Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Was Herr Aldag vorhin vorgetragen hat - die Situationsbeschreibung, auch sein Idyll einer durch geschlossene Augen unterstrichenen Wanderung durch unsere Natur , dem kann man nur uneingeschränkt zustimmen.
Wir alle wissen, dass sich das Artensterben in den vergangenen Jahren beschleunigt hat. Der Klimawandel schreitet voran. Wir müssen uns das nicht gegenseitig erklären. Darüber, ob wir tatsächlich eine neue, eine weitere, eine zusätzliche Strategie in dieser Thematik brauchen, wie jetzt von den GRÜNEN vorgeschlagen, sollten wir diskutieren. Deshalb will ich es vorwegsagen: Ich halte es für vernünftig, diesen Antrag zu überweisen und im Umweltausschuss darüber in einen breiten Diskurs einzutreten. Das Thema ist zu wichtig, als dass es so nebenher behandelt wird.
Allerdings darf ich darauf hinweisen, dass wir in Sachsen-Anhalt auch schon manches getan haben. Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, dass wir am Anfang stünden. Ich verkneife mir natürlich den Hinweis darauf, dass wir eine Zeit der Verantwortung gerade einer Vertreterin eurer Partei hatten,
(Zustimmung von Daniel Roi, AfD)
die sich in dieser Zeit natürlich auch mit einer Naturschutzstrategie hätte befassen können.
(Zustimmung von Daniel Roi, AfD)
Aber das ist verkniffen. Deshalb noch einmal von meiner Seite aus: Ich halte es für sehr sinnvoll, dass wir dieses Thema aufgreifen.
Dennoch seien ein paar Dinge in Erinnerung gerufen. Denjenigen, die sich mit Umweltschutz beschäftigen, wird das bekannt sein. Wir haben seit Dezember 2018 unser gesamtes Schutzgebiet Natura 2000 vollständig rechtlich gesichert. Der weit überwiegende Teil der Fläche ist durch fachliche Managementpläne untersetzt worden. Nach dieser tatsächlichen Mammutaufgabe in der letzten Legislaturperiode - das will ich ausdrücklich konzedieren - geht es in der laufenden Legislaturperiode nun darum, die nach altem DDR-Recht gegründeten Naturschutzgebiete - in Sachsen-Anhalt 89 an der Zahl - auch hinsichtlich der aktuellen Herausforderungen neu zu bewerten und naturschutzrechtlich zu sichern. Die Verfahren laufen.
Für viele bedrohte Arten wurden Artenhilfsprogramme erstellt, die derzeit in der Umsetzung sind. Zum Beispiel werden Erhaltungs- und Fördermaßnahmen für den Feldhamster in den wichtigsten Vorkommensgebieten in Sachsen-Anhalt über Haushaltsmittel finanziert. Das sind rund 400 000 €, sofern Sie das interessiert.
(Zustimmung von Kathrin Tarricone, FDP)
In der Europäischen Naturschutzförderung über den ELER sind 20 Millionen € für Investitionen in verschiedenste Projekte vorgesehen. Daneben sind fast 14 000 ha Waldflächen für die Wildnisentwicklung reserviert. Auf 32 % der Landesfläche wird die Umsetzung von Natur- und Artenschutz durch Großschutzgebiete personell und finanziell unterstützt. Wir überlegen derzeit, wie man das Unterstützernetz - dem ist vorhin schon gedankt worden - durch Naturschutzstationen noch besser ausgestalten kann. Auch diese Diskussion kennen Sie bereits aus dem Umweltausschuss.
Im ersten Entwurf des Landesentwicklungsplans aus dem Haus der sehr geschätzten Kollegin Hüskens, der derzeit in der Öffentlichkeitsbeteiligung ist, sind 27 Vorranggebiete für Natur und Landschaft und 32 Vorbehaltsgebiete für den Aufbau eines ökologischen Verbundsystems enthalten. Zudem wurde im Kapitel Natur- und Landschaftsschutz ein neuer Grundsatz zum Artenschutz aufgenommen, bei dem es insbesondere um den Schutz jener Arten geht, für die das Land Sachsen-Anhalt besondere Verantwortung trägt. Sie wissen das: Hamster, Biber und viele andere mehr.
Auch ich bin allen beteiligten ehrenamtlichen Naturschützern, Verbänden und Projektträgern der Fördermaßnahmen dankbar. Sie haben das vorhin sehr schön ausgesprochen, Herr Alltag, und dem kann ich mich nur uneingeschränkt anschließen. Ich wehre mich aber ein bisschen gegen den Vorwurf, wir würden Verantwortung abschieben. Es ist ein gutes Miteinander, das wir hier praktizieren.
Vor wenigen Wochen hat das Europäische Parlament eine Verordnung auf den Weg gebracht, die ein verbindliches Konzept zur Stärkung der Natur vorsieht. Die EU-Mitgliedstaaten sollen die nötigen Wiederherstellungsmaßnahmen ergreifen, um Lebensraumtypen, die sich nicht in einem guten Zustand befinden, in einen besseren Zustand zu versetzen. Hierbei ist das Land Sachsen-Anhalt auch in Bezug auf das Naturflächengesetz oder die dafür erforderlichen Regelungen im Bundesnaturschutzgesetz allerdings auf die Aktivitäten des Bundes angewiesen. Es ist in der Tat das Haus Lemke; das steht Ihnen sicherlich nahe.
Vor ein paar Tagen hat die Europäische Kommission ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eröffnet - wegen unzureichender Ausweisung von Vogelschutzgebieten. Das ist das, was Sie vorhin angesprochen haben, Herr Aldag: Wir laufen bei solchen Themen, wenn wir nicht schnell oder nicht genau sind, immer wieder Gefahr, dass wir tatsächlich auch auf europäischer Ebene damit konfrontiert werden. Wir prüfen zurzeit die Betroffenheit des Landes Sachsen-Anhalt in Bezug auf dieses Vertragsverletzungsverfahren. Eine erste grobe Schätzung geht davon aus, dass das bei uns keine sehr große Relevanz hat. Ich habe unmittelbar vor dieser Parlamentssitzung mit dem zuständigen Referatsleiter meines Hauses telefoniert, der aus einer Schalte kam und sagte: Wahrscheinlich ist es bei uns nicht so arg, andernorts schon. Wir sind eine gemeinsame Bundesrepublik.
Zum Naturflächengesetz hat die Bundesumweltministerin bislang keinen Gesetzentwurf vorgelegt. Das muss man nüchtern konzedieren. Auch die Artenhilfsprogramme, die im Zuge der Energiewende angekündigt wurden, sind bisher nicht näher ausgestaltet worden. Das ist unerfreulich. An dieser Stelle könnte man in der Tat an Sie appellieren, vielleicht auf der parteipolitischen Schiene etwas näher an die geschätzte Kollegin Lemke heranzutreten.
In Sachsen-Anhalt sind wir jedenfalls an diesem Thema dran. Die Regierungsparteien haben vereinbart, die Biodiversitätsstrategie des Landes bis zum Ende der Legislaturperiode zu überarbeiten. Daran arbeitet das Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt. Darüber können wir gern auch im Ausschuss debattieren. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Daniel Roi, AfD: Waren das sechs Minuten?)