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Plenarsitzung

Transkript

Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Einige von Ihnen haben vielleicht ein Déjà-vu, zumindest diejenigen, die bereits am 29. August 2019 im Landtag anwesend waren, als wir über einen fast inhaltsgleichen Antrag der AfD-Fraktion beraten haben. Ich bin deswegen fast versucht, auf den Stenografischen Bericht 7/78

(Zuruf: Ja!)

und dort auf die Seiten 87 ff. zu verweisen, wo der damalige Innenminister alles gesagt hat und auch viele andere aus dem Parlament.

Schauen wir einmal, ob der heutige Tag mehr Erkenntnisgewinn bringt. Ich kann es jedenfalls, um es kurz zu machen, deutlich sagen: Das, was Sie damals vorgeschlagen haben, und das, was Sie heute vorschlagen, ist und bleibt verfassungswidrig.

(Beifall)

Auch diese Landesregierung wird keinen verfassungswidrigen Gesetzentwurf einbringen,

(Lachen - Zuruf)

auch wenn Sie uns noch so häufig dazu auffordern.

(Beifall - Zuruf)

Verfassungsrechtlich ist es eigentlich relativ klar: Wenn ich mehrere Versammlungen gleichzeitig und in unmittelbarer räumlicher Nähe habe, dann sind Versammlungsbehörden und Polizei gehalten, die Störung der öffentlichen Sicherheit zu verhindern, und sie sind gehalten, nach Verfassung, sowohl Grundgesetz als auch Landesverfassung, die gegenläufigen Interessen der betroffenen Grundrechtsträger zu berücksichtigen und abzuwägen.

Auch im August 2019 ist Ihnen schon erläutert worden, dass bei dieser Abwägung das Prioritätsprinzip ein Betrachtungsmerkmal sein kann, aber eben nur eines. Denn wenn ich mich allein am Prioritätsprinzip ausrichten würde, kann ich eben gegenläufige Interessen im Einzelfall nicht immer berücksichtigen.

Da Sie offensichtlich Landesregierung und Parlamentskollegen nicht glauben, versuche ich es einmal mit dem Bundesverfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht hat diesbezüglich in seinem Beschluss vom 6. Mai 2005 ausgeführt, dass   ich zitiere  :

„wichtige Gründe, etwa die besondere Bedeutung des Ortes und Zeitpunktes für die Verfolgung des jeweiligen Versammlungszwecks, für eine andere Vorgehensweise sprechen. Die Ausrichtung allein am Prioritätsgrundsatz könnte im Übrigen dazu verleiten, Versammlungen an bestimmten Tagen und Orten frühzeitig   ggf. auf Jahre hinaus auf Vorrat   anzumelden und damit anderen potenziellen Veranstaltern die Durchführung von Versammlungen am gleichen Tag und Ort unmöglich zu machen.“

(Zuruf: Das ist doch im Gesetz schon verboten! Das haben wir doch gesetzlich gemacht!)

„Dies widerspräche dem Anliegen, die Ausübung der Versammlungsfreiheit grundsätzlich allen Grundrechtsträgern zu ermöglichen.“

So das Bundesverfassungsgericht. Es sagt uns: Im Kollisionsfall bedarf es einer Abwägung der gegenläufigen Interessen und damit eben auch immer einer Bewertung der Umstände des Einzelfalls. Eine pauschale Festlegung, eine pauschale Verständigung auf das Prioritätsprinzip steht dazu im Widerspruch und ist deswegen verfassungsrechtlich nicht möglich.

Um es abschließend zu sagen: Das Versammlungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt bietet den Versammlungsbehörden bereits alle rechtlichen Befugnisse, die nötig sind, um die Interessen aller betroffenen Grundrechtsträger angemessen umzusetzen. Der Aspekt, wer eine Versammlung zuerst angemeldet hat, fließt bei der Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen mit ein. Das ist aber nur ein Aspekt von vielen. - Vielen Dank.

(Beifall)