weltbauerntages diese wichtigen Themen anzureißen, auch für Sachsen-Anhalt. - Danke dafür.

Ich wollte einen spezifischen Punkt ansprechen. Sie erwähnten unter anderem die Ernährung der Bevölkerung in der Welt. Ich wollte darauf hinweisen, dass „Brot für die Welt“ anmahnt, dass der Export aus Europa in arme Länder eher reduziert werden muss, da die lokale Landwirtschaft durch Dumping dann nicht mehr wettbewerbsfähig ist und Effekte eintreten, die sich langfristig negativ auf die Ernährungssicherheit in den betreffenden Ländern auswirken.

Ich glaube, wir wissen das und haben es im Hinterkopf. Ich wollte nur in Bezug auf das Stichwort Ernährung der Bevölkerung in der Welt darauf hinweisen.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke.


Olaf Feuerborn (CDU):

Ich will dazu nur kurz ausführen. Wir alle sind uns darüber im Klaren. Es gibt dazu verschiedene Interpretationen. Die Ukraine ist einer der größten Getreideexporteure gewesen. Was ist denn im letzten Jahr passiert? - Die Ukraine konnte ihr Getreide nicht mehr über das Schwarze Meer in die Mittelmeeranrainerstaaten Nordafrikas exportieren. Allein der Libanon ist zu 80 % auf Weizenlieferungen aus der Ukraine angewiesen gewesen und stand im letzten Jahr mit nichts da.

Dies ist eine Aufgabe, bei der wir kurzfristig reagieren müssen und für die wir als Europa eine Verantwortung haben.

Ich mache auf Folgendes aufmerksam: Im Jahr 2015, als die Flüchtlinge zu uns gekommen sind, hat man die Nahrungsmittel als Waffe eingesetzt. Es ist gesagt worden, wenn ihr uns in der Türkei nicht helft, die Flüchtlinge zu ernähren und zu versorgen, dann schicken wir sie nach Europa.

Genau das beabsichtigt man auch mit einem Krieg, der jetzt in der Ukraine geführt wird. Wenn man das Getreide aus der Ukraine nicht über das Schwarze Meer exportieren kann, dann kommen wir erneut genau in diese Situation. Wir erleben zurzeit, dass es wieder zu Flüchtlingsströmen kommt. Dies wird auch in der Diskussion mit den Kommunen deutlich.

(Zustimmung von Sandra Hietel-Heuer, CDU - Dr. Heide Richter-Airijoki, SPD: Ich spreche von mittel- und langfristig!)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Feuerborn. - Herr Minister, bitte.