Andreas Silbersack (FDP):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Brüchau, das Thema Lithium bewegt natürlich Sachsen-Anhalt, aber insbesondere auch den Norden des Landes. Es ist aber eben auch wichtig, dass man die Themen auseinanderzuhalten weiß. Der Antrag allein zielt auf die Diskreditierung eines Unternehmens, und dafür sind wir als FDP nicht zu haben, meine Damen und Herren.
(Wulf Gallert, Die Linke: Hat sich selber diskreditiert!)
Das, was Herr Roi sagt, schnelle Lösungen, mit der AfD wäre es schon längst da, dazu kann ich Ihnen einfach sagen: Wenn Sie auf den Rechtsstaat verzichten wollen, dann können Sie das tun.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Wir können auf den Rechtsstaat nicht verzichten!)
Wir werden es nicht tun. Ganz deutlich!
(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP - Zuruf von der AfD: Sie sind ja bald nicht mehr da! - Frank Otto Lizureck, AfD: Wenn Sie auf Bürokratie verzichten wollen, können Sie es tun!)
Für uns ist klar, dieses Verfahren, es geht darum, die Bürger zu schützen, was Brüchau betrifft.
(Zuruf von der AfD: Macht ihr aber nicht!)
Es steht aber jedem in diesem Staat, in diesem Rechtsstaat, zu, sich gegen Dinge zu wehren. Wenn wir das aufgeben - das sage ich in aller Deutlichkeit - in dem Raum der Legislative, dann überschreiten wir Grenzen. Jeder in diesem Land hat ein Recht, sich zu wehren, egal, ob man ihm etwas vorwirft oder nicht vorwirft. Insofern ist die Diskussion, die wir führen, sagen wir einmal, sehr breit aufzufächern. Es sind die Bürgerinitiative und die Menschen vor Ort, die Sorgen haben wegen dem, was man vor Ort erlebt, und Ängste. Es geht ja um Klärschlämme aus DDR-Zeiten, in wesentlichen Prozentsätzen, zu 72 %. Man muss natürlich einen Umgang damit finden. Es ist unsere Aufgabe als Politik, Wege zu ebnen.
In der vorigen Legislaturperiode, als die FDP nicht im Landtag saß, wurde die Entscheidung getroffen, auszukoffern. Trotzdem kann man gegen einen Entscheid der Legislative rechtsstaatliche Mittel zur Anwendung bringen. Das steht jedem offen. Genau das findet statt. Insofern sollten wir die Zeit nutzen und die Diskussion, um darüber zu reden, was an technischen Möglichkeiten besteht, um tatsächlich den Weg zu gehen.
Natürlich ist es die Verpflichtung von Neptune Energy, die Dinge zu beseitigen. Das ist ihre Verpflichtung. Aber gleichzeitig hat der deutsche Staat im Jahr 1990 die Verpflichtung übernommen, im Rahmen einer Altlastenfreistellung die Unternehmen zu schützen, die genau dieses Eigentum übernommen haben.
Wenn wir das Thema Altlasten und das, was die Unternehmen abzuliefern haben, nicht mehr auseinanderhalten, dann setzen wir im Grunde genommen nur noch auf Themen, die wir nicht wirklich zu Ende gedacht haben. Wir als Land Sachsen-Anhalt müssen die Menschen vor Ort in den Blick nehmen, aber wir müssen eben auch schauen, wie wir das Problem am besten lösen können.
Deshalb - das sage ich ganz ehrlich - sollten wir uns nicht den Möglichkeiten und Wegen verschließen, die das LAGB findet, um vielleicht auf technisch andere Art und Weise eine Lösung zu finden und diesen Weg der Auskofferung für 140 Millionen € nicht zu gehen. Zuvorderst - das ist entscheidend - steht die Sicherheit der Menschen vor Ort, natürlich auch das, was die Interessengemeinschaft vertritt.
Für uns ist aber wesentlich, dass dieses Auseinanderhalten stattfindet. Das kommt mir in der gesamten politischen Diskussion hier ehrlicherweise viel zu kurz. Es gibt auf der einen Seite das Interesse der Menschen vor Ort. Es gibt auf der anderen Seite die Verpflichtung des deutschen Staates oder des Landes Sachsen-Anhalt, die Altlastenfreistellung zu garantieren. Und es gibt die Verpflichtung von Neptune Energy, die Altlastenfreistellung dann tatsächlich umzusetzen.
Das in diesem Antrag mit dem Thema Lithium zu verknüpfen, was unser Land signifikant nach vorn bringt - signifikant; denn wir müssen Lithium dann nicht mehr aus Chile importieren, sondern wären resilienter, was eigene Rohstoffe betrifft , ist unlauter, meine Damen und Herren. Das tragen wir definitiv nicht mit.
Wir können hier nicht ein Unternehmen in den Senkel stellen, das auf jeden Fall Verpflichtungen trägt, das aber eben auch Chancen für das Land und Arbeitgeber vor Ort bringt. Insofern bitte ich darum - es wurde in der Koalition so entschieden , dass wir diesen Antrag überweisen und darüber im Wirtschafts- und im Umweltausschuss diskutieren. Aber wir sollten uns immer ins Stammbuch schreiben, dass Legislative, Exekutive und Judikative für sich stehen; sie sind für sich allein verantwortlich. Sie müssen voneinander getrennt betrachtet werden.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Silbersack, Sie müssten bitte zum Ende kommen. Es gibt aber drei Nachfragen, und zwar von Herrn Hövelmann, von Frau Frederking und von Herrn Gallert. Ich nehme an, Sie wollen sie zulassen?
Andreas Silbersack (FDP):
Ja, klar.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Dann fängt Herr Hövelmann an. - Rechts noch? Das ist dann aber eine Kurzintervention? - Ja, dann kommen Sie hinterher an die Reihe. - Jetzt hat erst einmal Herr Hövelmann das Wort.
Holger Hövelmann (SPD):
Vielen herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Kollege Silbersack, ich habe zwei Fragen. Die erste lautet: Ist Ihnen bekannt, dass sich der Landtag mit seinem Beschluss aus der vergangenen Legislaturperiode auch dazu bekannt hat, dass für den Fall, dass die Mittel des Unternehmens für den Teil, für den das Unternehmen zuständig ist, und die dann zu ziehenden Mittel der Landesanstalt für Altlastenfreistellung nicht ausreichen, um das Gesamtprojekt zu finanzieren, Mittel aus dem Landeshaushalt zur Verfügung gestellt werden müssen? - Das ist die erste Frage.
Die zweite Frage, die ich habe, bezieht sich auf die Vertrauenssituation dem Unternehmen gegenüber. Sie haben ja durchaus nachvollziehbar kritisch dargestellt, wie das Unternehmen handelt. Das Unternehmen hat uns, dem Land, dem Landtag vor Jahren in mehreren Sitzungen erklärt, dass alles, was in der Giftgrube Brüchau ist, nicht giftig oder nicht so giftig sei, dass man es entsorgen müsste.
Und jetzt, nachdem man die Auflage bekommen hat, das zu entsorgen, das auszukoffern, kommt das Argument genau gegenteilig: Es sind so giftige Bestandteile darin, dass man sie nicht sicher entsorgen kann. Können Sie nachvollziehen, dass diese Argumentationswendungen durchaus an der Glaubwürdigkeit eines Unternehmens Zweifel lassen können?
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Silbersack.
Andreas Silbersack (FDP):
Selbstverständlich; widersprüchliche Aussagen geben immer Anlass zu glauben, dass es möglicherweise an der Glaubwürdigkeit des Unternehmens mangelt; das ist überhaupt keine Frage. Aber für mich ist wichtig, dass wir die Themen auseinanderhalten. Wir müssen die Themen der Legislative, der Judikative und der Exekutive auseinanderhalten. Ich habe den Eindruck, dass genau das in der Diskussion miteinander vermengt wird.
Deshalb sage ich auch: So wie jeder Mensch in einem Strafprozess die Möglichkeit hat, sich zu verteidigen, so besteht in jedem Verwaltungsprozess die Möglichkeit, sich mit seinen Argumenten zur Wehr zu setzen.
Dass wir, die Legislative, politisch sagen, wir haben ein Interesse und wollen das Interesse umsetzen und das vielleicht auch entsprechend finanziell untersetzen, ist eine völlig andere Geschichte. Das steht dem Landtag selbstverständlich offen. Aber ich möchte einfach vermeiden, dass man die Dinge in einen Topf wirft und nicht voneinander trennt.
Zu der anderen Frage. Dass die Komplementärfinanzierung damals durch die vorhergehende Landesregierung, den Landtag definiert wurde, ist mir durchaus bewusst.
(Marco Tullner, CDU, verlässt telefonierend den Plenarsaal)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Tullner, das geht aber nicht, dass Sie hier so laut telefonieren.
(Lachen bei der CDU - Zuruf)
Herr Silbersack.
Andreas Silbersack (FDP):
Es ändert aber nichts daran, dass man selbstverständlich den Rechtsweg beschreiten kann.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Entschuldigung, Herr Silbersack. - Die nächste Frage kommt von Frau Frederking.
Dorothea Frederking (GRÜNE):
Jetzt hat Herr Roi so viele Drucksachennummern genannt, aber nicht alle. Ich will eine ergänzen. In der Drs. 6/4392,
(Tobias Rausch, AfD: Sie kann sich nur auf die Rede beziehen!)
das ist eine Kleine Anfrage zur Finanzierung
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Langsam! Es ist eine Nachfrage von Frau Frederking. Sie leitet sie jetzt ein und wird gleich eine Frage an Herrn Silbersack stellen.
(Tobias Rausch, AfD: Die Nachfrage kann sich nur auf den Redebeitrag beziehen!)
- Nein, sie kann ihre Nachfrage auch dann einleiten, wenn sie möglicherweise auf Ihre Kleine Anfrage Bezug nehmen will. Auch das kann sie machen.
(Zurufe von der AfD - Tobias Rausch, AfD: Das ist das Problem!)
Frau Frederking wird jetzt eine Nachfrage an Herrn Silbersack stellen zu seinem Redebeitrag.
(Zustimmung)
Dorothea Frederking (GRÜNE):
Herr Silbersack, Sie erwähnten ja die Altlastenfreistellung. Und in dieser Kleinen Anfrage, deren Drucksachennummer ich genannt habe auch für das Protokoll - darin können Sie das nachlesen , heißt es, dass die Maßnahmen zur Stilllegung im Rahmen des bergrechtlichen Abschlussbetriebsplanverfahrens zu 90 % vom Land und zu 10 % vom Unternehmen bezahlt werden müssen. Dabei spielt auch das Verfahren der Altlastenfreistellung eine Rolle. Das Landesamt für Altlastenfreistellung, das LAV, weigert sich, die Kosten für die Auskofferung zu übernehmen. Meine Frage ist: Wie werten Sie das?
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Silbersack, bitte.
Andreas Silbersack (FDP):
Ich könnte jetzt natürlich viel über den Rechtsstreit ausführen. Ich kann Ihnen aber eines sagen: Das LAV weigert sich, die Kosten zu übernehmen, mit der Begründung, dass nicht das Land Sachsen-Anhalt zuständig ist, sondern der Bund. Das heißt, wir reden hierbei über einen Rechtsstreit zwischen dem Land und dem Bund darüber, wer die Zuständigkeit für diese Altlast hat. Das ist die einfache Antwort.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Es folgt Herr Gallert mit seiner Frage.
Wulf Gallert (Die Linke):
Herr Silbersack, wir haben in der Bundesrepublik Deutschland, was die Zertifizierung von Unternehmen anbelangt, z. B. bei der Erfüllung von verschiedenen Kriterien, durchaus eine sehr gängige Praxis. Beispielsweise werden Unternehmen untersucht und kontrolliert, ob sie bestimmte Umweltstandards einhalten und dann kriegen sie ein Zertifikat. Mit diesem Zertifikat können sie werben, bzw. sich bei öffentlichen Auftraggebern bewerben.
Das ist ein ganz übliches Verfahren, dass man Unternehmensbewertungen vornimmt, die das Unternehmen insgesamt charakterisieren. Insofern, finde ich, ist es völlig absurd zu sagen, wenn die sich nicht an unsere Auflagen halten bei der einen Frage, nämlich bei der Giftschlammgrube, dann hat das gar nichts damit zu tun, ob sie ein vertrauenswürdiges Unternehmen beim Lithiumabbau sind.
Wir haben solche Zertifizierungen überall. Die können Sie auch nicht grundsätzlich immer gerichtlich überprüfen. Deswegen ist eine Charakterisierung eines solchen Unternehmens durch sein Verhalten, finde ich, völlig legitim.
Und kurz noch eine zweite Geschichte. Was glauben Sie, in welchem Zeithorizont und mit welcher Technologie dieser Lithiumabbau, um den es hier geht, dort erfolgreich umgesetzt werden soll, sodass wir diese Rohstoffe wirklich für die Batterieproduktion kriegen können? Was meinen Sie? Welche Informationen haben Sie dazu?
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Silbersack, bitte.
Andreas Silbersack (FDP):
Das Lithium befindet sich nicht in einer Tiefe von 2 m unter der Erde, sondern wir reden über mehrere Tausend Meter. Das ist also an das Thema Geothermie gekoppelt. Natürlich wird uns das über die nächsten Jahrzehnte betreffen; das ist überhaupt keine Frage.
Aber es ist ja Teil einer Strategie, wie das Land sich zukunftsfähig aufstellen möchte. Wir wissen, dass wir uns bezogen auf das Thema Rohstoffe in einer sich durchaus verändernden Situation befinden. Deshalb ist das meines Erachtens ein richtiger und gangbarer Weg, sich dem Thema Lithium zu stellen, natürlich mit allen Betrachtungen, die dabei erforderlich sind.
Ich möchte noch einmal auf das Thema der Zertifizierung eingehen. Ich weiß jetzt nicht, welche Zertifizierung Sie meinen; es gibt ja ganz verschiedene Zertifizierungen. Das schließt natürlich nicht die Möglichkeiten aus, den Rechtsstaat auszureizen und das, was dabei möglich ist. Das heißt doch nicht, dass ich etwas gut oder schlecht finde. Aber Unternehmen den Rechtsweg abzuschneiden, das finde ich schwierig. Deshalb sollten wir als Legislative, wenn wir die Diskussion schon führen, immer sehr vorsichtig mit der Frage sein, ob jemand einen Anspruch darauf hat, sich gegen etwas zu verteidigen oder nicht.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Jetzt kommt die Kurzintervention von Herrn Lizureck.
Frank Otto Lizureck (AfD):
Schönen Dank für die Zulassung. - Vorab möchte ich sagen, wir sind natürlich auch für die Rohstoffförderung im eigenen Land und damit auch für die Wertschöpfung.
Herr Silbersack, Sie sagten, dass wir quasi durch die Lithiumförderung dort auf den Import aus China verzichten könnten.
(Guido Kosmehl, FDP: Chile, nicht China!)
Haben Sie denn schon Größenordnungen? Wissen Sie denn schon, wie viel dort gefördert wird oder haben Sie sich das jetzt nur ausgedacht?
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Silbersack.
Andreas Silbersack (FDP):
Ich denke mir eigentlich selten etwas aus, sondern ich gehe mit den Dingen um, die ich als Informationen zugetragen bekomme. Hier ist es so, dass mir die Information zugetragen wurde, dass die Lithiumvorkommen in dem Bereich der Altmarkt mit zu den größten in Europa gehören. Dass das natürlich mittelfristig dazu führt, dass wir weniger aus Chile importieren müssen, ist für mich wirtschaftlich logisch und bei den insgesamt international unsicheren Zeiten durchaus auch nachvollziehbar.