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Plenarsitzung

Transkript

Lothar Waehler (AfD):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Das Thema Strukturwandel hat bei uns im Land leider einen schalen Geschmack. Für den Begriff „Strukturwandel“ lassen sich mehrere Definitionen finden. Eine allumfassende kurze Erklärung in Bezug auf den Strukturwandel lautet: eine dauerhafte Veränderung der Wirtschaftsstruktur einer Branche, Region oder Einkommensschicht; langfristig.

Die Menschen bei uns und vor allem auch bei mir vor Ort im südlichen Landesteil verbinden den Begriff „Strukturwandel“ mit Versprechungen, leider auch mit gebrochenen. Daran hat und hatte die Politik einen sehr wesentlichen Anteil, vor allen Dingen nach der Wende. In den Produktionsstätten und Orten kam es zu einschneidenden Veränderungen. Die Menschen haben den Strukturwandel nicht nur als einen Ausstieg eines industriellen Ballungsraums aus der Kohle erlebt, sondern mit Arbeitslosigkeit, Wegzug und persönlicher Not. Vor diesen Tatsachen darf niemand die Aussagen verschließen.

Ich komme aus dem jetzt besonders vom beschlossenen Kohleausstieg betroffenen südlichen Sachsen-Anhalt. Meine Heimat befindet sich seit annähernd 33 Jahren in einem solchen permanenten Strukturwandel. Die Auswirkungen der Deindustrialisierung etwa am Wirtschaftsstandort Zeitz und im gesamten heutigen Burgenlandkreis sind heute im ganzen Land Sachsen-Anhalt deutlich wahrzunehmen.

Auch der Fachkräftemangel in Sachsen-Anhalt muss in diesem Zusammenhang gesehen werden. Da Unternehmen abgewickelt wurden und zahlreiche Jobs verloren gingen, hatten die Menschen kaum eine andere Wahl und waren gezwungen, sich beruflich und schließlich auch privat in den alten Bundesländern neu zu orientieren, um ihre Existenzen neu aufzubauen.

Selbst im Handwerk stellte sich nach anfänglicher Euphorie recht schnell Ernüchterung ein. Die fehlende finanzielle Grundlage ließ die Menschen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stoßen, was wiederum die Auftragslage der Firmen sehr schnell beeinträchtigte. Diese Aspekte führten zu einer weiteren Abwanderung der Fachkräfte in Richtung Westen.

Einen Punkt möchte ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, der gerade für meine Heimatregion als bezeichnend stehen soll: das Thema der unabhängigen Energieversorgung, was uns heute mit Blick auf Russland so sehr beschäftigt. Warum die Regierung damals unsere ureigene Energieversorgung, also die Braunkohle, in fremde Hände gegeben hat   obwohl ausreichend eigene Kompetenz im Land vorhanden war  , ist fraglich.

Am 1. Januar 1994 war das Unternehmen MIBRAG durch die Treuhandanstalt, die den ganzen Osten verramscht hat, an ein anglo-amerikanisches Unternehmen verkauft worden. Wahrscheinlich wäre es möglich gewesen, das für die Region so bedeutsame Unternehmen MIBRAG ohne Ausverkauf weiterführen zu können; das wäre für viele Bürger auch wesentlich verständlicher gewesen.

Die Experten, die technische Intelligenz, die wir durchaus hatten, waren in der Lage mit den Herausforderungen umzugehen. Vor allen Dingen waren sie in der Lage, Krisensituationen zu meistern. Das bewiesen sie im Winter 1978/1979, als die DDR nur ganz knapp an einem Blackout vorbeigeschrammt war. Der einzig wahre Fachkräftemangel schien schon damals bei den politischen Entscheidungsträgern geherrscht zu haben, die aus Mangel an Fachkompetenz, die Verantwortung schnell von sich geschoben haben.

Ich vergleiche diesen Strukturwandel immer mit einem Bauern, der seinen Wald verkauft, weil er keine Lust mehr hat, ihn weiter zu bewirtschaften, dem dann aber später schmerzlich einfällt, dass er sein ganzes Brenn- und Bauholz aus diesem Wald bezogen hat.

Grundlage sind nun das Kohleausstiegsgesetz und das Strukturstärkungsgesetz. Vorgesehen sind Entschädigungen für die Betreiber von Braunkohlekraftwerken in Höhe von 4,35 Milliarden € für die vorzeitige Stilllegung. Für den Kohleausstieg erhalten die Länder Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt rund 40 Milliarden €. Davon entfallen auf Sachsen-Anhalt lediglich 12 %, also 4,8 Milliarden €. Zudem gibt es ein Sofortprogramm im Umfang von 240 Millionen €, mit denen bereits in den Jahren 2019 bis 2021 Strukturwandelprojekte in den Revieren gefördert wurden.

Die große Frage ist: Wie wird das Geld ausgegeben. Vor allen Dingen entscheidet der Bund über die Verwendung. Vor Ort, auf der Landesebene, sollen in Sachsen-Anhalt 1,68 Milliarden € vergeben werden. Das Land Sachsen-Anhalt hat seit Dezember 2020 die Landesrichtlinie „Sachsen-Anhalt Revier 2038“.

Eine überarbeitete Version ist am 1. Januar 2022 in Kraft getreten. Gefördert werden nur Projekte im Mitteldeutschen Revier, und zwar rechnerisch für den Zeitraum von 19 Jahren bis zum Jahr 2038 in Höhe von jährlich 88,4 Millionen €. Sie sehen: Wenn man das herunterbricht auf hier davon betroffene Kommunen und die Jahre, dann ist das mit den Milliarden nichts mehr; dann wird es leider ganz reell deutlich weniger.

Spannende Fragen dazu sind aber: Wie wird das Geld aufgeteilt? - Das weiß keiner. Wie wird das Land in den Landkreisen aufgeteilt? - Das weiß auch noch keiner. Niemand konnte das bisher verlässlich und nachhaltig beantworten. Es gibt verschiedene Lenkungs- und Arbeitsgruppen; die Entscheidungen fallen letztendlich zentral in der Staatskanzlei.

Die Praxis zeigt also riesige Probleme auf. Die ungleiche Verteilung unter den Landkreisen und innerhalb der Landkreise ist offensichtlich. Ich frage die Landesregierung: Können Sie eigentlich verbindlich regeln, dass nicht nur Antragsteller vielfach nach dem Windhundprinzip eine Förderung erhalten, sondern alle Kommunen und auch die sorgsam entwickelten späten Projekte?

Problematisch sind jene Projekte, die eigentlich anders hätten finanziert werden müssen. So werden Maßnahmen realisiert, die z. B. im Bundesverkehrswegeplan stehen, aber nicht realisiert wurden und jetzt als Kohlemaßnahmen verkauft werden - so hört man es in betroffenen Gemeinden und von den Bürgern. Das ist nicht in Ordnung.

(Zustimmung bei der AfD)

Die Sinnhaftigkeit der Projekte für die Betroffenen ist oft fraglich. Es ist bisher nicht gelungen, vergleichbare industrielle Arbeitsmarktkonzepte mit entsprechenden Ansiedlungen zu erarbeiten. Die Aktivitäten sind meist Willensbekundungen, bei denen wirksam die Öffentlichkeit mit dem Blick auf die nächste Wahl gesucht wird - nicht mit einem Blick auf die Menschen, die die Arbeitsplätze verlieren.

(Beifall bei der AfD)

Zu einem dieser Projekte darf man durchaus auch die Sanierung des Naumburger Doms zählen, welcher zwar später ins UNESCO-Welterbe aufgenommen wurde, indes aber der Bezug zum Strukturwandel und die Verwendung dieser Gelder nur schwer zu erklären ist - für Otto Normalverbraucher erst recht nicht.

Pläne scheinen nicht vorhanden zu sein. Mag sein, dass sich die Verantwortlichen stets bemüht haben. Aber, liebe Leute, das reicht doch nicht. Machen Sie die Regeln endlich klar und nicht im Nachhinein. Die Menschen und die Kommunen im Land erwarten Lösungen, an denen sie sich ausrichten können, und zwar transparente, gerechte und verlässliche Lösungen.

(Tobias Rausch, AfD: Richtig!)

Daran hapert es, wie wir aktuell deutlich sehen können.

Das gilt nicht nur für die Förderrichtlinie „Sachsen-Anhalt Revier 2038“. Wenn ich sehe, dass für die Förderperiode von 2021 bis 2027 im EU-Maßnahmenprogramm LEADER, mit dem Entwicklungsprogramme gefördert werden, heute, zwei Jahre nach dem Maßnahmenbeginn, immer noch Entwürfe zu Richtlinien vorliegen, dann weiß ich doch, dass die Probleme hausgemacht sind.

(Beifall bei der AfD)

Der aktuelle Transformationsprozess ist selbst verursacht. Es ist ein menschengemachter Strukturwandel; der zweite in meiner Heimat innerhalb einer Generation. Er beruht ausschließlich und durchweg auf politischen Entscheidungen, die von Ideologie geprägt sind, mit absurden Vorhaben, das Weltklima zu retten.

Ich weiß nicht, wer sich einmal die Mühe gemacht hat und an einem Kohlekraftwerk vorbeigefahren ist. Aber ich habe sie ganz in meiner Nähe. Das ist z. B. Lippendorf in Wählitz; dort kommt oben nur noch weißer Dampf raus;

(Kerstin Eisenreich, DIE LINKE: Falsch!)

dank überragender deutscher Ingenieurskunst.

(Zustimmung bei der AfD)

Der direkte Vergleich zu Vergangenem ist mir noch im Gedächtnis. Wenn ich dagegen an entsprechende Dokumentationen über Millionenmetropolen auf anderen Kontinenten denke, dann finde ich, für unser Tun gibt es in unserem Land leider keine plausiblen Erklärungen. Deutschland schafft sich ab   leider.

Die politischen Entscheidungsträger haben unserem Land einen für mein Empfinden falschen Weg aufgedrängt Diese Einbahnstraße müssen wir korrigieren, nicht klein-klein und nicht oberflächlich. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Waehler, es gibt zwei Fragen, einmal von Herrn Erben und dann von Frau Frederking.


Lothar Waehler (AfD):

Wenn ich sie beantworten kann.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Na dann. - Herr Erben, bitte.


Rüdiger Erben (SPD):

Herr Waehler, ich glaube, die Beantwortung der Frage ist nicht schwer. Sie haben in einem kurzen Exkurs zur Kreispolitik des Burgenlandkreises - ich nehme an, Sie meinten den Burgenlandkreis -
ausgeführt,


Lothar Waehler (AfD):

Kurz.


Rüdiger Erben (SPD):

dass in den Kommunen nicht bekannt sei, wie das Geld im Landkreis verteilt werden soll. Ist Ihnen bekannt, dass es seit nunmehr zweieinhalb Jahren im Burgenlandkreis einen Ständigen Ausschuss des Kreistages gibt, der sich genau mit dieser Frage beschäftigt und der zu jeder Förderwürdigkeitserklärung, die gegenüber dem Land abgegeben wird, sein Votum abgibt?

Vielleicht für Sie noch als Hinweis, Sie werden dort von den ehemaligen Mitgliedern dieses Hohen Hauses, Herrn Markus Spiegelberg und seiner Stellvertreterin Frau Lydia Funke vertreten.


Lothar Waehler (AfD):

Wie ist jetzt die Frage?

(Ulrich Siegmund, AfD, lacht)


Rüdiger Erben (SPD):

Sie haben hier den Vorwurf getätigt, dass in den Landkreisen nicht bekannt sei, nach welchen Kriterien im Landkreis das Geld verteilt wird.

(Zuruf von Daniel Roi, AfD)

Das bezog sich offensichtlich nicht darauf, an welchen Landkreis das Geld verteilt werde, sondern auf die Verteilung im Landkreis.


Lothar Waehler (AfD):

In den Landkreisen.


Rüdiger Erben (SPD):

Aber wenn Sie sagen, in den Landkreisen, dann bezieht sich das auch auf den Burgenlandkreis. Sie kommen aus dem Burgenlandkreis und sind meines Wissens dort Vorsitzender der AfD.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Aber er redet nicht mit dem Kollegen! - Weitere Zurufe)

- Offensichtlich nicht. - Denn sonst würden Sie eine solche erkennbar falsche Behauptung nicht aufstellen.

(Daniel Roi, AfD: Es gibt in der Arbeitsgruppe keine Richtlinie! Das ist in Anhalt-Bitterfeld auch so! - Weitere Zurufe - Unruhe)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Waehler hat jetzt das Rederecht.


Lothar Waehler (AfD):

Ich sehe hierin keine erkennbare Falschbehauptung. Die Aufteilung ist doch nach wie vor ziemlich unklar. Das Geld wird doch eigentlich oder vielleicht an die vergeben, die am schnellsten irgendwelche Anträge gestellt haben. Darum geht es doch im Ganzen. Es geht mir nicht speziell um den Burgenlandkreis. Es geht immer um die Landkreise und die Städte.

Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Waehler. - Jetzt kommt Frau Frederking dran oder     Herr Erben, muss das noch eine Nachfrage sein?


Rüdiger Erben (SPD):

Ich wollte nur einen kollegialen Hinweis geben.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Den hatten Sie bereits gegeben.


Rüdiger Erben (SPD):

Sie können diese Verteilung und die Protokolle dazu sogar im öffentlichen Teil auf www.burgenlandkreis.de nachlesen. Denn der Ausschuss tagt öffentlich.


Lothar Waehler (AfD):

Ich werde es tun.

 

Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Dann kommt jetzt Frau Frederking dran.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Sie haben uns erklärt, dass aus dem Kraftwerk Lippendorf etwas Weißes herauskommt und stellten das in den Zusammenhang, dass das offensichtlich harmlos sei. Meine Frage an Sie ist: Welche Farbe hat CO2?

(Lachen bei der SPD)


Lothar Waehler (AfD):

Das ist ja wie eine Steilvorlage, Frau Frederking.

(Hannes Loth, AfD: Farblos, Frau Frederking!)

Ich bin Heizungsbauer. Ich habe wahrscheinlich schon viel eher mit CO2 zu tun gehabt, bevor Sie davon überhaupt gehört haben oder Ihre Partei das ins Programm aufgenommen hat.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Warum hat es nicht geholfen?)

- Herr Striegel, halten Sie sich doch einmal geschlossen.

(Lachen und Zustimmung bei der AfD - Sebastian Striegel, GRÜNE: Nö!)

- CO2 ist farblos, geruchlos und geschmacklos. - Danke schön.

(Beifall bei der AfD)