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Plenarsitzung

Transkript

Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sahen gerade einen etwas beunruhigten Landespräsidenten ob der Redezeit, die wir uns geteilt haben. Sie wissen jetzt, wie lang fünf Minuten sind.

Schönen Dank für diesen Antrag der FDP, bei dem man beim ersten Lesen vermutet hätte, es gehe tatsächlich um Forschung. Wir haben dann der Rede von Andreas Silbersack entnommen, dass es eher um allgemeinpolitische Aspekte geht. Daher will ich versuchen, das ein klein bisschen zu beantworten.

Zunächst hat der Wirtschaftsminister völlig zu Recht auf interessante, wichtige Punkte für Sachsen-Anhalt und für die chemische Industrie hingewiesen. Wir sind hierzu innerhalb der Landesregierung einer Meinung; da gibt es überhaupt nichts zu vertun. Das muss auch vernünftigerweise so sein.

(Zustimmung von Ulrich Thomas, CDU)

Allerdings, lieber Andreas Silbersack, ist uns schon klar - dazu sind wir in Berlin miteinander verbunden  , dass diese Geschichte mit dem idealerweise vorgezogenen Kohleausstieg Sache der Ampel ist. Ihr seid mit dabei gewesen. Das habt ihr mit unterschrieben.

Ich bin etwas überrascht davon, dass ihr auf einmal sagt, das müsse alles anders sein.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Deshalb darf man zumindest darauf hinweisen, dass wir uns möglicherweise an dieser Stelle unterschiedlich stark gebunden fühlen. Die Formulierung „idealerweise“, liebe Kolleginnen und Kollegen, bedeutet keinen vorgezogenen Ausstieg, sondern es ist der Versuch, ein Ziel zu erreichen. Wenn es nicht erreicht wird, fällt es weg. Ende. Dann haben wir eine klare Rechtslage. Halten wir uns an diese.

Das gilt gleichermaßen für die Verlängerung der Atomkraft. Dazu will ich an dieser Stelle nicht ausführen, sondern ich möchte auf etwas anderes zu sprechen kommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die wir zum Thema Wirtschaft im Koalitionsvertrag verhandelt haben, wir sprachen von Brückentechnologien und meinten nicht die Kohle. Unsere Brückentechnologie war Gas.

(Dr. Katja Pähle, SPD: Erdgas!)

Wir gingen von einer optimal günstigen Gasversorgung während des gesamten Umbaus aus.

(Zuruf von der CDU)

Das ist nicht mehr möglich. Das ist seit Sommer dieses Jahres perdu. Also sollten wir ehrlicherweise sagen: Auf dieses Pferd setzen wir jetzt nicht mehr. Zugleich ist es richtig, darauf hinzuweisen, wir sollten uns vernünftig mit Gas eindecken. Allerdings sollten wir über den Rat, Verträge mit langen Laufzeiten abzuschließen, betriebswirtschaftlich noch einmal nachdenken.

Wer sich die Entwicklung des Börsenpreises für Gas angeschaut hat - dieser entwickelt sich deutlich nach unten -, der wird sagen: Wartet einmal ab - je besser die Versorgungslage mit LNG und mit dem Gas aus den westlichen Ländern wird, umso günstiger wird auch der Preis. Insofern müssen wir an dieser Stelle keine übermäßig große Sorge haben. Der Preis wird höher bleiben - das gehört zur Ehrlichkeit dazu  , aber er wird natürlich nicht mehr die Werte des Sommers haben. Insoweit muss man jedem Einkäufer dankbar dafür sein, dass er nicht im Sommer einen langfristigen Kontrakt geschlossen hat.

Mein Schwerpunkt ist das Center for Transformation of Chemistry. Das möchte ich an dieser Stelle erwähnen. Das ist nämlich nichts anderes als das Intel der Wissenschaft in diesem Land und in Sachsen.

(Zustimmung bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN - Beifall bei der CDU)

Darauf können wir wirklich mächtig stolz sein. Ich bin sehr froh darüber, dass Andreas Silbersack das angesprochen hat. Es ist von der Bundesforschungsministerin bekanntgegeben worden. Das CTC unter Federführung von Herrn Prof. Seeberger ist ohne Frage ein Leuchtturm für diesen Umbau unserer Chemieindustrie hin zu einer zirkulären Wirtschaft; genau dorthin wollen wir.

Ein Fördervolumen in Höhe von 1,2 Milliarden € bis 2038. Davon entfallen 70 % auf Sachsen; das muss man der Fairness halber sagen. Es war ein Verbundantrag und das ist auch gut so. Der Standort Delitzsch ist nah genug an uns dran. Unser sachsen-anhaltischer Standort soll - das ist noch nicht endgültig entschieden, aber wir favorisieren dies - in Leuna entstehen. Dorthin gehört er auch wegen der dort vorhandenen Einrichtungen.

Es auch wichtig, dass man an dieser Stelle ganz klare Bekenntnisse abgelegt. Wir haben in Leuna an diesem Standort die kritische Masse an Akteuren, Kompetenzen sowie Infrastruktur. Deshalb finde ich es vernünftig, dass wir den Brückenschlag hinbekommen, den der Wirtschaftsminister vorhin zu skizzieren versucht hat.

Das Hydrogen Lab hat seinen Betrieb in Leuna bereits aufgenommen. Zentrale Projekte sind im Rahmen der Wasserstoffstrategie die Erzeugung regenerativen Wasserstoffs mit einer exzellenten Infrastruktur am dort vorhandenen Standort und an den dort vorhandenen Pipelines. Damit ist für uns tatsächlich die Chance gegeben, nachhaltige Wasserstoffwirtschaft zu betreiben. Ich bin sehr froh darüber, dass dies auch mit Partnern aus der Wirtschaft gelingt, mit der Linde AG, mit TotalEnergies und anderen.

Die Chemie wird übrigens - dabei bin ich etwas optimistischer als manch anderer im Raum - deshalb weiterhin auf den deutschen Standort setzen, weil hier nicht nur eine große Tradition vorhanden ist, sondern weil wir im Zentrum Europas liegen und weil wir natürlich den europäischen Markt von hier aus bedienen können. Diese chemischen Unternehmen brauchen eine vernünftige Infrastruktur. Das bezieht sich auf die Forschung und das bezieht sich natürlich auch darauf, dass technische Infrastruktur geleistet werden soll. Da im Zuständigkeitsbereich des Energieministeriums die Versorgung mit Wasserstoffpipelines liegt, freut es mich für jeden, der sich darum kümmert, das in der Öffentlichkeit deutlich zu machen. Wir brauchen mehr von diesen Infrastrukturmaßnahmen. Deshalb haben wir dafür auch Geld eingestellt, unter anderem allein 185 Millionen € für eine Pipeline im Rahmen eines IPCEI-Projekts, davon allein 55 Millionen durch Sachsen-Anhalt. Dafür bin ich dem Haushaltsgesetzgeber dankbar. An dieser Stelle muss Sicherheit geschaffen werden; das ist genauso wichtig wie die Sicherheit der Versorgung mit Gas und anderen Energien. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU und bei den GRÜNEN)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Es gibt eine Frage von Herrn Thomas.

(Zuruf Mikro!)


Ulrich Thomas (CDU):

Es blinkt. Es geht nicht. Ich muss laut sprechen.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Nein, es geht schon. Einfach auf den Knopf drücken.


Ulrich Thomas (CDU):

Jetzt ist es rot. Vorher hat es rot geblinkt, Herr Präsident.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Ich habe es scharf angeguckt; dann klappt das.


Ulrich Thomas (CDU):

Rot blinken ist immer gefährlich.

(Minister Prof. Dr. Armin Willingmann, lacht)

Herr Minister, ich freue mich immer ausdrücklich über Ihren Optimismus, wenn es um die Entwicklung der Weltmarktpreise gerade für Gas geht. Ich teile diesen Optimismus ausdrücklich nicht. Denn selbst wenn die Preise sinken sollten, werden sie immer noch deutlich über dem liegen, was wir bisher kannten. Das möchte ich herausstellen.

(Zuruf von Dr. Katja Pähle, SPD)

Ich will auch deutlich sagen, dass dieses LNG nicht die beste Alternative ist, angesichts der Transportkosten und auch der Herkunftsländer, aus denen wir das beziehen.

Ich möchte Sie vor diesem Hintergrund als Minister der Landesregierung Folgendes fragen: Stimmen Sie mir, wenn sich die Energiesituation nicht signifikant verbessert, gerade auf dem Strommarkt, dann darin zu, dass es sinnvoll wäre, im nächsten Jahr auch die Laufzeiten der drei verbliebenen AKW zumindest nochmals so lange zu verlängern, bis wir eine signifikante Entspannung auf dem Strommarkt haben?

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Am besten ein neues bauen!)


Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):

Herr Thomas, es wird Sie nicht wundern, dass ich Ihnen an dieser Stelle nicht zustimmen werde. Wir reden über eine Restversorgungsquote von 6 %, die über die Atomkraftwerke realisiert wird. Das müssen wir anderweitig ausgleichen. Im Moment sind wir Stromexporteur nach Frankreich; dort funktioniert die Atomkraft nicht.

Also sehen Sie es mit bitte nach - meine Begeisterung für Atomkraft ist nicht so groß wie Ihre. Die Laufzeiten wurden noch einmal verlängert, um über den Winter zu kommen. Das wird reichen. Bei der Stromversorgung habe ich die wenigsten Bedenken.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke.


Ulrich Thomas (CDU):

Ich habe eine kurze Nachfrage, wenn ich darf, Herr Präsident.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Ja, bitte.


Ulrich Thomas (CDU):

Wir reden an dieser Stelle nicht über Atomkraftwerke. Wir reden über Grundlastfähigkeit. Sie haben eben charmant gesagt, das müssten wir anderweitig lösen. Wie sieht denn die Grundlastfähigkeit unserer Energiewirtschaft anderweitig aus? Wo soll denn die Grundlast entstehen?

(Dr. Katja Pähle, SPD: Speichern, speichern, speichern! - Zurufe von der CDU und von der AfD)


Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):

Jetzt können wir wieder das Thema mit den Speichern bringen. Wir wiederholen - das will ich natürlich nicht.

(Alexander Räuscher, CDU: Welche Speicher?)


Ulrich Thomas (CDU):

Bis April nächsten Jahres haben wir die, oder wie?

(Zurufe von der CDU, von der AfD und von der SPD)


Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):

Auf den Bereich der Speicher will ich gar nicht eingehen. Wir stellen im Moment die Grundlastfähigkeit natürlich auch über Gas her, auch darüber, dass wir nach wie vor mit Öl Energie erzeugen. Es ist völlig richtig - wir realisieren im Moment keine ausreichende Grundlastfähigkeit mit den erneuerbaren Energien. Das ist aber kein Problem, man kann auch das weiter ausbauen.

Wir sollten einmal aufhören, ständig die erneuerbaren Energien zu verteufeln mit diesem Hinweis,

(Zurufe von der AfD)

solange wir die Frage der Speicherfähigkeit nicht endgültig geklärt hätten, breche hier alles zusammen. Herr Thomas, Sie wissen, wir werden auch in den nächsten Jahrzehnten einen Energiemix brauchen. Dieser Energiemix wird nach wie vor einen Zufluss an fossilen Stoffen bedeuten. Wir wollen diesen Zufluss nur immer weiter reduzieren. Das übrigens eine Idee, die hinter dem CTC steht, dem Großforschungszentrum, das jetzt nach Delitzsch und nach Leuna kommt.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke.- Herr Scharfenort hat eine Intervention. Sie müssen aber nicht bei jedem Punkt aufstehen und intervenieren, sondern nur dann, wenn es sinnvoll ist.

(Lachen bei der SPD)


Jan Scharfenort (AfD):

Vielen Dank für den Hinweis. Darauf wäre ich nicht gekommen.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Ja, ich helfe gern.


Jan Scharfenort (AfD):

Ich knüpfe an Herrn Thomas an. Ihr Optimismus in allen Ehren. Ich frage mich, wie Sie darauf kommen können, dass die Gaspreise sinken und weiter sinken werden. Das ist ein momentaner Effekt am Spotmarkt; das ist auch erklärbar. Aber Sie können davon ausgehen, ab dem nächsten Jahr, wenn Deutschland und andere auf dem LNG-Markt Gas wieder ganz extrem nachfragen müssen, schießen die Preise auch am Spotmarkt wieder hoch. Das ist aber für die Unternehmen weniger entscheidend. Sondern die meisten Unternehmen verhandeln ihre Verträge langfristig. Sie brauchen auch langfristige Verträge, damit sie investieren können. Denn vor allem in der Energiebranche und auch in der Chemiebranche sind die Investitionsvorhaben für einen sehr langen Zeitraum planbar. Das sollten Sie bedenken.

Zu Ihrem Optimismus auch an anderer Stelle. Schauen Sie in die Presse der letzten Woche. Bei der TransnetBW GmbH - vielleicht sind Sie auch Sie informiert; das ist der Netzübertragungsbetreiber im Süden Deutschlands, vor allem in Baden-Württemberg - wäre in der letzten Woche fast der Fall eingetreten. Ein Brownout war da. Die Warn-App wurde nicht nur zur Probe genutzt, sondern um Mitternacht wurde gewarnt, dass ab dem nächsten Tag um 14 Uhr massiv Strom eingespart werden muss; andernfalls wäre der Fall eingetreten. Das wird kommen; das ist nur eine Frage der Zeit. Das sagen die Fachleute auch Ihnen, denke ich.

Sie gefährden eventuell Menschenleben und nehmen das wissentlich mit Ihrer Ideologie in Kauf. Denn Sie haben auch eben wieder keine Antwort gegeben auf die Frage, woher die Grundlast kommen soll. Sie kommt jetzt richtigerweise aus der Braunkohle. Jetzt sind wir die CO2-Schleuder Nr. 2 in Europa und haben bald auch einen Blackout. - Vielen Dank dafür.

(Beifall bei der AfD)


Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):

Herr Scharfenort, es ist offenbar an dieser Stelle die vornehmste Aufgabe der AfD

(Jan Scharfenort, AfD: Nein! Die Realität gibt uns recht!)

Kassandra zu spielen und immer wieder Einzelereignisse herauszupicken.

(Jan Scharfenort, AfD: Ich werde Sie immer wieder daran erinnern!)

Die Warnmeldung in Baden-Württemberg war überflüssig. Sie hat keinerlei Auswirkungen gehabt.

(Jan Scharfenort, AfD: Ach überflüssig!)

  Herr Scharfenort, einfach zuhören. - Sie bedient natürlich alle ihre Ressentiments.

Jetzt noch etwas zur Gaspreisentwicklung, damit hier nicht der völlig falsche Eindruck entsteht: Ich habe vorhin deutlich gemacht,

(Zuruf: Die dümmste Politik!)

dass die Gaspreise ganz ohne Frage nicht mehr das Niveau erreichen werden, das wir durch die Belieferung mit russischem Pipelinegas hatten. Das ist in der Tat unweigerlich so. Zugleich habe ich deutlich gemacht, dass eine Preissteigerung zu erwarten ist, aber dass sich unsere Industrie darauf einstellen kann.

(Zurufe von Matthias Büttner, Staßfurt, AfD, von Tobias Rausch, AfD, und von Thomas Korell, AfD)

Es gibt weltweit entwickelte Volkswirtschaften, die nie auf russisches Pipelinegas angewiesen waren

(Tobias Rausch, AfD: Weil die auch eine eigene Gasversorgung haben!)

und sich gleichwohl ganz exzellent entwickelt haben. Auch wir werden das schaffen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)