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Plenarsitzung

Transkript

Sebastian Striegel (GRÜNE):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie ist jetzt gerade außerhalb des Raumes, hat es schon gesagt: „Remigration“ wurde zum Unwort des Jahres im letzten Jahr, im Jahr 2023, gewählt. Davor waren es übrigens die Wörter „Klimaterroristen“, „Pushback“, „Coronadiktatur“, „Klimahysterie“, „Anti-Abschiebe-Industrie“, „alternative Fakten“, „Volksverräter“, „Lügenpresse“ und im Jahr 2013 „Sozialtourismus“ - Wörter, die Menschen diffamieren. Sie können sich einmal im Raum umtun, wer diese Wörter in sehr häufigem Gebrauch hatte. Ich will Ihnen einen Tipp geben: Es ist die Fraktion hier ganz rechts außen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD)

Nichts von dem, was die beiden Fraktionsvorsitzenden Oliver Kirchner und Ulrich Siegmund hier heute im Plenum des Landtags vorgetragen haben, war überraschend in diesen Debatten. Faschistische Politik sieht sich im Endkampf gegen die vermeintliche Auslöschung eines ethnisch definierten Volkes. Sie zielt auf die Erhaltung bzw. Wiederherstellung - ich zitiere - ethno-kultureller Identität. Das ist, um mit dem Rechtsextremen Martin Sellner, von dem das Zitat stammt, selbst zu sprechen, das weltanschauliche Minimum aller rechten bis rechtsextremen Kräfte.

Die Vertreibung von Millionen von Staatsbürgern, die aus Sicht der Rechtsextremen wegen ihrer Herkunft, der Herkunft ihrer Mütter, ihrer Väter, ihrer Großeltern, ihrer Religion oder ihrer Kultur nicht in einen ethno-kulturell definierten deutschen Staat passen, ist logische Konsequenz der ethno-pluralistischen und rassistischen Ideologie, die NPD, AfD, das sogenannte Institut für Staatspolitik, die Identitäre Bewegung und andere rechtsextreme Akteure miteinander verbindet, und ja, die sie zusammenschweißt.

Herr Kirchner, Herr Siegmund, das Deportationstreffen von Potsdam als Geheimtreffen zu bezeichnen, geht schon allein deshalb fehl, weil keiner der dort gehaltenen Redebeiträge ein Geheimnis barg. Die Positionen Sellners, die Positionen von Ihnen, Herr Siegmund, der AfD und anderer Akteure sind seit langem bekannt. Mich hat diese Zusammenkunft deshalb auch nicht überraschen können. Alles, was wir aufgrund der „Correctiv“-Recherche nun lesen können, stand bereits vorher in Szenepublikationen, 

(Lothar Waehler, AfD: Meine Güte!)

war Gegenstand von rechtsextremen Reden in Schnellroda, bildete das Fundament von Reden der AfD in Landtagen, im Bundestag oder bei verharmlosend auch Bürgerdialog genannten rechtsextremen Werbeveranstaltungen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Gehen wir doch mal in den Herbst 2017, also fast sieben Jahre zurück, nach Schkopau auf eine Veranstaltung, organisiert durch einen heute für die AfD im Kreistag des Saalekreises sitzenden und mehrfach wegen Gewaltdelikten verurteilten Unternehmers, mit dem mehrfach unter anderem wegen Volksverhetzung verurteilten Akif Pirinçci. Auf die Frage aus dem Publikum, wie Pirinçci denn die Veränderung in der deutschen Bevölkerung stoppen würde, macht dieser Mann glasklar: Es gibt für ihn Deutsche, offenbar biologisch abgrenzbar sowie sicher kulturell verschieden, und im Gegensatz dazu andere Menschen.

Dann wortwörtlich, ich zitiere:

„Die Deutschen haben zu wenig Kinder, die anderen machen immer mehr Kinder. Da kann man jetzt nicht sagen, ja, wir wollen aber unser altes Deutschland haben. Das haben die Indianer auch gesagt, damals in Amerika. Da kamen Leute hin, die eine ganz, ganz andere Kultur haben. Diese Menschen müssen alle gehen. Diese Menschen müssen alle gehen. Es müssen etwa 8 Millionen Deutschland verlassen. Man kann ihnen sagen, in sechs Monaten werdet ihr kein Geld mehr bekommen, auch kein Essen. Ihr müsst aus euren Wohnungen. 8 Millionen Menschen, auch die hier geborenen.“

Da ist kein Unterschied zur AfD-Ideologie, null, nada, niente. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Gesprochen wurde das, wie gesagt, auf einer öffentlichen Veranstaltung im Saalekreis, organisiert durch einen Unternehmer, der heute für die AfD im Kreistag des Saalekreises sitzt. Unwidersprochen ins Netz übertragen, hörbar für alle, die sich dafür interessieren.

Das ist nichts anderes als das, was Herr Siegmund will, was Herr Höcke umsetzen will, der Im Jahr 2018 in seinem Buch schrieb, eine - Zitat - „Wendezeit“ stehe bevor. Eine neue politische Führung müsse in dieser neuen Zeit - ich zitiere wieder - „Maßnahmen ergreifen, die ihrem eigentlichen moralischen Empfinden zuwiderlaufen“.

Man werde dann nämlich ein paar Volksteile verlieren, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen. Das ist eine „wohltemperierte Grausamkeit“, so nennt es Björn Höcke. Ich glaube, es ist wichtig, das an dieser Stelle zu nennen. Denn das war und ist kein Geheimnis. Das ist Politik, die die AfD seit Jahren in diesem Land macht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

An der Ideologie ihrer Partei, ihrer rechtsextremen Bewegung hat sich nichts geändert. Die AfD ist ein völkisch-rassistisches Projekt.

(Zuruf von der AfD: Ja klar!)

Verdienst der Journalistinnen und Journalisten von „Correctiv“ ist es, diese Deportationsfantasien einem breiten Publikum bekannt gemacht zu haben,

(Zurufe von der AfD)

und Rechtsextreme bei der Vernetzung und konkreten Vorbereitung ihrer Pläne ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt zu haben.

Auch Ihre Verteidigungslinie, Herr Siegmund, war doch erwartbar. Sie hätten von nichts gewusst. - Gut, das ist deutsche Tradition seit 1945. Sie seien privat vor Ort gewesen. - Also wissen Sie, Ihr vermeintlich nur privater Rassismus ist deshalb interessant, weil Ihre Thesen im Plenum hier, egal ob es zu Gesundheitspolitik, zu Bildungspolitik oder zu etwas anderem ist, ja auch immer rassistisch daherkommen.

(Ulrich Siegmund, AfD, lacht)

Ich weiß nicht, was diese Unterscheidung soll. Im Übrigen haben wir Sie auch heute wieder im Plenarsaal beim Training für die erfolgreichste Nazisportart der Geschichte gesehen, beim Üben der Opferrolle auf dem Parkett des Plenarsaals.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zuruf von der AfD)

Sparen Sie sich diese Verrenkungen. Sie und Ihre Parteikameraden sind erkannt. Ihre rassistische Ideologie liegt offen zutage. Ihre politischen Vorstellungen der Vertreibung von Millionen von Menschen aus diesem Land sind mit unserer Verfassung, sind mit dem Grundgesetz nicht kompatibel. Sie sind Verfassungsfeinde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gott sei Dank gehen überall in diesem Land Menschen auf die Straße,

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ihre Parteikollegen sind das!)

in Sachsen-Anhalt und in Deutschland, in kleinen und in großen Städten, in Stadt und Land. Seit Bekanntwerden der Recherche von „Correctiv“ waren es nach Schätzungen bis zu 2 Millionen Menschen.

(Lachen bei der AfD - Zuruf von der AfD: Ja, 10 Millionen!)

Allein in Sachsen-Anhalt waren es rund 20 000 und in Halle waren rund 16 000 Demonstrierende auf der Straße. Es war die größte Demonstration seit 1989/1990.

Diese Menschen treten ein für Demokratie, für unsere Demokratie, für das Land, für vielfältige Lebenswirklichkeiten, die hier anerkannt werden, und sie treten ein für den Schutz von einem friedlichen Zusammenleben. Sie stehen auf gegen die Gefahr von rechts, gegen die unsäglichen Nazideportationspläne von Millionen Menschen, die unsere Liebsten, unsere Familie, unsere Freunde, unsere Nachbarn sind, und die auch uns selbst betreffen.

Was wir heute von Ihnen gehört haben, ist der infame, aber untaugliche Versuch, sich einmal mehr in einen Schafspelz zu pressen. Diese Selbstverharmlosung hat ein Ende gefunden. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Ihre Partei, ihre Vorfeldorganisationen werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Die wehrhafte Demokratie wird ihr Arsenal gegen Sie in Anwendung bringen.

(Lachen bei der AfD - Zuruf von der AfD: Arsenal!)

Sie werden merken: Es steht keine Mehrheit der Bevölkerung hinter Ihren rassistischen Plänen. Die Menschen, die in den letzten Wochen auf den Straßen waren, sind höchst verschieden. Ich habe in Halle einen Querschnitt der Bevölkerung gesehen. Dort waren Alt und Jung, Ärztinnen, Rentner, Arbeiterinnen, Richter, Schüler, Studierende. Dort waren alle auf der Straße: Menschen unterschiedlichster Herkunft, Religion und politischer Orientierung. Diese Demonstration hat mir und vielen anderen Mut gemacht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Uns trennt dabei als Demonstrierende vieles. Ich bin sicher, wenn ich hier in den Plenarsaal schaue: Unsere politischen Anschauungen sind höchst unterschiedlich.

(Lachen bei der AfD)

Uns trennt wirklich vieles. Sie werden auf diesen Versammlungen keine Gruppe mit einem geschlossenen Weltbild finden. Das mag bei Ihnen so sein. Bei einer Volksgemeinschaft wundert mich das nicht. Sie werden aber bei uns auf den Demonstrationen vielfältige Akteure finden und wir werden uns von Nazis und Rassisten unser Land nicht kaputt schlagen lassen.

(Zurufe von der AfD)

Wir verteidigen die Würde eines jeden Menschen. - Nie wieder ist jetzt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Das war jetzt das Ende. Herr Dr. Tillschneider hat sich zu einer Intervention gemeldet. - Herr Dr. Tillschneider, bitte.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Eine Frage.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Heute keine Fragen von der AfD! - Unruhe bei der AfD)

- Ach Gott. Na gut, aber dann darf ich sie trotzdem stellen. Weil    


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Eine Frage nicht, weil er sie nicht zulässt, aber ich hatte Sie so verstanden, dass Sie eine Intervention tätigen wollten.

(Unruhe bei der AfD)


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Ja, eine Intervention, naja. - Der Herr Striegel hat ja ganz fürchterlich gegiftet gegen das Konzept des Ethnopluralismus. Dazu will ich einmal grundsätzlich etwas sagen, weil es auch dieses Konzept verdient, rehabilitiert bzw. gar nicht erst schlecht gemacht zu werden. Ethnopluralismus ist nichts anderes als die Beschreibung, dass die Menschheit in viele Völker gegliedert ist, dass wir also kulturelle Vielfalt auf dem Planeten haben, und leitet daraus die Norm ab, wir wollen diese kulturelle Vielfalt erhalten: Pluralismus. Pluralismus ist ja gut, Ethnopluralismus.

Daher hätte ich ihn jetzt gern gefragt, weshalb er da etwas dagegen hat. Die GRÜNEN wollen doch auch die Diversität der Pflanzenarten und Tierarten erhalten und die GRÜNEN sind ja auch für eine multikulturelle Gesellschaft. Weshalb lehnen Sie den Ethnopluralismus ab? - Aber er sieht sich außerstande zu antworten.