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Plenarsitzung

Transkript

Wir kommen damit zum letzten Tagesordnungspunkt. Ich rufe auf den


Tagesordnungspunkt 21

Beratung

Mobilität in Stadt und Land durch autonomes Fahren auch in Zukunft gewährleisten

Antrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/1158


Einbringen wird den Antrag Frau Tarricone.


Kathrin Tarricone (FDP):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrtes Hohes Haus! Ich freue mich    

(Unruhe)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Einen Augenblick noch. Sie sollten zwar schon reden, aber ich möchte zuvor noch etwas sagen: Wir behandeln jetzt noch diesen einen Tagesordnungspunkt. Dann findet eine zweitägige Sitzungsperiode des Landtages ihren Abschluss. Auch der letzte Tagesordnungspunkt und insbesondere die Einbringerin verdienen noch Aufmerksamkeit. - Frau Tarricone. Bitte.


Kathrin Tarricone (FDP):

Ganz herzlichen Dank dafür. - Ich beginne noch einmal   weil es mir wirklich wichtig ist, damit anzufangen  : Ich freue mich, dass ich mit dem letzten Tagesordnungspunkt unseren gemeinsamen Blick auf die Zukunft richten darf.

(Zustimmung bei der FDP - Zustimmung von Sandra Hietel, CDU)

Nach all den Debatten, die wir heute geführt haben, finde ich es besonders angenehm, dass wir das Plenum mit einem hoffnungsvollen Blick in die Zukunft abschließen können. 

Für ein Land mit einer alternden Bevölkerung kann es keine Option sein, beim Einsatz moderner Technologien nicht ganz vorn dabei zu sein. Angesichts des demografischen Wandels gilt das für ganz Deutschland, aber im Besonderen auch für Sachsen-Anhalt. 

Unter den Zukunftstechnologien dürfte das automatisierte und autonome Fahren eine besondere Chance darstellen, zentralen Herausforderungen für unser Land erfolgreich zu begegnen. 

Zu den Herausforderungen gehört das gewichtige Thema Fachkräftemangel. Laut Kraftfahrtbundesamt gab es im Jahr 2016 in Deutschland 1,1 Millionen Personen mit der Befähigung zum Berufskraftfahrer. Das klingt zunächst sehr viel. Allerdings rechnet die Logistikbranche damit, dass etwa ein Drittel der Berufskraftfahrer im Straßen- und Güterverkehr das 55. Lebensjahr bereits überschritten hat. 30 000 Berufskraftfahrer gehen demnach jedes Jahr in Rente. Neu in den Beruf steigen aber nur 17 000 ein.

Richtig beunruhigend sieht es bei den Busfahrern aus. 44 % von ihnen sind über 55 Jahre alt, ein Viertel bereits über 60 Jahre alt. Sonderlich viele sind es jetzt schon nicht. Zu Beginn des Jahres verfügten 5 207 Sachsen-Anhalterinnen und Sachsen-Anhalter über eine Fahrerlaubnis für Busse. Das sind 2,7 % weniger als im Jahr davor. In einer Umfrage des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmen e. V. aus dem Herbst vergangenen Jahres, gaben, wenig überraschend, 67 % der Unternehmen an, derzeit nicht genügend Fahrerinnen und Fahrer beschäftigen zu können.

Wenn wir aber wollen, dass der ÖPNV auch im ländlichen Raum Menschen verleitet, das eigene Auto des Öfteren stehen zu lassen, brauchen wir entweder mehr Busse und damit mehr Fahrer oder mehr Busse ohne Fahrer, aber dafür mit modernster Technologie. 

Machen wir uns nichts vor. Den Wunsch, Busfahrer zu werden, haben vielleicht noch ein paar Jungs im Kindergartenalter. Danach sinkt die Attraktivität des Berufes rapide. Zum Tätigkeitsprofil von Berufskraftfahrern gehört es nun einmal, zu Zeiten unterwegs zu sein, die sie nicht bestimmen können, sondern die sich an den Bedürfnissen von Kunden und Fahrgästen orientieren. Dass ein Busführerschein hierzulande 10 000 € kostet, trägt ganz sicher nicht dazu bei, dass sich junge Leute in dem Beruf einfach einmal ausprobieren wollen. - Also investieren wir in Technologie. 

Werte Kollegen! Selbstbestimmte Mobilität ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Im ländlichen Raum ist aktuell der Garant dafür der motorisierte Individualverkehr   vom ersten Moped bis zur Familienkutsche. Der herkömmliche ÖPNV wird auch nicht jede Ortschaft so anbinden können, dass er den Individualverkehr ersetzen kann. Ein autonomes Fahrzeug, in dem kein Busfahrer auf Fahrgäste warten muss, kann allerdings die letzten Meilen zum nächsten Bahnhof oder zur nächsten öfter fahrenden Buslinie überwinden. 

Im Februar 2022 hat das Bundeskabinett der vom Bundesminister für Digitales und Verkehr vorgelegten Verordnung zur Regelung des Betriebs von Kraftfahrzeugen mit automatisierter und autonomer Fahrfunktion zugestimmt. Morgen wird sich der Bundesrat damit befassen.

Damit entsteht weltweit erstmals ein Rechtsrahmen für die Genehmigung und den Betrieb von Fahrzeugen auf dem sogenannten Level 4; das ist bis zum autonomen Fahren die vorletzte von fünf Stufen. Bei Level 4 ist in kontrollierten Bereichen ein vollautomatisierter Betrieb möglich. Automatische Lkw fahren derzeit in Hafenanlagen. Bald wird es Parkhäuser geben, an denen wir nur noch vorfahren müssen, unser Auto aber selbstständig einparkt. - Das begeistert mich schon jetzt.

Später wird der Betrieb auf der Autobahn möglich sein; inklusive Auf- und Abfahrt. Bei Level 4 ist kein Passagier verantwortlich, jederzeit in der Lage sein zu müssen, durch manuelles Eingreifen, einen sicheren Fahrtzustand herzustellen. Es muss überhaupt niemand mehr an Bord sein. - Auch das zaubert mir, wie beim Thema Einparken, ein Lächeln ins Gesicht.

Damit das Fahrzeug sich selbst jederzeit in einen sicheren Zustand bringen kann     

(Unruhe)

- Darf ich Sie noch einmal ganz kurz für das Zukunftsthema begeistern?


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Tarricone, Sie haben recht. - Der heutige Sitzungstag dauert nicht mehr lange. Es gibt hier Gesprächsinseln, wenn ich in die Fraktionen, wenn ich in diese Richtung so schaue. Ich verstehe ja, dass Diskussionsbedarf besteht; besonders nach den letzten Geschehnissen hier. 

(Zuruf)

Aber gehen Sie dann doch bitte aus dem Plenarsaal

(Zustimmung)

Es ist für Frau Tarricone ausgesprochen schwierig, den Antrag ordnungsgemäß einzubringen. - Frau Tarricone. Bitte.


Kathrin Tarricone (FDP):

Danke schön. - Ich fange mit dem Gedanken noch einmal an: Damit das Fahrzeug sich selbst jederzeit in einen sicheren Zustand bringen kann, egal ob auf der Autobahn oder in der Rushhour in der Innenstadt, bedarf es einer Reihe technischer Voraussetzungen sowohl im Fahrzeug als auch außerhalb. 

Für das autonome Fahren brauchen wir ein ganzes Ökosystem an digitaler Infrastruktur, Infrastruktur, die eigene Sensordaten an die Fahrzeuge übermitteln und dem Fahrzeug damit eine Schutzhülle hinzufügen kann.

Nach jahrelangem Streit zwischen den Automobilherstellern zeichnet sich die Tendenz ab, dass die notwendige Kommunikation mit der Fahrzeugumgebung per Mobilfunk und nicht per WLAN vonstattengehen wird. Eine sichere Mobilfunkabdeckung ist also erforderlich, wenn wir zu einem großflächigen Einsatz des autonomen Fahrens kommen wollen.

Der Standard Cellular-Vehicle-to-Eeverything beruht derzeit auf LTE. Etwa ab dem Jahr 2024 rechnen die Hersteller mit dem breiten Übergang zur automobilen Konnektivität über einen 5G-Standard.

Wenn wir die Chance nutzen wollen, dann kommen auf viele Akteure im Land enorme Herausforderungen zu. An vielen Ecken gehen sie diese bereits an. Diese Akteure wollen wir miteinander vernetzen, damit sie untereinander von ihren Erfahrungen lernen können,

(Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP)

aber auch, damit wir als Landespolitik unsere Schlüsse daraus ziehen können, welche Rahmenbedingungen wir schaffen müssen, damit das autonome Fahren so schnell und so sicher wie möglich ein Erfolg für Sachsen-Anhalt wird.

Das Straßenverkehrsnetz ist ein höchst kompliziertes Konstrukt. Ein Fahrzeug, das auf der kleinen Dorfstraße nicht fahren kann, kann mich dort auch nicht abholen. Ich meine, ein autonom fahrendes Fahrzeug. Ja? Damit wäre es also auch nicht zielführender als der Bus, der wegen Fahrermangels nicht kommt.

Dafür und für viele andere Herausforderungen müssen wir Lösungen in nicht allzu ferner Zukunft finden. Dafür brauchen wir eine Strategie mit ganzheitlichem Ansatz. Wir als Koalition werben dafür, in einem ersten Schritt die Akteure in unserem Land zusammenzubringen. Auf einer Konferenz sollen die bestehenden Erfahrungen ausgetauscht werden. Dafür wollen wir einen Impuls setzen. 

Damit beschäftigt sich der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen. Er schiebt an, dass wir Sachsen-Anhalt modern machen. Lassen Sie uns mit einem kraftvollen Votum Ihrerseits, diesen gemeinsam auf den Weg bringen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Tarricone, einen Augenblick, bitte. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Rausch. Wollen Sie sie zulassen?


Kathrin Tarricone (FDP):

Ja.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Ja. - Dann, bitte, Herr Rausch.


Tobias Rausch (AfD):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Frau Kollegin. Ich finde, es ist nicht alles schlecht, was Sie gesagt haben. Ich bin selber Nutzer eines Autos, das teilautonomes Fahren beherrscht. So möchte ich es einmal nennen. Ich habe jetzt eine Frage an Sie zur realen Umsetzung.

Also, mir ist auch bekannt, dass Mercedes-Benz jetzt eine Genehmigung für Lkw bekommen hat, um das auf Autobahnen zu testen. Das ist Ihnen wahrscheinlich auch alles bekannt.

Ich frage mich jetzt, wenn ich durch meinen Landkreis fahre, den Salzlandkreis, und die Straßen zu 60 %, 70 % keine richtigen Kennzeichnungen haben, also an den Straßenrändern und Mittelstreifen - dann erkennt nämlich jedes Mal der Spurhalteassistent die Grenzen nicht mehr  , wie wir sicherstellen wollen, wenn wir den Weg gehen würden, dass wir so viel Geld zur Verfügung stellen, dass die Straßen erst einmal in den Zustand gebracht werden, dass autonomes Fahren überhaupt möglich ist. 

Das Problem ist ja, es gibt die Systeme. Sie funktionieren auch. Sie stehen zurzeit aber nur temporär zur Verfügung. Das heißt, das Auto erinnert einen immer einmal daran, dass man einmal das Lenkrad berühren muss oder dass man aktiv eingreifen sollte.

Ich sehe den großen Mangel darin, dass die Infrastruktur - auf jeden Fall im ländlichen Raum; für Städte weiß ich es nicht genau - nicht gegeben ist. Ich frage Sie jetzt, wie Sie dafür Sorge tragen wollen - Sie tragen ja auch das Ressort Landesentwicklung und Verkehr, Infrastruktur und Digitales  , dass wir im Salzlandkreis Hoffnung haben können, dass unsere Straßen besser werden. Wie wollen wir das schaffen?

(Marco Tullner, CDU: Das macht Frau Hüskens alles!)


Kathrin Tarricone (FDP):

Ich danke Ihnen ganz ausdrücklich dafür, dass Sie diese Brücke zum Ressort schon geschlagen haben; denn in der Konferenz, die wir vorschlagen möchten, sammeln wir all die Sachen: Was brauchen wir? An welchem Stand sind wir? Was müssen wir herstellen? 

(Ministerin Dr. Lydia Hüskens: Genau!)

Dann macht sich das Ressort Gedanken. Das ist wirklich sinnvoll. 

Ob von heute auf morgen auf jeder Straße so etwas möglich ist: Ich meine, wir sind uns doch darin einig, dass wir nicht so machen

(Kathrin Tarricone, FDP, schnippst mit den Fingern)

und einen großen Sack Geld ausschütten 

(Oliver Kirchner, AfD: Richtig!)

und dann funktioniert alles, aber wir müssen das Thema angehen. Wir müssen es angehen!

(Zustimmung bei der FDP - Tobias Rausch, AfD, tritt an ein Saalmikrofon)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Rausch, aber wirklich kurz. Wir sind in einer Dreiminutendebatte. Wir hatten dieses Thema eben schon.


Tobias Rausch (AfD):

Jawohl, ganz kurz. Ich hatte die eine Minute nicht ausgeschöpft. 

(Zurufe von der CDU: Doch! - Es waren drei Minuten! - Zwei Minuten!) 

Also, meine Frage ist, welchen zeitlichen Horizont sehen Sie denn, wann wir uns dahin bewegen.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Nicht heute Abend! - Lachen bei der LINKEN)


Kathrin Tarricone (FDP):

Den zeitlichen Horizont kann ich Ihnen jetzt hier vom Pult nicht nennen, sondern das denken wir uns aus, wenn wir wissen, welche Herausforderungen vor uns stehen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der FDP)