Tagesordnungspunkt 9
Alleenfonds für Sachsen-Anhalt
Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/2036
Der Einbringer für die Fraktion ist Herr Aldag. Er steht bereits vorn und hat jetzt das Wort. - Bitte sehr.
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Alleen gehören wie der Brocken, wie die Elbe und wie Luther zu Sachsen-Anhalt. Früher dienten sie als Wegweiser und als Schattenspender an Straßen. Heute dienen sie vor allem als Landschaftselement, Sichtschutz, Sauerstoffproduzent, Lebensraum für die heimische Flora und Fauna, Schadstofffilter und Schutz vor Schneeverwehungen und Sonneneinstrahlung. Alleen und einseitige Baumreihen sind deshalb bei uns unter Schutz gestellt.
In § 21 Abs. 1 Satz 1 des Landesnaturschutzgesetzes heißt es:
„Alleen und einseitige Baumreihen an öffentlichen oder privaten Verkehrsflächen und Feldwegen sind gesetzlich geschützt.“
Der § 21 Abs. 3 Satz 1 besagt:
„Um den Alleenbestand nachhaltig zu sichern, hat die zuständige Behörde, insbesondere im Rahmen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, rechtzeitig und in ausreichendem Umfang Neuanpflanzungen vorzunehmen oder für deren Durchführung zu sorgen.“
Der Schutz von Alleen und von Baumreihen dient damit der Pflege des kulturellen Erbes Sachsen-Anhalts sowie dem Bewahren und dem Wiederherstellen ökologischer Schätze.
Meine Damen und Herren! Dies stand in der Begründung der damaligen Beschlussempfehlung der Kenia-Koalition, die sich aus der Großen Anfrage meiner Fraktion und infolge der Befassung des Landtages in den Ausschüssen ergab. Das gesamte Haus war sich damals darin einig - ich denke, das ist auch heute noch so : Es gilt, Alleen und Baumreihen als kulturelles Erbe zu schützen, zu pflegen und weiterzuentwickeln.
(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE, und von Stefan Gebhardt, DIE LINKE)
Der Ihnen vorliegende Antrag kommt auf den ersten Blick vielleicht etwas schmal daher. Aber die Umsetzung dessen, was unsere Forderung beinhaltet, ist doch essenziell, um eben das zu erreichen, was unser aller Wille ist.
Um was geht es? - Es geht um den Erhalt unserer Alleen in unserem Land und um die Umsetzung von Beschlüssen im Landtag. Diejenigen, die in der letzten Legislaturperiode bereits dem Hohen Haus angehörten, erinnern sich vielleicht daran. Im Juli 2019 wandten wir uns mit einer Großen Anfrage zum Zustand der Alleen und der Baumreihen in Sachsen-Anhalt an die Landesregierung. Auslöser für die Große Anfrage waren Medienberichte über das drohende Aus der Alleen im Land.
Der BUND kritisierte damals die zahlreichen Baumfällungen, mehr jedoch die ausbleibenden Nachpflanzungen. Nach und nach würden Lücken entstehen. Einzelne Alleen bestünden nur noch aus spärlichen Einzelbäumen - traurige Reste vergangener Pracht. Ein wesentlicher Teil der anhaltischen Kulturlandschaft ginge verloren.
Auf Anfrage des BUND nach dem Umweltinformationsgesetz teilte die Landesstraßenbaubehörde mit Schreiben vom 26. Oktober 2017 mit, dass mit Stand vom 1. Oktober 2017 insgesamt eine Baumschuld von 7 638 Bäumen aufgelaufen ist.
Meine Damen und Herren! Ich will hier ganz kurz die wesentlichen Ergebnisse der Großen Anfrage und der sich daraus ergebenden Beschlussempfehlung darstellen, sodass auch die neuen Abgeordneten im Hohen Haus unser Anliegen nachvollziehen können. Die Große Anfrage hat ergeben, dass sich in den letzten Jahren tatsächlich eine Baumschuld in einem beträchtlichen Umfang ergeben hat. Aufgrund von Baumaßnahmen, aus Gründen der Verkehrssicherheit und aufgrund von Sturmschäden mussten zahlreiche Bäume, die Bestandteile von Alleen waren, gefällt werden. Diese Baumverluste wurden bisher nicht erfasst und in der Folge auch nicht ersetzt. In der Nachbereitung der Großen Anfrage und infolge der Beschlussempfehlung konnte ein Umdenken beim damaligen Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr, beim Landesstraßenbaubetrieb und bei einigen unteren Naturschutzbehörden erreicht werden. Baumverluste werden nun systematisch erfasst.
Bestätigt wurde der Eindruck des BUND, dass bei Baumverlusten innerhalb von Alleen nur unzureichend Nachpflanzungen erfolgten. Als Gründe dafür wurden fehlendes Personal, fehlende finanzielle Mittel und fehlender Spielraum durch Vorgaben aus technischen Regelwerken - hier die Richtlinien für passive Schutzeinrichtungen an Straßen - angegeben.
Ich komme später auf diesen Punkt zurück; denn auch gerade die oft falsche Auslegung dieser Richtlinien führt auch heute noch dazu, dass Lücken in Alleen bestehen bleiben, also keine Nachpflanzungen erfolgen, und damit der Rückgang der Alleen in unserem Land weiter fortschreitet. Hier hat sich also noch wenig verändert.
Ein wesentliches Ergebnis aus der Großen Anfrage und der Nachbearbeitung daraus ist die Gründung einer interministeriellen Arbeitsgruppe zwischen dem damaligen Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie und dem damaligen Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr. Diese besteht weiterhin. Sie tagt auch regelmäßig. Und das ist auch gut so.
Der letzte Punkt, den ich als wesentliches Ergebnis der Großen Anfrage nennen möchte, ist der Wunsch des Hohen Hauses nach der Einrichtung eines Alleenfonds. Alle waren sich darin einig, dass es ein neues Instrument braucht, um den Alleenbestand im Land zu sichern. Der Alleenfonds ist ein geeignetes und in Mecklenburg-Vorpommern bereits praktiziertes Instrument. Bis heute ist die Einrichtung eines solchen jedoch nicht erfolgt. Gemäß der Antwort der Landesregierung auf die Dringliche Anfrage des Kollegen Loth gibt es nach wie vor erheblichen Klärungsbedarf zwischen den beiden Ministerien - jetzt dem Ministerium für Umwelt, Wissenschaft und Energie sowie dem Ministerium für Infrastruktur und Digitalisierung.
Meine Damen und Herren! Der Beschluss des Landtages ist vom 8. Dezember 2020. Das ist nun zwei Jahre und gut zwei Monate her. Ja, bevor jetzt gleich die Rufe kommen, dieser Beschluss fällt in den Zeitraum, in dem wir mit in der Landesregierung vertreten waren und in dem es auch nicht gelang, eine Einigung zwischen den Ministerien herbeizuführen. Das war und ist misslich. Das darf jetzt aber nicht eine Entschuldigung dafür sein, dass die Einsetzung eines Alleenfonds noch immer nicht erfolgt ist.
Ich kann versichern, dass sich Claudia Dalbert damals konsequent für mehr Nachpflanzungen und für den Alleenfonds eingesetzt hat. Ich bin immer davon ausgegangen, dass Minister Webel damals den Fuß auf der Bremse hatte. Beide stehen den Häusern heute nicht mehr vor. Eine Einigung haben wir dennoch nicht. Das Problem scheint also auf anderer Ebene zu liegen. Aber egal, wo es liegt - meine Damen und Herren, ich glaube, hierin sind wir uns einig , es muss gelöst werden, und zwar schnell.
(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE, von Dorothea Frederking, GRÜNE, und von Olaf Meister, GRÜNE)
Genau deswegen stellen wir heute erneut den Antrag auf die unverzügliche Einrichtung eines Alleenfonds, sodass - darauf hoffe ich - das gesamte Haus heute diesen Beschluss erneut fasst und mit Nachdruck dessen Umsetzung fordert.
Lassen Sie mich kurz darstellen, was dieser Alleenfonds beinhalten soll und weshalb dessen Einrichtung so wichtig ist. Die Aufarbeitung der Baumschuld, die sich seit dem Jahr 2010 ergeben hat ich erinnere: 7 638 Bäume , erfolgt derzeit. Im Ergebnis der Großen Anfrage hat die Landesstraßenbaubehörde mit der Landgesellschaft am 5. März 2021 einen Vertrag zur Potenzialrecherche für mögliche Standorte und am 20. März 2022 einen Vertrag zur Planungs- und Entwicklungsleistung geschlossen.
Daraus resultieren in der laufenden Pflanzperiode am grünen Band Ohrsleben/Wackersleben 339 hochstämmige Obstbäume, Linden und Eichen und in Waddekath 234 hochstämmige Eichen, Linden und Obstbäume plus 88 Heistern und 224 Sträucher. Weitere Pflanzungen erfolgen in den Jahren 2023 und 2024 in den Landkreisen Altmarkkreis-Salzwedel, Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg mit dem Ziel, die Baumschuld massiv zu reduzieren.
Zwei Jahre nach dem Beschluss wurden sage und schreibe 661 Bäume nachgepflanzt. Meine Damen und Herren! Das ist eindeutig zu wenig und nicht im Sinne des Beschlusses.
Zudem tragen diese Pflanzungen in keinerlei Weise dazu bei, die bestehenden Alleen im Land zu erhalten. Genau deswegen braucht es den Alleenfonds. Einen Alleenfonds, der ausdrücklich darauf ausgerichtet ist, die Lücken in den bestehenden Alleen zu schließen, um diese zu erhalten.
Nun werden sicherlich gleich wieder diejenigen aufschreien, die meinen, dies wäre aufgrund bestehender Regelwerke ich habe dieses schon erwähnt nicht möglich. Das bestehende Regelwerk, die Richtlinien für passive Schutzeinrichtungen an Straßen, RPS 2009, besagt, dass bei einer vorgeschriebenen Geschwindigkeit zwischen 80 km/h und 100 km/h der Abstand zwischen Baumbestand und Fahrbahnrand 7,50 m betragen muss.
Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat fordert bei einer Geschwindigkeit von 70 km/h den Abstand von 4,50 m oder den Bau von Einzelleitplanken. Danach richtet sich die Straßenbaubehörde und begründet aber auch genau damit das Nichtpflanzen von Bäumen, ohne dabei ein Allgemeines Rundschreiben des Bundesverkehrsministeriums zu berücksichtigen.
Laut diesem Allgemeinen Rundschreiben des Bundesverkehrsministeriums Nr. 28/2010 gelten zwar bei Neu- und Ersatzpflanzungen in Alleen die Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäumen, aber nur bei Neupflanzungen von Bäumen an Straßen. Die RPS 2009 ist explizit nicht beim Ersatz einzelner Bäume in Alleen anzuwenden. Wenn man dieser Aussage folgt, dann braucht man folglich eine Leitplanke, was wiederum dazu führt, dass die Straßenbaubehörden von Ersatzpflanzungen absehen.
Aber Brandenburg hat Praxiserfahrung und hat mit dem Erlass vom 25. Juli 2011 bewiesen, dass durch Geschwindigkeitsreduzierung die Verkehrssicherheit trotzdem gewährleistet werden kann. In Brandenburg wurde auf Landstraßen mit einem Verkehrsaufkommen von weniger als 2 000 Fahrzeugen pro Tag die Geschwindigkeit auf 70 km/h reduziert. Auf Leitplanken konnte danach verzichtet werden.
Meine Damen und Herren! Mit diesem kleinen Exkurs will ich deutlich machen, dass es möglich ist, unsere Alleen im Land zu retten, wenn man es will und nach Möglichkeiten sucht, um das Gewünschte umzusetzen.
(Zustimmung von Andreas Henke, DIE LINKE)
Ich bin gespannt darauf, wie heute die Debatte verläuft. Ich habe eine leise Ahnung. Abgelehnt wurden bereits unsere Änderungsanträge zur Einführung eines Alleenfonds, die wir in den Haushaltsberatungen gestellt haben. Vermutlich wird dieser Antrag dasselbe Schicksal ereilen.
Fakt bleibt aber eines: Die Forderung nach der Einrichtung eines Alleenfonds ist das Ergebnis der Beschlussfassung am 8. Dezember 2020 hier im Landtag. Damals bestand ein Konsens darüber, dass ein Aleenfonds das richtige Instrument ist, um die Alleen in unserem Land zu retten. Die Einrichtung eines Alleenfonds ist zudem Gegenstand des zurzeit gültigen Koalitionsvertrages.
Meine Damen und Herren! Mir persönlich ist es egal, ob der Fonds aufgrund der Zustimmung zu unserem Antrag oder aufgrund des Drucks der Koalition auf die Landesregierung - immerhin haben zwei Fraktionen den einstigen Beschluss mitgetragen - zustande kommt. Die Hauptsache ist, dass der Beschluss des Landtages, der am 8. Dezember 2020 gefasst wurde, endlich umgesetzt wird.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Es ist nicht zu akzeptieren, dass Streitigkeiten zwischen den Ministerien dessen Einrichtung weiter verzögern oder gar verhindern.
Meine Damen und Herren! Wir brauchen diesen Alleenfonds dringend zum Schutz unserer Alleen, zum Schutz des kulturellen Erbes in unserer Kulturlandschaft in Sachsen-Anhalt.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)