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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 5

b)    Beratung

Sachsen-Anhalt braucht ein Bildungsforum zur Krisenbewältigung - Gute Schulen brauchen mehr und motivierte Pädagoginnen und Pädagogen!

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/2248


Einbringer des Antrags ist Herr Lippmann. - Herr Lippmann, Sie haben das Wort.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Die Ministerin ist nicht da! - Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Wo ist die Ministerin?)


Thomas Lippmann (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Eva von Angern, DIE LINKE, meldet sich zu Wort)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Warten Sie einmal! - Frau von Angern, Sie haben eine Wortmeldung?


Eva von Angern (DIE LINKE):

Ja, wir fragen namens der Fraktion DIE LINKE, wo die zuständige Ministerin für das Thema ist; denn augenscheinlich liegen ihre Sachen noch da. Vielleicht kommt sie auch in den Raum. Es wäre passend.

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Es würde Sinn machen, dass die Fachministerin da ist!)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Okay. Wir könnten jetzt sozusagen über die geschäftsordnungsmäßige Regelung entscheiden, dass der Landtag die Ministerin zitiert.

(Marco Tullner, CDU: Ich hole sie mal!)

Ich weiß nicht    

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Wer ist denn als Rednerin gemeldet?)

- Ja, sie ist auch als Rednerin gemeldet; das ist schon richtig. Wir haben jetzt nur das Problem, dass sie nicht da ist.

(Tobias Rausch, AfD: Vielleicht ist sie einfach kurz zur Toilette! - Angela Gorr, CDU: Sie wird sicherlich sofort kommen!)

Wir warten einfach einmal zwei Minuten. Vielleicht ist das die optimale Lösung.

(Ministerin Eva Feußner betritt den Plenarsaal - Zurufe: Jetzt kommt sie! - Die Ministerin kommt schon! - Guido Heuer, CDU: Da ist sie! - Weitere Zurufe)

- Dann haben wir jetzt die Möglichkeit fortzufahren. - Herr Lippmann, ich muss Sie leider auf ein technisches Problem hinweisen. Die Redezeit

(Guido Kosmehl, FDP: Ist abgelaufen!)

beträgt zehn Minuten und nicht, wie die Uhr anzeigt, 15 Minuten. - Herr Lippmann, Sie haben das Wort.


Thomas Lippmann (DIE LINKE):

Aber sie beginnt jetzt erst?


Vizepräsident Wulf Gallert:

Jetzt beginnt sie, genau.


Thomas Lippmann (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Schulsystem steckt in der tiefsten Krise seit Bestehen des Landes und es rutscht mit jedem neuen Schuljahr weiter und länger in das Tal der Tränen hinein. Immer lauter werden die Klagen aus der Elternschaft, aus Industrie und Handwerk, von Gewerkschaften und aus der Kommunalpolitik. Die Forderungen nach politischen Korrekturen werden ebenfalls laut; denn der eklatante Mangel an ausgebildeten Lehrkräften ist ja nicht einfach so passiert. Er ist entgegen allen ständigen Warnungen von uns systematisch herbeigeführt worden. Mit den Personalentwicklungskonzepten des Finanzministeriums wurde ab dem Jahr 2007 programmiert, was uns heute den Boden unter den Füßen wegzieht. An dieser Personalpolitik der Landesregierung hat sich bis heute im Grunde nichts geändert.

Hinzu kommt der konservative Glaube an die Segnungen des gegliederten Schulsystems, ohne sich z. B. mit dem Scheitern der Sekundarschule auseinanderzusetzen und auch ohne den Willen, inklusive Förderung so zu organisieren, dass alle Kinder und Jugendlichen eine faire Chance im gemeinsamen Unterricht haben.

Die Bilanz der letzten vier Wahlperioden ist verheerend: Wir haben bundesweit das geringste Unterrichtsangebot, die geringste Anzahl von höheren Schulabschlüssen und dafür die höchste Anzahl von Schülerinnen und Schülern ohne regulären Schulabschluss. Die Schwächung unseres Schulsystems ist die schwerste Hypothek für die individuellen, sozialen und wirtschaftlichen Perspektiven im Land.

Nun kann man sagen, das ist alles Schnee von gestern, die Koalition schaut jetzt nach vorn. Doch CDU und SPD schauen nicht nach vorn. Sie schauen nach hinten und wiederholen die alten Fehler.

Landesregierung und Koalitionsfraktionen glauben weiterhin, dass nur ein paar schwierige Jahre zu überstehen sind und sich dann durch sinkende Schülerzahlen alles wieder von selbst einpegelt.

Der Finanzminister sitzt weiter auf dem Geld und der Ministerpräsident meint, das seien nur Probleme der 20er-Jahre und dafür reichten ein paar befristete Sonderregelungen. Ansonsten könne man aber so weitermachen wie zuvor. So ist eben konservative Politik: einfach Augen zu und durch. Die Medizin verschlimmert die Krankheit, aber man erhöht lieber die Dosis, statt die Therapie zu ändern. Man kennt eben nichts anderes. Die SPD kann oder will dem nichts entgegensetzen. Das gilt etwa für die Lehrkräfteausbildung, das gilt aber auch für die Pläne, die Selektivität in unserem Schulsystem weiter zu verschärfen.

Mit dieser Landesregierung besteht derzeit keine Hoffnung, dass Sachsen-Anhalt die rote Laterne in der Schulpolitik abgibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Den nächsten Aufschrei, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird es geben, wenn im Herbst das IQB die Ergebnisse des nächsten Bundesländervergleichs präsentiert; diesmal sind die Sprachkenntnisse in der 9. Klasse an der Reihe.

In dieser verfahrenen Situation wäre es so wichtig gewesen, die zuständigen Mitglieder der Landesregierung und die Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen mit engagierten gesellschaftlichen Akteuren und Bildungsfachleuten an einen Tisch zu bringen. Es wäre wichtig gewesen, in einem offenen Dialog auf Augenhöhe und mit ausreichend Zeit eine Verständigung über gangbare und wirksame Auswege aus der Schulkrise zu suchen.

(Guido Kosmehl, FDP: Ich denke, wir haben keine Zeit mehr!)

Doch das alles war die Veranstaltung des Ministerpräsidenten am 19. Januar nicht. Es war weder ein Dialog, noch wurden Maßnahmen präsentiert, mit denen der weiter sinkenden Unterrichtsversorgung kurz oder auch mittelfristig wirksam entgegengewirkt werden kann.

Wir hatten ja von vornherein keine Erwartungen an den Gipfel, aber die Zusammenkunft am 19. Januar war dann eben nicht nur eine verpasste Chance und ein Gipfel der Enttäuschungen. Es war hinsichtlich des Ablaufs und der Ergebnisse eine Schande, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung bei der LINKEN - Guido Kosmehl, FDP: Oh! Also! Packen Sie einmal Ihre Gewerkschaftsrede weg!)

Dabei darf es auf keinen Fall bleiben. Wir fordern die Landesregierung auf, die Suche nach tragfähigen Lösungen gegen den Lehrkräftemangel und für Reformen im Schulsystem und in der Lehrkräfteausbildung mit allen politischen und gesellschaftlichen Akteuren wieder aufzunehmen.

(Jörg Bernstein, FDP: Machen wir!)

In Anlehnung an den Bildungskonvent von 2007 soll unverzüglich ein Bildungsforum ins Leben gerufen werden. Dort soll auch über alle Vorschläge, die in den letzten Monaten auf den Tisch gelegt wurden, gemeinsam und mit dem Ziel von Empfehlungen beraten werden.

(Guido Kosmehl, FDP: Wir brauchen aber jetzt Lösungen!)

Wenn sich die Landesregierung dazu nicht in der Lage sieht, dann werden wir beantragen, dass der Landtag wie schon beim Bildungskonvent dieses Bildungsforum selbst beruft und beauftragt.

(Zustimmung bei der LINKEN - Guido Kosmehl, FDP: Reicht leider nicht!)

Darüber hinaus fordern wir die Landesregierung auf, zwei ihrer zentralen Vorhaben vom 19. Januar zu korrigieren. Das sind zum einen die Einführung der verpflichtenden Vorgriffstunde für alle Lehrkräfte und zum anderen die Kopplung der Besoldungsgruppe A 13 für die Grundschullehrkräfte an die Entstehung von Ganztagsgrundschulen.

Den Eltern und der Öffentlichkeit wurde ja vorgegaukelt, mit der Vorgriffstunde könne ein Arbeitsvolumen von 500 Vollzeitlehrkräften zusätzlich vor die Klassen gebracht werden. Damit soll dann angeblich mehr als die Hälfte des gesamten Lehrkräftedefizits ausgeglichen werden. Doch das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist weit von der Realität entfernt; denn es gibt nicht nur das Defizit der 850 unbesetzten Stellen nach dem Haushaltsplan. Für ein normales Unterrichtsangebot, wie wir es schon hatten, fehlen mindestens 2 000 Vollzeitlehrkräfte. Davon werden durch die Vorgriffstunde am Ende nicht 500, sondern keine 200 Vollzeitlehrkräfte kompensiert werden. Das sind nicht einmal 10 % des tatsächlichen Fehlbedarfs.

Die Vorgriffstunde wird vielleicht gerade so ausreichen, um das weitere Absinken der Unterrichtsversorgung im nächsten Schuljahr abzubremsen, wenn es gut läuft. Wenn es schlecht läuft - dafür spricht einiges  , dann haben die Schulen im September weniger Unterrichtsstunden auf dem Zettel als jetzt.

Außer einem Haufen Ärger und demotivierten Lehrkräften werden Sie mit fast leeren Händen dastehen. Sie verschlechtern zusätzlich die Wettbewerbsbedingungen für Neueinstellungen. Die Vorgriffstunde, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist wirklich die blödeste Idee, die Sie haben konnten. Sie werden sich daran die Finger verbrennen.

(Beifall bei der LINKEN)

Genauso verhält es sich mit der absurden Idee, die ewig in Aussicht gestellte Einstufung von Grundschullehrkräften nach Besoldungsgruppe A 13 an die Entstehung von Ganztagsgrundschulen zu koppeln.

(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)

Mit diesem Vorstoß will die CDU die SPD ausspielen und die Anhebung nach Besoldungsgruppe A 13 auf perfide Weise torpedieren. Wenn die SPD die Besoldungsgruppe A 13 haben will, dann muss sie der CDU die Horte opfern. Die CDU zeigt sich wie immer verantwortungslos und stellt eigene Interessen über das Wohl des Landes; denn auch der Übergang von den Horten zu Ganztagsgrundschulen wird ein Desaster werden, wenn er nach den Vorstellungen der CDU vollzogen würde.

Es ist ein Trauerspiel,

(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)

dass die Schulen, die Horte und die Lehrkräfte an den Grundschulen wirklich nicht verdient haben. Beenden Sie dieses Schmierentheater um die Besoldungsgruppe A 13 und die Horte und versuchen Sie es einmal mit sachorientierter Schulpolitik.

Unsere Schulen, liebe Kolleginnen und Kollege, brauchen mehr Pädagoginnen und Pädagogen und keine weiteren Belastungen für diejenigen, die noch da sind und den Karren seit Jahrzehnten ziehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Unsere Vorschläge mit unserem Masterplan zur Sicherung der Schulbildung liegen dem Bildungsausschuss zur Beratung vor und waren auch schon Gegenstand in den Beratungen zum Haushaltsplan. Deshalb braucht dieser Antrag auch nicht an die Ausschüsse überwiesen zu werden. Es muss gehandelt werden, und zwar jetzt.

(Beifall bei der LINKEN)