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Plenarsitzung

Transkript

Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In unserem Bildungssystem stellen sich aktuell viele Herausforderungen. Es mangelt an Sturm und Drang bei der Digitalisierung und bei der Modernisierung pädagogischer Konzepte. Es gibt zu wenige Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter. Diese Liste könnte ich lange weiterführen.

Die größte Herausforderung aber, und das mit weitem Abstand, ist der anhaltende Lehrkräftemangel. Je nach Berechnungen werden bis 2030 bundesweit zwischen 14 000 und 81 000 Lehrkräfte fehlen. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie viele Unterrichtsstunden dadurch wöchentlich in Schulen in Deutschland ausfallen werden. Jede ausgefallene Unterrichtsstunde verringert Bildungschancen, worunter insbesondere Kinder und Jugendliche und damit natürlich auch unsere Gesellschaft leiden.

Neben Fehleinschätzungen in den letzten Jahren zur Entwicklung der Zahl junger Menschen in unserem Land und neben verschiedenen Sparmaßnahmen, ist eine Ursache auch, dass der Lehrberuf besonders in Sachsen-Anhalt ziemlich unattraktiv ist. Lehrerinnen und Lehrer haben hier im Land aufgrund des besonders hohen Ausmaßes des Lehrkräftemangels mit einer sehr großen Arbeitsbelastung zu kämpfen. Sie müssen regelmäßig Überstunden machen und tragen dabei einen wichtigen Teil der Verantwortung für die Gestaltung der Zukunft von Kindern und Jugendlichen. Welchen großen Druck das auf die engagierten Lehrkräfte in unserem Land ausübt, liegt auf der Hand.

Folgen des großen Leistungsdrucks können nicht nur Überlastung, Stress und Gereiztheit sein, sondern er kann auch zu schwerwiegenden Krankheiten führen. Es ist wichtig und bemerkenswert, dass sich die Lehrkräfte dennoch Tag für Tag ihren Aufgaben und Pflichten an den Schulen stellen. Deswegen möchte ich an dieser Stelle im Namen meiner gesamten Fraktion einen großen Dank an jede Lehrerin und jeden Lehrer in unserem Bundesland richten für den tagtäglichen Einsatz für die Bildung der jungen Menschen in Sachsen-Anhalt unter oft schwierigen Bedingungen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Um den Lehrkräftemangel erfolgreich zu bekämpfen, müssen wir als Land neue Wege gehen und dürfen nicht davor zurückschrecken, jede mögliche Maßnahme zu nutzen. Bisher zeigen die Koalitionsfraktionen und die Landesregierung trotz der äußerst akuten Lage wenig Ambitionen, mit vollem Einsatz dem Lehrkräftemangel entgegenzutreten.

Die bisherigen Vorschläge zum Umgang mit der jetzigen Situation gleichen eher dem Umgang mit oder sogar der Kapitulation vor der Problematik. Anstatt den Lehrkräftemangel direkt an der Wurzel anzupacken, geht es um Symptome: Verkürzung von Unterrichtsstunden oder gleich ein ganzer Tag weniger im Präsenzunterricht in der Woche. Jetzt sollen neuerdings sogar die Eltern einspringen und den Unterricht dort übernehmen, wo Lehrkräfte fehlen.

Wenn man es wirklich ernst meint mit der Bekämpfung des Lehrkräftemangels, dann darf man nicht nur die aktuelle Situation verteilen. Man muss vor allem eins machen, nämlich den Beruf der Lehrerin und des Lehrers attraktiver gestalten, und zwar von Beginn an. Wir Bündnisgrüne wollen Ihnen, liebe Koalitionsfraktionen, und natürlich der Landesregierung ganz im Sinne einer Service-Opposition mit unserem Antrag Maßnahmen vorschlagen, die genau das erreichen könnten.

Zuallererst müssen wir Anreize schaffen für genau die Lehrerinnen und Lehrer, die gerade ihre Ausbildung beendet haben, in Sachsen-Anhalt zu bleiben oder hierherzukommen und hier zu unterrichten. Wir alle wissen, dass aus unterschiedlichsten Gründen bestimmte Fächer, Schulformen und Regionen in Sachsen-Anhalt besonders stark vom Lehrerinnenmangel betroffen sind und besonders unbeliebt sind. Genau für diese Bereiche braucht man eine Lenkungswirkung, damit wir neu ausgebildete Lehrkräfte dazu bewegen, in Mangelfächern und an bestimmten Schulformen, wie Sekundarschulen, zu unterrichten, die besonders stark vom Lehrkräftemangel betroffen sind. Natürlich müssen wir Lehrerinnen und Lehrer auch dazu motivieren, an Schulen in unseren ländlichen Räumen zu unterrichten.

Gleichzeitig haben die aktuellen Fluchtbewegungen und die sich ständig verändernde Gesellschaft gezeigt, dass wir mehr denn je auch Lehrkräfte an unseren Schulen brauchen, die bestimmte Kompetenzen im Bereich Vielfalt und Integration haben. Deswegen schlagen wir Bündnisgrüne vor, dass für mindestens fünf Jahre Sonderzuschläge in Höhe von 10 % des Einstiegsgehaltes von neu eingestellten Lehrkräften eingeführt werden, wenn diese sich entscheiden, in diesen Mangelfächern oder an bestimmten Schulformen oder in bestimmten Regionen zu unterrichten oder bestimmte Vielfalts- und Integrationskompetenzen haben.

Wir fordern auch, dass neu eingestellte Lehrkräfte diese Zuschläge unabhängig davon erhalten, ob sie sich verbeamten lassen wollen oder nicht, ob sie sich entscheiden, an freien oder öffentlichen Schulen zu arbeiten, oder ob sie den Weg des Seiten- oder des Quereinstiegs wählen.

Übrigens ergibt es auch Sinn und ist vor allem eine Frage der Gerechtigkeit, solche Sonderzuschläge auch für das Gehalt von Lehrkräften in Abordnung zu gewähren. Diese Zuschläge sollten unserer Vorstellung nach genau den Lehrkräften gezahlt werden, die eine oder mehrere der genannten Voraussetzungen erfüllen. Natürlich müssen dafür die bisher geltenden Landesbesoldungs- und Tarifregelungen entsprechend weiterentwickelt werden. Wir glauben ja nicht, dass das dann schon morgen so der Fall sein wird.

Uns Bündnisgrünen ist natürlich bewusst, dass es bereits Sonderzuschläge für schwer zu besetzende Stellen in unserem Bundesland gibt. Im Moment werden die aber erst gezahlt, wenn Stellen bei der Ausschreibung einmal oder mehrmals unbesetzt bleiben. Wir halten es für nicht ausreichend motivierend, unbesetzte Stellen erst nach zwei oder drei frustrierenden Einstellungsrunden mit einem Bonus zu pimpen.

Wir wollen mit unserem Vorschlag vermeiden, dass diese Stellen überhaupt erst unbesetzt bleiben. Sachsen-Anhalt kann sich in der akuten Situation Einstellungsleerrunden einfach nicht mehr leisten. Wir kämpfen damit für eine Lenkungswirkung von Lehrkräften in genau die Bereiche, in denen sie am allerdringendsten gebraucht werden, und zwar von Beginn an.

Natürlich fordern wir mit unserem Antrag auch Maßnahmen, die den Lehrberuf auch für diejenigen Lehrkräfte attraktiver gestalten, die schon jetzt im Dienst sind. Denn das sind zum Glück nicht wenige.

Die Einführung von Arbeitszeitkonten für alle Lehrkräfte ist eine Forderung, die wir schon in der letzten Legislaturperiode lang und breit diskutiert haben. Damit kann das Schulpersonal, insbesondere die Lehrkräfte, flexibel Überstunden ansparen und dann selbstständig entscheiden, wann und wie sie diese verwenden: für ein verlängertes Wochenende, für ein Sabbatical, für Teilzeit in besonderen Lebensphasen oder auch für den früheren Ruhestand.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Auch Sie, liebe Koalitionsfraktionen, setzen sich in Ihrem Koalitionsvertrag für die Einführung von Arbeitszeitkonten ein und auch unsere Bildungsministerin hat in einem „Volksstimme“-Interview erklärt, diese Arbeitszeitkonten stünden in den Startlöchern. Prima, dann können wir das ja heute beweisen und als Landtag gemeinsam dieses Anliegen mit der Zustimmung zu unserem Antrag bestärken.

(Zuruf von Frank Bommersbach, CDU)

- Aber jetzt ist es ganz offensichtlich ein gemeinsames Anliegen.

(Frank Bommersbach, CDU: Aber da kam ja nichts von euch!)

Neben den Arbeitszeitkonten brauchen wir in Sachsen-Anhalt auch ein Budget für Vertretungslehrkräfte, das die Schulen direkt vor Ort flexibel einsetzen können, falls Lehrkräfte kurzfristig oder langfristig ausfallen. Damit können die Schulen vor Ort selbstständig entscheiden, welche Bedarfe sie gerade haben und wen sie dafür vertretungsweise einstellen wollen.

Die Mittel für dieses Budget, genau wie für die Sonderzuschläge auf das Gehalt von neu eingestellten Lehrkräften oder bei Abordnung, sind übrigens bereits vorhanden. Schließlich haben wir   darüber sprechen wir heute   zahlreiche unbesetzte Lehrkräftestellen, für die Mittel im Haushalt bereitgestellt wurden. Anstatt die Mittel also einfach in den Landeshaushalt zurückfließen zu lassen, sollten wir genau diese Mittel verwenden, um die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen zu finanzieren.

Ich möchte an der Stelle auch noch ein weiteres Thema ansprechen. Es ist eine langjährige Forderung von uns, die nicht Teil des vorliegenden Antrages ist, aber eben heute auch wieder hochaktuell ist.

Wir haben davon abgesehen, unsere Forderung nach A 13 bzw. E 13 für Grundschullehrkräfte in den Antrag aufzunehmen. Sie ist Ihnen sattsam bekannt. Auch heute findet   das wurde auch schon erwähnt   wieder eine begleitende Kundgebung der GEW statt, die genau wie wir Bündnisgrüne schon lange für die Einführung von A 13 bzw. E 13 für Grundschullehrkräfte kämpft.

Ich möchte den Demonstrierenden, allen Grundschullehrenden, alle denen, die es in Sachsen-Anhalt noch werden wollen, und auch unserer Bildungsministerin versichern, dass wir Bündnisgrüne weiterhin an unserer Forderung nach einer Anpassung der Gehälter von Grundschullehrkräften festhalten. Sie, liebe Frau Feußner, haben uns fest an Ihrer Seite, wenn es um diese wichtige Frage geht, die Sie in dem „Volksstimme“-Interview auch zu Ihrer Sache gemacht haben. - Toll, das ist jetzt unsere gemeinsame Sache.

Wir werden uns weiterhin bei den Verhandlungen zum Landeshaushalt für die Anhebung der Einstiegsgehälter von Grundschullehrkräften einsetzen, weil auch das eine Frage der Gerechtigkeit ist.

Der Lehrkräftemangel ist das dramatischste Problem in den Schulen in Sachsen-Anhalt und wirkt sich unmittelbar auf die Zukunft der Kinder und Jugendlichen und damit auch auf die Zukunft unseres Bundeslandes aus. Die Lösung des Problems muss die oberste Priorität für uns alle hier im Plenum haben. Gerade in dem Bereich können wir es uns nicht leisten, knauserig zu sein.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)

An Bildung sparen heißt an Zukunft sparen. Alle demokratischen Fraktionen müssen zur Bewältigung des Lehrkräftemangels an einem Strang ziehen. Es ist dringend geboten, die Arbeitsbedingungen und Entgelte für unsere Lehrkräfte an den Schulen zu verbessern. Wir haben keine Zeit mehr abzuwarten. Wir müssen jetzt gemeinsam entschlossen handeln. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.