Chris Schulenburg (CDU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Der geneigte Leser des Maßnahmenpaketes fragt sich natürlich als Erstes, was ist denn aus dem großen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus, den Frau Faeser bereits 2022 vorgestellt hat, geworden.
Jetzt werden teilweise die gleichen Forderungen in eine neue Öffentlichkeitskampagne gesteckt - im Kern nicht Neues und nichts Konkretes. Wo sind denn wichtige Maßnahmen, z. B. die Speicherpflicht von IP-Adressen oder die Online-Durchsuchung? Das wäre ein großer Wurf im Kampf gegen Extremismus gewesen. Aber gehen wir einmal in die einzelnen Maßnahmen hinein.
Erstens. Resilienz der Demokratie stärken. - Das hört sich erst einmal hochtrabend an. Wenn es um etwas Konkretes geht, formuliert man lieber einen Prüfauftrag. Man will prüfen, welche Instrumente der wehrhaften Demokratie sinnvoll genutzt oder nachgeschärft werden können, um die Verfassungsordnung vor Gefahren zu schützen.
Zweitens. Am besten gefällt mir dieses Paket „Ganzheitlicher Ansatz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus“. Darin schreibt man tatsächlich, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die Datenübermittlungsbefugnisse verstärkt nutzen wird. Man formuliert eine Selbstverständlichkeit in diesem Papier.
(Zustimmung bei der CDU)
Es ist verdammt noch einmal deren Aufgabe, die Befugnisse, die das Parlament gegeben hat, zu nutzen. Das ist nicht wirklich etwas Neues.
Schön ist auch die Aussage, man wolle Landesbehörden sensibilisieren.
(Guido Kosmehl, FDP, lacht)
Darauf haben unsere Landesbehörden, die Sicherheitsbehörden unseres Landes tatsächlich gewartet.
(Guido Kosmehl, FDP: Das kann aber nicht schaden!)
Drittens. Finanzquellen rechtsextremistischer Netzwerke austrocknen. - Wir sind wirklich gespannt, was bei der avisierten Reform des Nachrichtendienstes tatsächlich herauskommt. Denn es reicht eben nicht aus, die Finanzquellen nur trocken zu legen, sondern man muss auch die Finanzströme und die Verknüpfungen im Bereich der organisierten Kriminalität aufdecken. Dafür brauchen wir gute Befugnisse.
Viertens. Transnationale Netzwerke stören. - Auch hier nur ein Hinweis auf schon rechtlich mögliche Ein- und Ausreiseverhinderungen und Aufenthaltsverbote. Es wäre ratsam gewesen, an dieser Stelle z. B. näher auf die Stärkung und Erweiterung von Befugnissen von Europol einzugehen.
Fünftens. Hass im Netz bekämpfen. - Es heißt, die bereits gut etablierte Struktur der zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet des BKA, ZMI, sei zu nutzen und weiter auszubauen. Kein Wort davon, Hass, Hetze und Gewalt im Internet meist nicht von Amts wegen verfolgt werden und verfolgt werden können, da es sich um Privatklage- und Antragsdelikte handelt.
Sechstens. Ausländischer Einflussnahme und Desinformation entgegenwirken. - Das BMI will eine Früherkennungseinheit aufbauen, um früh und selbstständig Desinformationen zu erkennen. Der Fakt allein ist ja schon fast eine Desinformation.
(Detlef Gürth, CDU, lacht)
Das ist nämlich wie bisher wenig Konkretes. Wer soll es denn machen? Verwaltungsmitarbeiter im Ministerium, BKA, Bundespolizei, Verfassungsschutz, eine neue Behörde? - Mehr Fragen als Antworten zu diesem Punkt.
Siebtens. Verfassungsfeinde aus dem öffentlichen Dienst entfernen. - Hiermit will man nicht die Demokratie stärken, sondern die Rechtsstaatlichkeit abschaffen.
(Andreas Schumann, CDU: Ja!)
Um eine deutliche Beschleunigung der Verfahren zu erreichen, sollen künftig alle Disziplinarmaßnahmen gegen Beamte einschließlich der statusrechtlichen Entfernungen und andere statusrelevante Disziplinarmaßnahmen durch Disziplinarverfügungen ausgesprochen werden. Disziplinarklageverfahren vor Gericht sollen entfallen. Wenn es im Einzelfall eine klare Beweislage dafür gibt, dass es sich bei dem Beamten um einen Verfassungsfeind handelt, dann sind in unserem Staat unabhängige Gerichte zuständig und keine politischen Akteure in den Behörden und Ministerien.
(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)
Das ist ein Schlag gegen den öffentlichen Dienst. Man braucht sich doch nur einmal den Fall des geschassten BSI-Chefs Schönbohm anschauen.
(Zuruf von der AfD: Ja!)
Es reicht ein Böhmermann-Bericht im ZDF aus und schon wird der Beamte vor die Tür gesetzt. So wird es dann vielleicht in der Praxis aussehen.
(Zuruf von Jan Scharfenort, AfD)
Achtens. Rechtsextreme Netzwerke zerschlagen. - Wieder ein Hinweis auf bestehendes Recht. Man will zukünftig weitere Vereinsverbote prüfen. - Na herzlichen Glückwunsch, das ist nicht wirklich etwas Neues in unserem Land.
(Guido Kosmehl, FDP: Haben wir schon ausgesprochen!)
Ja, aber es ist doch nichts Neues, sehr geehrter Herr Kosmehl.
Neuntens. Rechtsextremisten konsequent entwaffnen. - Fakt ist, dass die größte Gefahr von illegalen Waffen und nicht von legalen Waffen ausgeht.
(Beifall bei der CDU, bei der AfD und bei der FDP - Zuruf von der AfD: Richtig!)
Illegale Waffen sollte man verstärkt in den Fokus rücken. Für Schützen und Jäger brauchen wir keine politischen Generalverdächtigungen in diesem Land.
(Zustimmung bei der CDU, bei der AfD und bei der FDP - Lothar Waehler, AfD: Endlich mal vernünftig!)
Dafür, dass eine Person tatsächlich rechtsextremistisch ist, müssen belastbare Tatsachen vorliegen. Ein Verdacht oder gelegentlich populistische Äußerungen reichen eben nicht aus. Andernfalls erhält man vor Gericht nämlich eine Klatsche und der vermeintliche Rechtsextremist feiert sich als Opfer des Staates. Für den Entwurf zur Reformierung des Waffenrechts - der Kollege sagte es schon - gibt es gar keine Einigung. Warum schreibt man das also als neue große Maßnahme in dieses Paket hinein?
Zehntens. Demokratieförderung stärken. - Zunächst einmal müssen wir mit den zur Verfügung stehenden Steuermitteln die Kernaufgaben des Staates absichern. Dass es haushaltspolitische Fehlstellungen gibt, haben wir durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erlebt. Irgendwelchen Vereinen das hart erarbeitete Steuergeld in den Rachen zu werfen, nach dem Motto, macht mal ein bisschen Demokratie in diesem Land, funktioniert eben nicht.
(Beifall bei der CDU)
Es sind freiwillige Aufgaben. Grundsätzlich müssen wir uns fragen, was wir uns überhaupt noch leisten können und was Priorität in unserem Lande hat. Wenn jetzt wieder auf der Ebene der Staatssekretäre neue Ansätze entwickelt werden sollen, dann habe ich schon meine Bauchschmerzen.
Elftens. Sport mit Haltung gegen Rechtsextremismus. - In diesem Punkt geht es wieder um Steuergelder für Förderprogramme und Forschung sowie um den neuen Vereinspreis „Sport mit Haltung“. Anstatt neue Förderprogramme aufzulegen, brauchen wir eine gute Zusammenarbeit und Vernetzung mit den lokalen Sicherheitsbehörden. Die deutsche Interpretation der europäischen Datenschutzverordnung ist vorrangig Täterschutz und nicht Opferschutz. Sie verhindert oftmals Prävention und Gefahrenabwehr. Das wird gerade in den Bereichen Kinder- und Jugendschutz und auch im Bereich sexueller Missbrauch besonders deutlich.
Zwölftens. Antisemitismus entgegentreten. - Nach dem Überfall der Hamas auf Israel erleben wir einen erstarkten Antisemitismus auf unseren Straßen. Wirklich helfen würde es, wenn wir jede Form von Antisemitismus bekämpfen, egal von links, von rechts oder den importierten Antisemitismus.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung bei der AfD)
Dazu muss man in der Migrationspolitik so einiges ändern.
Zu guter Letzt. Angegriffenen Demokraten und Demokraten den Rücken stärken. - Man verweist an dieser Stelle lediglich auf die neu gegründete Ansprechstelle zum Schutz kommunaler Amts- und Mandatsträger, die lediglich eine Lotsenfunktion hat, aber keine Sicherheit bietet.
Auf den direkten Austausch in Form eines dauerhaften Dialogformates wird auch noch einmal hingewiesen. - Na herzlichen Glückwunsch. Kein Wort darüber, dass Strafverfahren wegen mangelnden öffentlichen Interesses oder wegen Geringfügigkeit eingestellt werden. Da hätte man ansetzen können.
Also nichts Neues im Kern. Das zieht sich ein bisschen wie ein roter Faden durch dieses gesamte Maßnahmenpaket. Ein schönes Hochglanzpapier, oder, wie es mein ehemaliger geschätzter Kollege aus der Lutherstadt Wittenberg Frank Scheurell immer sagte: Haarwasser ohne Duft.
(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD, lacht)
Herzlichen Dank.