Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit dem Koalitionsvertrag in der achten Legislaturperiode haben die regierungstragenden Parteien ein klares Bekenntnis zu einer flächendeckenden Krankenhausversorgung auf hohem Niveau abgegeben. Konkret heißt es darin:
„Eine Diskussion über die Schließung einzelner Krankenhäuser wird vonseiten des Landes nicht geführt. Die Trägervielfalt bleibt erhalten. Auf der Basis der existierenden Standorte wird die medizinische Grundversorgung gesichert.“
- Dazu steht die Landesregierung nach wie vor.
Wir alle wissen um die Herausforderungen, die unser Gesundheitssystem in der stationären Versorgung in den nächsten Jahren zu meistern hat. Unser Land verändert sich, und das nicht nur in demografischer Hinsicht.
Um die bestehenden Standorte der medizinischen Grundversorgung zu sichern, sind wir deshalb bereit, sehr viel Geld in die Hand zu nehmen. Bis zum Jahr 2026 sind das voraussichtlich und einschließlich der pauschalen Fördermittel mehr als 700 Millionen €. Damit dieses Geld aber tatsächlich dorthin fließt, wo es den meisten Nutzen stiften kann, wird ein Gutachten zur Krankenhauslandschaft in Auftrag gegeben. Auch das haben wir so im Koalitionsvertrag beschlossen.
Daneben Sie haben es schon angesprochen setzt die Bundesregierung eine Kommission insbesondere zur Zukunft der Krankenhauslandschaft hierbei geht es vor allen Dingen um deren Finanzierung ein. Dennoch möchte ich jetzt in der Debatte um die nationalen Strukturen der stationären Versorgung nicht viele Worte verlieren, sondern konkret zum Standort Bitterfeld-Wolfen sprechen.
Dazu will ich deutlich machen, dass es nicht eine Entscheidung des Landes war, im Jahr 2021, während der Pandemie, den Krankenhausstandort hinsichtlich der Geburtsstation und der Frauenstation zu schließen; vielmehr war es Herr Roi, Sie haben es schon ausgeführt eine Entscheidung des damaligen Landrates und des Landkreises.
Sie wissen so gut wie ich, dass die Landkreise nach § 2 Abs. 1 unseres Krankenhausgesetzes die Sicherstellung der Krankenhausversorgung als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises haben. Als der Landkreis sich entschieden hat, die Fachklinik situationsbedingt zu schließen, musste er gegenüber dem Land und auch dem Landesverwaltungsamt anzeigen, dass es nicht zu einer Unterversorgungssituation in der Region kommt, wenn diese Schließung ansteht. Sie war zum damaligen Zeitpunkt vonnöten, weil insbesondere kein Personal vorhanden war. Deshalb musste man so handeln.
Deswegen besteht nun ein Streit mit dem Landesverwaltungsamt. Der Landkreis hat versichert, dass die Versorgung durch die Schließung der Fachklinik am Standort Bitterfeld nicht gefährdet ist. Insoweit kommt der Landkreis auch ohne die Wiedereröffnung der Fachklinik seiner gesetzlichen Sicherstellungsaufgabe nach.
Nach dem großen Protest in den Kreistagen musste man auf einmal die Argumentation umdrehen. Jetzt geht der Streit um die Frage: Besteht eine Unterversorgung, bei der das Land einschreiten muss, oder besteht sie nicht? Es ist versichert worden, dass neben der Fachklinik in Bitterfeld-Wolfen die Städte Köthen, Dessau-Roßlau, Halle mit entsprechenden Leistungen zur Verfügung stehen. Insbesondere hat der Landrat damals die Universitätsklinik Halle in die Kooperation einbezogen, die die Geburtshilfe übernehmen sollte. - Das alles lassen Sie hierbei völlig weg.
Deswegen sage ich hier noch einmal ganz deutlich: Ich glaube, die Kliniken haben nur eine Zukunft, wenn im Kreistag tatsächlich ernsthaft über die Kooperationen befunden wird, die wir als Land schon zu prüfen erbeten haben - sei es mit Wittenberg, sei es mit Dessau; die Universitätsklinik Halle z. B. macht das mit Merseburg , um dort sowohl eine Geburtsstation als auch eine Frauenstation zu ermöglichen.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Grimm-Benne.
Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Ja, ich weiß, ich muss zum Schluss kommen.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Ja, bitte.
Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Aber jetzt zu sagen: Das Land muss handeln, das Land muss das wieder aufbauen - so einfach ist die Situation nicht. Ich denke, der Landkreis hat noch Hausaufgaben zu machen; er hat insbesondere mit uns darüber zu sprechen, wie man bei solchen Kooperationen auch genügend Fachpersonal und Sie haben es gerade angesprochen genügend Hebammen hat, damit man das qualitätsgerecht dort wieder aufbauen kann. - So weit von mir.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Damit hat Frau Grimm-Benne ihre Redezeit um mehr als eine Minute überzogen. Ich stelle die Überschreitung um eine Minute fest. - Herr Roi, bitte.
Daniel Roi (AfD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin Grimm-Benne, der Kreistag hat nicht beschlossen, dass die Klinik zugemacht wird. Sie ist, noch bevor der Aufsichtsrat einen knappen Beschluss gefasst hat, geschlossen worden; das wollen wir erst einmal festhalten. Unmittelbar nachdem der Aufsichtsrat das beschlossen hatte, gab es diesen großen Protest. Der Landrat hat seine eigene Beschlussvorlage im Kreistag zurückgezogen und der Kreistag hat mit großer Mehrheit den Wiederaufbau beschlossen. Nicht mehr und nicht weniger.
Das heißt, wenn Sie von d e m Landkreis sprechen, dann müssen Sie richterweise auch sagen, dass die politischen Gremien, die den Landkreis dort vertreten, sich alle für den Erhalt des Krankenhauses ausgesprochen haben.
Das, was Sie jetzt hier wiedergeben, ist ein Satz.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Roi, Sie wollten eine Frage stellen. Sie wollten nicht ein Korreferat halten.
Daniel Roi (AfD):
Ja, ich stelle eine Frage, und zwar ist es aktuell so ich hatte es skizziert , dass der Kreis per Kreistagsbeschluss gegen die Entscheidung des Landesverwaltungsamtes klagt. Parallel dazu will er aber ein Gespräch mit Ihnen führen. Gestern wurde im Finanzausschuss des Kreistages eindeutig gesagt: Das Landesverwaltungsamt wartet seit vier Wochen auf eine Stellungnahme aus Ihrem Haus. Können Sie heute hier sagen, wie Sie nun dazu stehen oder wie Sie nicht dazu stehen? Die Leute warten darauf.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Roi, jetzt reicht es. Es hat lange gedauert, bis Ihre Frage kam. - Frau Grimm-Benne, bitte.
Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
In der Tat habe ich aus dem Widerspruchsbescheid zitiert. Es gibt nicht nur eine mündliche Aussage, sondern der Landkreis hat mit Schreiben vom 22. April gegenüber der Kommunalaufsicht eingeschätzt, dass es keine Unterversorgung in der Region gibt. Daraus wurde geschlussfolgert, dass die Schließung des Fachklinikums am Standort Bitterfeld nicht gefährdet ist. Das ist eine schriftliche Aussage, die der Landrat getroffen hat, um die Entscheidung zu der Schließung, die er damals getroffen hat, zu begründen. Nicht mehr und nicht weniger habe ich gesagt.
Diese Begründung wird nun einer Überprüfung durch den Kreistag unterzogen. Hierbei geht es um die Frage: Ist eine Unterversorgung gegeben - ja oder nein? Zu diesem Streit ist jetzt ein Klageverfahren eingeleitet worden. Es gilt, dessen Ausgang erst einmal abzuwarten. Eine Mittelbehörde wird nicht ein Ministerium zur Stellungnahme auffordern; vielmehr haben wir uns mit Blick auf die heutige Debatte den Vorgang noch einmal selber gezogen. Wir sind im Augenblick noch nicht zur Stellungnahme aufgefordert worden.
Ich hätte mir gewünscht das ist mit dem neuen Geschäftsführer leider noch nicht passiert , dass er sich bei uns gemeldet hätte, um diese Problematik zu erörtern, insbesondere die Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Kliniken.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Frau Grimm-Benne. - Die nächste Frage hat der Abg. Herr Loth angemeldet.
Hannes Loth (AfD):
Sehr geehrte Frau Grimm-Benne, der Kollege Roi hat zwei Themen behandelt. Das eine war das Krankenhaus Bitterfeld. Das andere war die Krankenhauslandschaft. Die Krankenhauslandschaft ist unterfinanziert. Darüber brauchen wir uns nicht weiter zu unterhalten. Das ist so. Das wissen auch Sie.
Sie haben jetzt aber darauf abgezielt, dass Sie gerade zu Bitterfeld nichts sagen können, weil in Bitterfeld wohl die Finanzierung noch nicht geklärt ist. Es ist nun aber so: Der Kreistag beschlossen, Geld für die Frauenklinik zur Verfügung zu stellen, für die Geburtenstation. Dann hat das Landesverwaltungsamt gesagt, ihr könnt das nicht, ihr dürft das nicht, wir verbieten euch sofort, hier weitere Investitionen zu machen.
Es gibt also von der kommunalen Ebene
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Loth, auch Sie bitte ich, eine Frage zu stellen und nicht ein Korreferat zu halten.
Hannes Loth (AfD):
Ja. - Es gibt also von der kommunalen Ebene, vom Kreistag, der immer so autark handeln darf, wegen dieser Trennung von allem Möglichen, den Wunsch, das zu machen. Jetzt kommt Ihr Landesverwaltungsamt und sagt: Nein, das geht nicht. Wieso verbietet das Landesverwaltungsamt dem Landkreis, diesen Beschluss umzusetzen, der die Frauenklinik mit eigenem Geld retten möchte?
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Grimm-Benne, bitte.
Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Ich habe schon einmal zitiert, dass das nach unserem Krankenhausgesetz eine Aufgabe des eigenen Wirkungskreises ist, aber nur dann, wenn es notwendig zur Versorgung der Bevölkerung ist - in diesem Zusammenhang mit Leistungen der Geburtshilfe und der Frauenheilkunde. Diese Versorgung, so hat der Landkreis selber eingeschätzt, ist mit der Schließung nicht gefährdet, weil er zu dem damaligen Zeitpunkt das Krankenhaus schließen wollte. Das wissen auch Sie.
Es gab eine Kooperation mit Dessau, wo man auch hinsichtlich der Chefärzte und der Ärzte eine entsprechende Situation hatte. Das hat man einseitig aufgekündigt. Man wollte in der Pandemie diesen Standort schließen und das an die Universitätsklinik nach Halle geben.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Grimm-Benne, vielen Dank. - Herr Hövelmann.
Holger Hövelmann (SPD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, erst einmal Danke, dass Sie noch einmal die Widersprüchlichkeiten des gesamten Verfahrens der letzten Jahre dargestellt haben. Ich glaube, das gehört zur Wahrheitsfindung tatsächlich dazu.
Dennoch meine Frage: Nun ist es so, dass der Landkreis sich bekannt hat, mit eigenen Haushaltsmitteln mitzuhelfen, diese Station wieder zu errichten, und das Landesverwaltungsamt sagt: Nein. Können Sie nachvollziehen, dass das vor Ort nicht nachvollziehbar ist, in dem Wissen, dass wenige Kilometer weiter entfernt, nämlich im Burgenlandkreis, genau dasselbe passiert,
(Zuruf von der AfD: Es ist passiert!)
nämlich dass der Kreistag beschlossen hat, mit eigenen Haushaltsmitteln eine Klinik im Landkreis zu unterstützen, die zudem noch in privater Trägerschaft ist? Können Sie nachvollziehen, dass das vor Ort zu Widerspruch führt?
(Zustimmung von Daniel Roi, AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Grimm-Benne, bitte.
Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Natürlich kann ich das nachvollziehen. Ich habe mich damals in Naumburg und in Zeitz sehr dafür eingesetzt, dass der Standort dort erhalten bleibt. Dabei ging es auch darum, gerade auch bei der Versorgung im ländlichen Raum die Geburtshilfe wohnortnah anzubieten. Rein politisch ist unsere Forderung bis hin zum Bund, dass Geburtshilfe zur Grundversorgung gehört, dass man sozusagen eine Vorhaltung finanziert und dass man das nicht nur rein nach Fällen beurteilt. Das kennen Sie. Aber das würde jetzt in der Situation in Bitterfeld-Wolfen nicht helfen. Jetzt befindet sich das Verfahren im Widerspruchsbescheid. Es ist auch kein Vorgang, den wir als Fachaufsicht behandelt haben, sondern die Kommunalaufsicht. Dabei wird natürlich immer darauf geachtet, wie ein Landkreis tatsächlich in finanzieller Hinsicht aufgestellt ist und ob er sich dieser freiwilligen Aufgabe unterziehen kann.
Ich habe es jetzt zu der Widersprüchlichkeit noch einmal deutlich gemacht, warum das Landesverwaltungsamt zu dieser ablehnenden Entscheidung gekommen ist. Es ist darauf gekommen, weil es ein widersprüchliches Verhalten des Landkreises selbst gegeben hat, da er diese Schließung zunächst unterstützt hat
(Zuruf von der AfD)
und gesagt hat, dass es auch bei dem Wegfall dieses Fachkrankenhauses zu keiner Unterversorgung kommen würde. Jetzt wird die Argumentation auf Druck des Kreistages, der Bevölkerung berechtigterweise umgedreht und es wird gesagt, dass es dort natürlich eine Unterversorgung gibt. Das ist im Augenblick der Streitpunkt, warum man dem Landkreis nicht sofort sagt, dass er diese Aufgabe erfüllen und diese Station wieder aufbauen kann. Das ist der Streit.
Ich habe mich nur vermittelnd eingesetzt. Ich habe auch gegenüber den Kreistagsfraktionen, die mich gefragt haben, gesagt, dass die Lösung im Grunde genommen wäre, dass man sich nicht allein auf den Weg des Wiederaufbaus macht, sondern dass man gucken sollte, wie man entweder die alte Kooperation mit dem Krankenhaus in Dessau wieder aufleben lassen könnte da hat es sehr gute, auch ärztliche Verbindungen gegeben oder aber, wenn man es neu aufbaut, dennoch in Kooperation zu gehen. Das ist auch, glaube ich, das, was das Landesverwaltungsamt empfohlen hat, möglicherweise mit Wittenberg Kooperationen aufzubauen. Investitionen und das Geld sind das eine. Das Personal ist das andere. Wir müssen tatsächlich die Qualitätsanforderungen erfüllen. Deswegen brauchen wir das notwendige Fachpersonal. Das war die Anregung, warum das Landesverwaltungsamt gesagt hat, dass es vielleicht dann geht.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Jetzt noch eine kurze Nachfrage und eine kurze Antwort.
Holger Hövelmann (SPD):
Frau Ministerin, wären Sie bereit, den Konflikt zwischen der fachlichen Bewertung und der kommunalaufsichtlichen Bewertung mit Ihrer Kabinettskollegin Frau Dr. Zieschang zu besprechen?
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Bitte.
Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Natürlich besprechen wir das. Ich möchte gern einladen. Ich würde es gern sehen, wenn der Landrat und der neue Geschäftsführer zu uns ins Haus kommen würden, um ihre Vorstellungen darzustellen. Vielleicht können wir mit anderen Verbindungen, anderen Krankenhäusern eine Unterstützung leisten.