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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 16

Erste Beratung

Fakultative Anwendung des Jugendstrafrechts - bedingte Strafmündigkeit ab dem 12. Lebensjahr

Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/4789

Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/4828


(Beifall bei der AfD)

Herr Hecht, bitte. 


Christian Hecht (AfD): 

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die demokratische AfD-Fraktion 

(Lachen bei der AfD)

möchte Sie dafür gewinnen, endlich eine gesamtgesellschaftliche Diskussion voranzubringen, die schon seit Jahrzehnten vor sich hindümpelt. Wir bitten Sie heute um Ihre Zustimmung dazu, dass der Landtag beschließen möge, die Landesregierung aufzufordern, gegenüber den Gesetzgebungsorganen der Bundesrepublik darauf hinzuwirken, die Schuldfähigkeit nach dem Jugendstrafrecht auch auf diejenigen Täter auszudehnen, die zum Zeitpunkt der Tat das zwölfte Lebensjahr vollendet haben und bei denen bei einer richterlichen Gesamtwürdigung ihrer Persönlichkeit im Einzelfall von der Fähigkeit, das begangene Unrecht einzusehen, auszugehen ist.

Warum? - Nach der polizeilichen Kriminalstatistik für das erste Halbjahr 2024   nur für das erste Halbjahr   wurden allein in Sachsen-Anhalt 441 Tatverdächtige unter 14 Jahren nur bei Ladendiebstählen ermittelt, wobei das Dunkelfeld hierbei besonders groß ist. Es gibt Kinderbanden, die auf regelrechte Raubzüge gehen und auf Bestellung ihrer strafmündigen Hehler klauen, was das Zeug hält.

(Zuruf von der AfD: Ja!)

Diese Kinder werden bandenmäßig eingesetzt, und sie wissen ganz genau, dass sie von der Polizei lediglich bei ihren Erziehungsberechtigten abgeliefert werden, wenn man sie denn einmal erwischt. Dann steht im besten Falle noch das Jugendamt vor der Tür, aber das war es dann auch. Im Umfeld der organisierten Kriminalität machen sich das die Hintermänner wie die Täter gleichermaßen zunutze.

Es sind aber bei Weitem nicht nur Ladendiebstähle, mit denen besonders junge Täter zunehmend in Erscheinung treten. Nach Statista Research waren bundesweit allein im Jahr 2023 in 10 850 Fällen von gefährlicher und schwerer Körperverletzung, in 120 Fällen von Vergewaltigung und sexueller Nötigung Kinder die Täter. Acht Morde sind im Jahr 2023 von Kindern begangen worden.

Die Entwicklung unserer Gesellschaft schreitet durch verbesserte Lebensbedingungen, auch durch die Digitalisierung aller Lebensbereiche unaufhaltsam voran. Der Mensch selbst befindet sich in einem ständigen Transformationsprozess, dem die Gesellschaft Rechnung tragen muss. Darum ist es eben nicht nur sinnvoll, sondern ganz offensichtlich mittlerweile auch notwendig, die Strafbarkeit nach Jugendstrafrecht auf solche Täter auszudehnen, die zum Zeitpunkt der Tat das zwölfte Lebensjahr vollendet haben, wenn eine richterliche Gesamtwürdigung ihrer Persönlichkeit im konkreten Einzelfall zu dem Ergebnis kommt, dass diese Täter eine hinreichende Einsichtsfähigkeit in Bezug auf das von ihnen begangene Unrecht haben.

Die richterliche Vorprüfung des Reifegrades von Zwölf- bis 14-Jährigen ist insofern vergleichbar mit der Prüfung der Anwendbarkeit von Jugendstrafrecht auf Heranwachsende nach § 105 des Jugendgerichtsgesetzes und eröffnet auch insoweit einen bisher verschlossenen Beurteilungsspielraum. Man könnte das, wenn man es in einen Begriff fassen wollte, als bedingt widerlegliche Strafmündigkeit bezeichnen. 

Unser Vorschlag steht im Übrigen im Einklang mit dem Jugendschutzgesetz. Dieses enthält in § 1 Nr. 1 und 2 Legaldefinitionen des Begriffes Kind   eine Person, die noch nicht 14 Jahre alt ist   und des Begriffes Jugendlicher   eine Person, die 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist. Das soll zum Schutze der Kinder und Jugendlichen natürlich auch so bleiben. Begehen jedoch Personen, die zwölf oder 13 Jahre alt sind, Straftaten und haben sie bei der Begehung die erforderliche Fähigkeit, das Unrecht ihres Tuns einzusehen, dann ist es nicht nur zum Schutze der Gesellschaft notwendig und zielführend, mit staatlichen Mitteln durch ein geordnetes Verfahren erzieherisch auf diese sehr jungen Täter einzuwirken, sondern auch und nicht zuletzt zum Schutze der Täter selbst. 

Das Jugendgerichtsgesetz verfolgt doch gerade den Ansatz, die zukünftige Begehung von Straftaten durch jugendliche Täter zu verhindern. Insofern wäre es nachgerade widersinnig, diejenigen, die wissen, dass sie das, was sie tun, nicht tun dürfen, von einer staatlichen Sanktionierung auszunehmen, nur weil sie noch nicht 14 Jahre alt sind.

Einen Maßstab dafür bietet im Übrigen auch das BGB. Nach § 828 Abs. 3 beginnt nämlich die zivilrechtliche Haftungspflicht bereits ab dem vollendeten siebenten Lebensjahr, wenn Minderjährige die zur Erkenntnis ihrer Verantwortlichkeit erforderliche Einsichtsfähigkeit besitzen.

Um es noch einmal klarzustellen: Es geht hierbei nicht um die Bestrafung von Kindern. Sühne ist nicht das Ziel des Jugendstrafrechts. Vielmehr geht es um Erziehung und Resozialisierung. Das sind wir der Gesellschaft, aber vor allen Dingen auch unseren Kindern schuldig, die wir damit hoffentlich auf den rechten Weg zurückbringen. 

Wir senken seit einigen Jahren die Altersgrenzen für die Wahrnehmung bestimmter bürgerlicher Rechte ab, weil sich die geistige und die körperliche Reife immer früher einstellen. Den Autoführerschein kann man mit 17 Jahren erwerben, wählen darf man schon mit 16 Jahren. Gemäß dem zum 1. November 2024, also vor knapp drei Wochen, in Kraft getretenen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag können diesen ab sofort auch minderjährige transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht binäre Menschen im Personenstandsregister ändern lassen. Das können über ihre gesetzlichen Vertreter übrigens sogar geschäftsunfähige Minderjährige tun, also Kinder, die noch nicht einmal acht Jahre alt sind. Dabei bedarf es dann des Einverständnisses des Kindes, wenn es mindestens fünf Jahre alt ist.

(Tobias Rausch, AfD: Das gibt es doch nicht!)

- Wer das nicht glaubt, der kann es auf der Seite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nachlesen. 

Eine Gesellschaft aber, die davon ausgeht, dass fünfjährige Kinder die notwendige Einsichts- und Erkenntnisfähigkeit haben, um darüber zu befinden, ob sie transgeschlechtlich, intergeschlechtlich oder nichtbinär sind, die sollte Zwölf- und 13-Jährigen dann auch zutrauen zu wissen, dass es falsch ist, wenn man einem anderen etwas gegen seinen Willen wegnimmt, ihn vergewaltigt, körperlich misshandelt oder tötet. 

(Beifall bei der AfD - Tobias Rausch, AfD: Richtig! Sehr gut! Sehr gut!)

Großbritannien ist diesbezüglich übrigens weiter. Dort sieht man die Strafmündigkeit bereits ab Vollendung des zehnten Lebensjahres vor. In Österreich denken der Bundeskanzler Nehammer und seine Innenministerin nach der Gruppenvergewaltigung einer Zwölfjährigen laut über eine Absenkung der Strafmündigkeit im Sinne unseres Antrages nach.

(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Ja!)

Täter dieser Vergewaltigung waren andere Zwölfjährige.

(Zuruf von der AfD: Um Gottes willen!)

Mit der Forderung nach einer Absenkung der Strafmündigkeit steht die demokratische AfD-Fraktion in Deutschland übrigens nicht allein. Die Diskussion dazu wird zu lange schon erfolglos geführt. Es ist auch eine Forderung der Deutschen Polizeigewerkschaft und kommt damit aus der Praxis.

(Beifall bei der AfD)

Die Erkenntnis, dass hierzu Handlungsbedarf besteht, hat sogar bereits   man höre und staune   die CDU erreicht. 

(Ulrich Siegmund, AfD, lachend: Höre und staune!)

Deren Kollege Dietmar Krause wurde am 5. Oktober in der „Volksstimme“ wie folgt zitiert: Wir begrüßen die Diskussion um die Absenkung der Strafmündigkeit. - Na, wunderbar, dann ziehen wir ja in die gleiche Richtung.

(Beifall bei der AfD)

Unsere Justizministerin Frau Weidinger kündigte dazu bereits eine wissenschaftliche Analyse an. Sie ist eigentlich überflüssig - die Analyse, nicht die Ministerin Frau Weidinger.

(Lachen bei der AfD - Guido Heuer, CDU, lachend: Das wäre ja wohl noch schöner!)

Denn sowohl das Problem als auch seine Lösung sind offenkundig. Die Landesregierung sollte diesen rechtspolitisch notwendigen Schritt im Bundesrat also anstoßen. Das ist unsere bescheidene Forderung. Lassen Sie uns gemeinsam Verantwortung übernehmen für die Täter, für die Opfer, für Deutschland.

(Zustimmung von Matthias Büttner, Staßfurt, AfD, und Florian Schröder, AfD)

Ich beantrage daher eine Überweisung des Antrages zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Verbraucherschutz sowie zur Mitberatung in den Ausschuss für Inneres und Sport und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Bitte warten Sie einen ganz kurzen Moment, Herr Hecht. Frau Richter-Airijoki hat eine Frage. 

(Oh! bei der AfD)


Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD): 

Es ist eine Intervention, weil ich nicht wirklich glaube, dass Sie die Frage beantworten können würden; 

(Zuruf von Matthias Büttner, Staßfurt, AfD)

denn es würde ein sehr schlechtes Licht auf etwas werfen.

Ich weiß, die AfD fühlt sich immer zu Unrecht angegriffen, wenn auf Parallelen zu der Nazizeit hingewiesen wird.

(Daniel Rausch, AfD: Das gibt es doch wohl nicht! - Zurufe von der AfD: O nein! - Jetzt reicht es aber! -Überall Nazis!)

Ich muss es aber einfach sagen: Bitte, bitte lesen Sie den Artikel eines gewissen Roland Freisler:

(Oh! bei der AfD)

„Der Jugendarrest und die Neugestaltung des Jugendstrafrechtes“.

(Daniel Rausch, AfD: Dass Sie sich für so etwas hergeben! Ehrlich! - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Sie glaubt das!)

Er hat darin wirklich ganz ähnliche Ideen beschrieben.

(Zuruf von der AfD: Mein Gott! Mann!)

Bitte lesen Sie das einfach. Ich unterstelle nicht, dass Sie es kennen. - Vielen Dank.


Christian Hecht (AfD): 

Frau Richter-Airijoki, stellen Sie mir das einmal zur Verfügung, oder geben Sie mir einen Hinweis, wo wir das nachlesen können. Das tun wir natürlich gern.