Dorothea Frederking (GRÜNE):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Die am 25. Oktober von den Ministerpräsidentinnen beschlossenen Reformen sind ein größerer Wurf, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukunftsfester aufzustellen. Natürlich ist das noch nicht das Ende. Es müssen noch weitere Schritte folgen.
Herr Robra ist darauf eingegangen. Es können auch noch Impulse aus unserer Enquete-Kommission kommen. Nach der Reform ist vor der nächsten Reform. Herr Kosmehl ist darauf eingegangen. Der vorliegende Staatsvertrag ist auch in einigen Formulierungen recht unklar. Ich möchte das aufgreifen und ergänzen. Beispielsweise ist bei der Deckelung der Spitzengehälter vom öffentlichen Bereich die Rede. Wenn man den öffentlichen Bereich zugrunde legt, dann können locker einmal wieder Spitzengehälter in Höhe von 400 000 € pro Jahr gewährt werden. Das ist uns eigentlich viel zu viel.
Der Entwurf des Reformstaatsvertrags macht den Anfang, um Auftrag und Struktur grundlegend neu zu fassen. Als Bündnisgrüne sehen wir die Aufgabe und das Ziel des Reformstaatsvertrags darin, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verteidigen, ihm zu neuer Stärke zu verhelfen; denn er ist mit seinen verlässlichen Informationen, seinen seriösen Berichterstattungen und auch mit seinen Einordnungen wirklich eine tragende Säule der Demokratie.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Allerdings lässt der Vertragsentwurf offen, wie ein neues Verfahren zur Ermittlung der Beitragshöhe aussehen soll. Dazu bittet die CDU um diese Debatte, an der wir uns differenziert beteiligen, in der wir aber zugleich auch Folgendes festhalten möchten:
Erstens. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss bedarfsgerecht finanziert werden, damit er seine Aufgaben erfüllen kann. Ein Kaputtsparen lehnen wir ab; denn das würde der Demokratie schaden.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Zweitens. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk braucht Planbarkeit.
Drittens. Wir brauchen ein resilienteres Verfahren ohne Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht.
Viertens. Wir wollen, dass die Landesparlamente eine gewisse Mitsprache bekommen, um in definierten Fällen weiterhin Einfluss auf die Höhe des Rundfunkbeitrages nehmen zu können.
An diesen vier Leitplanken bemisst sich für uns unsere Zustimmung zu einem neuen Finanzierungsverfahren.
Ich warne ausdrücklich vor einem Beitragspopulismus.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Wer den Leuten einredet, den Rundfunkbeitrag abzulehnen, der handelt verantwortungslos. Denn eine solche Debatte schadet der Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und geht an den Sorgen der Menschen vorbei, die mit dem Rundfunkbeitrag gar kein Problem haben, das ihnen unter den Nägeln brennt.
So halten wir es hingegen für gut und richtig, dass das nun vorgeschlagene Indexmodell zur Versachlichung und Endpolitisierung der Finanzierung beiträgt. Wir halten das Indexmodell für fair, weil die Beitragserhöhung als Indexierung entlang der allgemeinen Teuerung, also entlang der Inflation, erfolgt. Damit berücksichtigt man auch bei den Sendern Preissteigerungen. Weiterhin führt ein Rationalisierungsabschlag, der mit diesem Indexmodell einhergeht, dazu, einen moderaten Preisdruck aufrechtzuerhalten, ohne dass die Sendeanstalten in die Knie gezwungen werden.
Die KEF, die sich seit Jahren in Fachlichkeit und Staatsferne bewährt hat, soll das Verfahren führen. Bis zu einer gewissen Beitragshöhe soll diese dann automatisch in Kraft treten. Bei darüber hinausgehenden Beiträgen müssen die Ministerpräsidentinnen entscheiden, ob die Erhöhung des Rundfunkbeitrages in die Landtage geht. Unter bestimmten Voraussetzungen werden die Landtage also weiterhin eingebunden. Es besteht also weiterhin eine gewisse Mitsprache.
Im Gespräch ist, dass das Indexmodell nach Nullrunden in den zwei Jahren 2025 und 2026, in denen die Rücklage in Höhe von 1,1 Milliarden € aufgebraucht werden soll, dann ab dem Jahr 2027 gelten soll. Da wir davon ausgehen, dass innerhalb von zwei Jahren die Reformen noch nicht so wirksam werden können, um zu größeren Einsparungen zu führen, haben wir Verständnis dafür, dass die Sendeanstalten die von der KEF empfohlene Erhöhung um 58 ct und damit ihr Recht auf eine staatsferne, auftragsgemäße Finanzierung vor dem Bundesverfassungsgericht erstreiten wollen.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Alles in allem halten wir das Indexmodell für einen guten Ansatz.
Die CDU hingegen kritisiert den beschriebenen Automatismus, weil dabei kein öffentlicher Rechtfertigungsdruck bestehe. Doch dieser Automatismus ist mit dem Bezug zum Verbraucherpreisindex sachlich sogar sehr gut begründbar. Es ist schon verwunderlich, dass gerade diejenigen, die einen Automatismus kritisieren, genau einen solchen Automatismus für ihre eigenen Belange eingeführt haben. Erinnert sei an die Abgeordnetenentschädigungen,
(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zuruf von Xenia Sabrina Schüßler, CDU)
die inzwischen automatisch analog zur Lohnentwicklung gemäß dem Nominallohnindex steigen. Das nenne ich Doppelmoral der CDU.
(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zuruf von Xenia Sabrina Schüßler, CDU)
Wenn die CDU für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht die Argumente gelten lässt, die sie für sich selbst in Anspruch nimmt, dann befürchten wir, dass es die CDU doch nicht so gut mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk meint.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Wir sind jedenfalls sehr misstrauisch.
Nun erläuterte Minister Robra am letzten Freitag im Medienausschuss, dass das Indexmodell sowieso vom Tisch sei, da es auf der politischen Ebene unter den Bundesländern nicht einigungsfähig sei.
Neu in der Diskussion ist nun ein Vetoverfahren. Das Prozedere besteht aus dem bisherigen T-Verfahren und einer Frist, innerhalb derer die Landtage Einspruch einlegen können. Dieser Einspruch muss im Landtag beschlossen werden. Blockierende Alleingänge, wie Ende 2020 von der CDU in Sachsen-Anhalt praktiziert, würde es dann nicht mehr geben. Wenn es keinen Einspruch gibt, dann wird der neue Rundfunkbeitrag untergesetzlich in Kraft treten. Bei den Einsprüchen wäre uns Bündnisgrünen wichtig, dass es abhängig von der Steigerung des Rundfunkbeitrages Quoren bei der Anzahl der Landtage geben sollte, die eine Beitragserhöhung verhindern. Ist die Steigerung niedrig, sollten mehr Landtage widersprechen müssen. Ist die Steigerung hoch, reicht der Widerspruch von wenigen Landtagen.
Auch das Vetoverfahren erfüllt alle unsere Kriterien hinsichtlich auskömmlicher Finanzierung, Planbarkeit, Resilienz mit weniger Verfassungsklagen und hinsichtlich einer gewisse Mitsprache der Landtage. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, dass es mit diesem Verfahren ab 2027 zu einer Beitragserhöhung kommen wird, sobald in 2025 und in 2026 die Beitragsrücklage komplett aufgebraucht wird. Nach den Empfehlungen der KEF reicht die Rücklage bilanziell für den Mehrbedarf von zwei Jahren. Uns allen muss klar sein, dass es nach dem Aufbrauchen der Rücklage keine weitere Nullrunde geben kann. Ansonsten käme es zu einer unzulässigen Unterfinanzierung. Vielleicht fürchten die Sender genau das und haben deshalb vorsorglich Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.
Wie ich schon ausgeführt habe, kann man in den nächsten zwei Jahren durch die Reformen keine Sprünge bei den Einsparungen erwarten, zumal die Preisschilder der Einsparmaßnahmen gar nicht bekannt sind und zumal die Sender schon heute auch ohne Reformstaatsvertrag erheblich sparen müssen. Herr Minister Robra fordert von den Anstalten, dass diese selbst aktiv einsparen. Ich sage: Das tun sie schon. Erinnert sei daran, dass die KEF bei den letzten Anmeldungen 1 € der Beitragserhöhung nicht anerkannt hatte. Sie haben gesagt, 58 ct sind okay, aber 1,58 € nicht, d. h. 1 € wurde schon einmal weggekürzt.
Durch den Landesbezug, den wir zum MDR haben, erleben wir beim MDR die daraus resultierenden enormen Sparanstrengungen unmittelbar mit. Der MDR spart 40 Millionen € pro Jahr. Ohne eine Beitragserhöhung müsste er sogar 60 Millionen € sparen.
(Guido Kosmehl, FDP: Nicht pro Jahr!)
- Pro Jahr. - Irgendwann fehlt die Luft zum Atmen, wenn die Sparvorgaben zu hoch werden.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Doch wir meinen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss gestärkt werden. Den Beitragspopulisten sei gesagt: Eine Reform sollte mit einer moderaten Beitragserhöhung flankiert werden. Spätestens ab 2027 erwarten wir ein neues Finanzierungsverfahren. Wir sind offen, ob es das Indexverfahren oder das Vetoverfahren wird. Hauptsache ist, dass ein resilienteres Verfahren kommt und dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch weiterhin auskömmlich finanziert wird. - Vielen Dank.
(Beifall bei den GRÜNEN)