Hendrik Lange (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg ein paar Anmerkungen zu dem Antrag der GRÜNEN. Sie sind wirklich froh, den dicken schwarzen Klotz vom Bein zu haben.
(Lachen)
Das sieht man Ihrem Antrag an. Handwerklich ist er allerdings noch ausbaufähig.
(Zuruf)
Man kann nicht beschließen, dass Arbeitsplätze verloren gegangen sind; das kann man höchstens feststellen. Das sollten Sie lernen als Oppositionspartei. Wir als Landtag sind nicht die Bittsteller gegenüber der Regierung. Das sind wir nicht.
(Beifall)
Der vorliegende Antrag stellt die mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien erforderlichen Arbeitsplätze und Entwicklungsperspektiven in den Vordergrund. Dieser Befund ist erst einmal richtig. Dazu müssen sich in Sachsen-Anhalt endlich auch die Regierung und das Parlament auf den Weg machen. Denn der Ausbau der erneuerbaren Energien kam in den letzten Jahren nur sehr zögerlich voran. Das hat dazu geführt, dass insbesondere im Bereich der Windenergie Arbeitsplätze abgebaut wurden. Darüber haben wir in den vergangenen Legislaturperioden, insbesondere in der letzten, mehrfach diskutiert. Nur leider hat sich seitdem nicht viel getan.
Auch der Ausbau der Windenergie durch den Bund wurde ausgebremst. So liegen die Mängel im System eben nicht nur auf der Bundesebene. Beim Repowering im Land hat sich in den letzten Jahren so gut wie gar nichts getan. Auf die IMAG wurde eingegangen. Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, so schnell sollten Sie nicht vergessen, dass Sie hier mitregiert haben.
Auch bei der Errichtung von Solaranlagen auf Dächern der Landesliegenschaften geht es nur langsam voran. Immerhin haben wir hier im Hohen Haus schon die Vorbildwirkung des Landes angemahnt; das war im Jahr 2018. Aber bis heute sind wir erst bei knapp einem Dutzend Projekten angekommen. An dieser Stelle ist noch viel Luft nach oben, meine Damen und Herren.
Unser Antrag aus dem Jahr 2018, der ganz ähnliche Forderungen gestellt hat wie Ihr Antrag heute, ging in der Lethargie von Kenia unter. Das ist das Problem, das Sie haben, meine Damen und Herren von den GRÜNEN. Sie müssen sich überlegen, ob Sie im Bund wirklich mit der großen schwarzen Bremse regieren wollen oder mit der marktradikalen FDP oder ob wir vielleicht eine andere Perspektive brauchen, um soziale und ökologische Politik umsetzen zu können.
(Zustimmung)
Für die bis zum Jahr 2035 notwenige Klimaneutralität und für die Umsetzung der Wasserstoffstrategie des Landes brauchen wir einen ganz anderen Fahrplan mit exakten Zielsetzungen und Zwischenzielen. Meine Damen und Herren, einigen ist das nicht klar, aber die Klimakrise ist real.
(Zustimmung)
Es muss uns das kalte Grausen in den Nacken treiben, wenn wir daran denken, was diese Klimakrise alles auslösen wird. Die Unwetter im Westen der Republik, die wir erlebt haben, sind nur ein Teil davon; das ist klar. Deswegen muss man sich anschauen, welche Folgen diese Klimakrise haben wird und welche Kosten sie verursachen wird. Dann müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie viel uns Klimaneutralität in diesem Land wert ist. Daran müssen wir arbeiten, meine Damen und Herren.
Ich nehme es Ihnen wirklich übel, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, dass Sie unseren Antrag nicht mitgetragen haben, endlich ein CO2-Budget für Deutschland und auch ein CO2-Budget für Sachsen-Anhalt festzulegen, damit wir endlich Planungssicherheit haben, wo wir in diesem Land als Industriestandort hinkommen müssen.
Meine Damen und Herren, durch den forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien in Sachsen-Anhalt werden zukunftsfeste und gut bezahlte Arbeitsplätze entstehen, die weitere Arbeitsplätze, insbesondere im Handwerk, sichern und neu schaffen werden. Zugleich wird die dringend erforderliche Energie bereitgestellt.
Die Solarpflicht hatten auch wir in unserem Antrag enthalten. Dazu heißt es jetzt, das sei Planwirtschaft. Das ist es nicht. Wenn man sich anschaut, was in unserem Land zugestellt wird, beispielsweise durch riesige Industriehallen und durch riesige Hallen für die Logistik, dann muss man sagen, das allein ist schon Frevel, was dort an Flächenversiegelung passiert. Aber dass wir diese Dächer dann nicht einmal nutzen, um tatsächlich nahe bei den Menschen entsprechend Energie zu erzeugen, ist falsch. Hierfür muss das Land endlich die Weichen stellen.
Und - Sie haben es gesagt - die Akzeptanz muss in den Vordergrund gestellt werden. Die Frage der Akzeptanz fehlt in Ihrem Antrag leider voll und ganz. Hierfür brauchen wir mehr Bürgerbeteiligung und genossenschaftliche Organisation.
Frau Hietel, ich höre sehr gern, dass die CDU das jetzt auch möchte. Allerdings handelt sie auf der Bundesebene anders. Das, was Herr Altmaier in dem Erneuerbare-Energien-Gesetz vorgeschlagen und gemacht hat, ist genau das Gegenteil. Davon müssen wir wegkommen. Wir brauchen Anreize, damit die Leute diese Energiewende gern mitmachen. - Danke.
(Zustimmung)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Herr Lange, es gibt eine Nachfrage von Herrn Bommersbach. Möchten Sie diese beantworten?
Hendrik Lange (DIE LINKE):
Oh, Herr Bommersbach, ich bin gespannt.
(Lachen)
Frank Bommersbach (CDU):
Herr Lange, ich freue mich ja, dass Sie gespannt sind. Aber wenn Sie jetzt so tun, als ob Sie im Prinzip der Retter der Nation seien, dann
Hendrik Lange (DIE LINKE):
Was? Das habe ich nicht verstanden. Können Sie
Frank Bommersbach (CDU):
Ich kann die Maske abnehmen. - Also, ich freue mich, dass Sie so erregt sind, wenn ich an das Mikrofon
Hendrik Lange (DIE LINKE):
Nein, nicht erregt, „gespannt“ habe ich gesagt. Das ist ein großer Unterschied und darauf lege ich Wert.
Frank Bommersbach (CDU):
Dann erklären Sie mir mal die Hinterlassenschaften, wenn ich nur an den Silbersee oder an Brüchau denke, mit denen Sie der Umwelt schlimme Dinge angetan haben, weshalb wir heute noch schwer mit den Altlasten zu kämpfen haben. Sie waren doch der Vorkämpfer bei diesen Dingen. Wenn wir dann sehen, dass Sachsen-Anhalt das Land mit den meisten Windkrafträdern ist, dann finde ich das, was Sie hier vortragen, schon ziemlich zynisch.
Ich lade Sie aber herzlich ein - Bitterfeld liegt ja neben meinem Wahlkreis , kommen Sie einfach mit und schauen Sie sich einmal den Silbersee an. Aber gehen Sie bitte nicht baden, sonst gehen Sie uns hier verloren.
Hendrik Lange (DIE LINKE):
Herr Bommersbach, das war erstaunlich flach.
(Lachen)
Abgesehen davon, dass ich zum Zeitpunkt der Wende gerade einmal zwölf Jahre alt war und das nicht meine Altlasten sind,
(Zurufe)
so wie Sie das gerade dargestellt haben, möchte ich Sie auf Folgendes hinweisen: Erstens. Auch in der Bundesrepublik wurde Raubbau an der Natur begangen, etwa wenn man sich die großen Tagebaue anschaut.
Zweitens gibt es auch dort, gerade aus der Chemieindustrie, große Altlasten, die auch noch nicht beseitigt sind, sondern die lediglich abgedeckt worden sind.
Drittens. Ja, die DDR hat eine unglaubliche Umweltverschmutzung hinterlassen - das ist unfassbar-, obwohl sie weltweit eines der strengsten Naturschutzgesetze hatte. Trotzdem ist das immer möglich gemacht worden. Und ja, damit haben wir heute zu kämpfen.
Aber wissen Sie, Sie sind doch die Partei, die eine Müllhalde nach der anderen fordert und noch den Müllimport nach Sachsen-Anhalt holen will. Sie sind doch die Partei, die die Altlastenanstalt leitet. Also, jetzt kommen Sie mir doch nicht nach dem Motto „Heute ist alles gut, weil wir hier Windräder stehen haben.“
Nein, Sie müssen doch mal zur Kenntnis nehmen, dass Sie zurzeit einfach dabei sind, die notwendige Energiewende auszubremsen. Es ist Ihr Wirtschaftsminister Altmaier, der die Regelungen dazu geschaffen hat, dass die Leute an der Energiewende gar keinen Spaß haben
(Zustimmung)
und dass die Leute sich gar nicht trauen, zu investieren, weil es sie nämlich viel zu viel kostet.
(Zurufe)
Das ist eben nicht
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke, Herr Lange. Wir brauchen darüber jetzt nicht weiter groß zu diskutieren. Es gibt noch eine weitere Frage. Auch Frau Frederking hat sich gemeldet.
(Lachen)
Herr Lange, möchten Sie darauf antworten?
Hendrik Lange (DIE LINKE):
Mit großer Freude, Frau Frederking. Ich weiß aber nicht, ob ich Ihre Frage beantworten kann.
(Zurufe)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Ich möchte aber beide darum bitten, sich kurz zu fassen.
(Zuruf)
Dorothea Frederking (GRÜNE):
Herr Lange, Sie sprachen ja über die Klimafolgen. Sie haben auf den Westen Deutschlands reflektiert, auf die Unwetter und Überschwemmungen im Ahrtal, bei der die Leute ihre Häuser verloren haben. Das ist alles ganz dramatisch. Jeder Euro, der in den Klimaschutz investiert wird, spart Folgekosten von 15 €.
Meine Frage an Sie lautet: Geben Sie mir Recht, dass wir jetzt ganz schnell in die Transformation kommen müssen hin zur Klimaneutralität, weil das vernünftig ist, auch finanziell und ökonomisch vernünftig ist und auch gerecht den nachfolgenden Generationen gegenüber?
Meine zweite Frage ist - ich habe es gestern kurz benannt -: Wir brauchen nicht mehr Windanlagen, sondern mehr Leistung und mehr Windenergie. Wir brauchen in Sachsen-Anhalt ungefähr 450 MW Zubau pro Jahr für die erforderliche Klimaneutralität bis zum Jahr 2035. Selbst dann, Herr Lange, wenn wir annehmen würden, was die Bundesregierung will, nämlich Klimaneutralität bis zum Jahr 2050,
Hendrik Lange (DIE LINKE):
Das ist zu spät.
Dorothea Frederking (GRÜNE):
- das ist zu spät; darin sind wir uns einig -, aber selbst dann - verlängern wir das einmal; geben wir das Doppelte obendrauf; also noch einmal 15 Jahre müssten wir ja 225 MW zubauen. Heute haben wir einen Zubau von ungefähr 50 MW pro Jahr. Wir haben also eine riesige Lücke.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Sie haben Ihre beiden Fragen gestellt.
Dorothea Frederking (GRÜNE):
Die Frage ist: Geben Sie mir Recht, dass wir da ganz schnell in die Puschen kommen müssen und dass wir dafür auch die Flächen ausweisen müssen?
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke. - Herr Lange.
Hendrik Lange (DIE LINKE):
Frau Frederking, ich gebe Ihnen in beiden Fällen recht. Allerdings möchte ich Sie in einem Fall noch korrigieren: Wir hätten schon vor zehn Jahren in die Puschen kommen müssen.
(Beifall)
Das ist doch das eigentliche Problem, weswegen wir heute so einen Sprung machen müssen, dass es eben keine Klarheit gab, dass es keine Klarheit zum Kohleausstieg gab; das ist das eigentliche Problem. Wir hätten es schon viel eher machen müssen.