Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Transkript

Henriette Quade (DIE LINKE):

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Erben hat es völlig richtig gesagt und auch ich möchte es am Anfang sehr deutlich sagen: Wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten sollten, dass im Uniklinikum Magdeburg missbräuchlich Daten abgefragt wurden, dann ist dies völlig unabhängig davon, wofür sie verwendet wurden und zu welchem Zweck sie abgefragt wurden, ein massives Problem, mit dem wir uns beschäftigen müssen, und zwar an unterschiedlichen Stellen.

(Zustimmung)

Insofern gehört der Punkt natürlich auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Innenausschusses. Über ihn muss auch im Aufsichtsrat beraten werden. Wir müssen uns das natürlich anschauen. Denn es stehen wirklich viele Fragen im Raum: von der Frage des Zugangs zu Meldedaten über die offenbar nicht notwendige Begründung für solche Abfragen bis hin zu der Erfassung der Zugriffe. Es geht um die Kontrollinstanzen an der Stelle, an der die Daten abgerufen werden und die es nicht zu geben scheint, sowie um die Einbindung der Behörde des Datenschutzbeauftragten in die Entwicklung eines datenschutzkonformen Umgangs mit der besonderen Befugnis, in sämtlichen Meldedaten der Bundesrepublik Einsicht zu nehmen, die ich auch   diesbezüglich gebe ich Ihnen Recht, Herr Erben   verblüffend finde. Das reicht auch bis hin zu der Frage, warum die Zahl derer, die Zugriff auf diese Daten haben, eigentlich nur ungefähr beziffert werden kann. Außerdem geht es um die Frage, wieso die Klinik nicht sofort die Behörde des Datenschutzbeauftragten informiert hat, nachdem sie von dem Vorwurf des Datenmissbrauchs erfahren hat.

All das müssen wir uns anschauen.

Natürlich zeigt sich an dieser Stelle erneut, wie schwerwiegend und wie folgenreich es ist, dass die letzte Landesregierung es weder geschafft hat, die Stelle des Landesbeauftragten für den Datenschutz zu besetzen, noch die Behörde im Übrigen, insbesondere personell, so auszustatten, dass sie den Anforderungen, die an sie gestellt werden, gerecht werden kann.

(Beifall)

Was die AfD - hier allerdings wenig überraschend - mit dieser Aktuellen Debatte macht, ist, Tatsachenfeststellungen zu treffen, für die es bisher keine Belege gibt,

(Zuruf: Klar gibt es die!)

Vorverurteilungen vorzunehmen, die die Unschuldsvermutung absichtsvoll ignorieren, und eine politische Legende zu stricken, die schlichtweg jeder faktischen Grundlage entbehrt, dafür aber um so besser ins politische Programm passt. Das ist wenig überraschend, stammen zentrale Teile der Begründung aus dem rechtsextremen „Compact“-Magazin. Die Partei, die die Datenschutz-Grundverordnung abschaffen will, schwingt sich hier also zur Hüterin des Datenschutzes auf. Sie selbst beschreibt ihre Sicht auf den Datenschutz mit den Worten - ich zitiere -:

„In der Vergangenheit hat ein ideologisch motiviertes, übertriebenes Maß an Datenschutzmaßnahmen die Sicherheitsbehörden gelähmt und unverhältnismäßig bürokratisiert.“

und stellt ihn damit generell als Sicherheitsproblem dar.

Es ist dieselbe Partei, die ein denunziatorisches Meldeportal für nicht rechte Lehrerinnen und Lehrer installierte mit groben Verstößen gegen Datenschutzrichtlinien, das nur aufgrund ihrer besonderen Stellung als Fraktion dieses Hauses nicht wie das Meldeportal in Mecklenburg-Vorpommern verboten werden konnte, weil es schlichtweg illegal war. Insofern ist das Bemühen um den Datenschutz in keiner Weise glaubhaft.

Schlichtweg nicht erwiesen ist die Darstellung im Begründungstext im Antrag auf diese Aktuelle Debatte. Ich bin mir sehr sicher, dass auch dies kein Versäumnis und keine unglückliche Formulierung ist, sondern das Kerngeschäft der AfD, nämlich das treuen einer politischen Erzählung, die als Fakt verkauft wird.

(Beifall)

Die AfD nennt die beschuldigte Person zwar Verdächtige, macht sie aber zugleich zur Verurteilten, indem sie schreibt, dass die Person ihren Zugang zum Melderegister - ich zitiere - missbrauchte, um Daten an gewalttätige Linksextreme zu geben. Dies ist eine unzulässige Vorwegnahme eines möglichen Ausgangs der Ermittlungen und eines entsprechenden Verfahrens vor Gericht, und zwar gleich doppelt; denn es geht um zwei Verfahren, deren Ausgang hier vorweggenommen wird. Das ist kein Fakt, sondern ein Verdacht. Ein Urteil, das diesen Verdacht bestätigen könnte, gibt es nicht, und wenn, dann hat das Urteil ein Gericht zu fällen, jedoch nicht die AfD.

Was es gibt, ist das Urteil des Arbeitsgerichtes Magdeburg, das im Sommer die Kündigung der beschuldigten Mitarbeiterin zu verhandeln hatte. Es stützt die Behauptung von AfD und „Compact“ nicht, im Gegenteil. Die „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 13. Oktober schreibt und zitiert aus dem Urteil, die Uniklinik habe weder für eine unerlaubte Abfrage noch für eine Weitergabe der Daten Beweise vorgelegt. Die gekündigte Person war nämlich nicht die einzige Person, die Zugriff auf den Account hatte, von dem aus die strittige Datenabfrage erfolgt ist.

(Beifall - Zuruf: Sie etwa auch?)

Die dienstlichen Zugänge sind offensichtlich nicht zweifelsfrei bestimmten Personen zuzuordnen. Welche Daten von wem abgerufen wurden, wird vor Ort - so die „Mitteldeutsche Zeitung“ - nicht mal erfasst.

Und ja - ich sagte es eingangs -, es wirft einige Fragen auf. Das Datenmanagement der Uniklinik wirft mehr als eine Frage auf. Das muss umfassend aufgeklärt werden.

(Beifall)

Diese Debatte braucht es dazu nicht.

Weiterhin behauptet die extreme Rechte hier im Haus -  auch das ist weder neu noch überraschend -, es stehe zu befürchten - Zitat - „, dass Verbindungen […] linksextremer Gewalttäter bis in Stellen des öffentlichen Dienstes in Sachsen-Anhalt bestehen“. Meine Damen und Herren! Selbst wenn sich alle Vorwürfe gegen die Verdächtige bewahrheiten würden, wäre diese Befürchtung ausgemachter Unsinn. Es gibt keine linksextremen Netzwerke in den Behörden dieses Landes.

(Lachen - Zuruf: Sie müssen es ja wissen! - Weitere Zurufe)

Aber natürlich, „Je reißerischer, desto besser“ ist die altbekannte Devise der AfD auch hier im Hause. Unter einem linksextremen Netzwerk im öffentlichen Dienst ist es dann halt auch nicht zu machen.

(Beifall)

Wenn sich die Vorwürfe gegen die Verdächtige bewahrheiten sollten, was weder Sie noch ich wissen, dann wäre dies selbstverständlich zu ahnden. Es bliebe aber dennoch singulär.

Wenn wir auf das Phänomen von Datenabfragen und Weitergaben illegaler Art schauen, dann sehen wir: Nicht singulär sind das Phänomen der Datenabfrage und der Weitergabe und Berichte über befürchtete illegale Datenweitergaben an die extreme Rechte aus Behörden heraus. So wurden im Jahr 2016 in Leipzig interne Polizeidokumente und polizeilich erstellte Fotos von Beweismitteln der NPD zugespielt, die diese zuerst veröffentlichte. Später folgten dann die Veröffentlichungen Ihrer Freunde von Legida.

Bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz werden aktuell zwei Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen gegen Unbekannt und gegen das LKA selbst geführt. Konkret geht es um die Weitergabe von Daten von einem beschlagnahmten Handy an das rechtsextreme „Compact“-Magazin, das die AfD hier plagiiert hat.

Zu Beginn dieses Jahres erschütterte die Meldung, dass interne Fahndungsaufrufe der Berliner Polizei in rechtsextremen Chats beim Messenger-Dienst „Telegram“ aufgetaucht sind. Eine Polizeisprecherin bestätigte dem „Spiegel“: „Ja, es muss tatsächlich jemand aus der […] Polizei geleakt haben.“ Hierbei ging es im Übrigen nicht um die Ergebnisse von Durchsuchungen, sondern eher um eine Warnung vor Durchsuchungen im Zusammenhang mit dem Versuch der Erstürmung des Reichtags im Sommer 2020 in einer Gruppe, die sich „Sicherheitshinweise für Nationalisten“ nennt und Rechtsextremen Tipps zum Schutz vor Überwachung durch Sicherheitsbehörden und Geheimdienste gibt und offensichtlich auch vor Durchsuchungen warnt.

Ebenfalls in Berlin besteht der dringende Verdacht, dass aus dem Verfassungsschutz heraus als „vertraulich“ eingestufte Dokumente und Informationen in Bezug auf die Beobachtung der AfD an eben jene weitergegeben wurden,

(Zuruf: Thema!)

von der strukturellen Verwobenheit mit der rechten Szene, dem Akzeptieren rechter Straftaten, was mit dem Prinzip Quellenschutz einhergeht, und der Behinderung der Arbeit der Untersuchungsausschüsse an dieser Stelle ganz zu schweigen.

Und ja, auch in dem Fall, von dem wir heute sprechen, weist die Anwältin der Verdächtigen darauf hin, dass diese erst durch die Presse von den Ermittlungsverfahren erfahren habe, während die Presse allerdings über Details der Ermittlungen berichten könne. Auch die Frage, wie das eigentlich sein kann, muss also auf den Tisch.

Dieser wirklich unvollständige Blick zeigt: Ja, wir haben ein Problem mit dem Datenschutz. Ja, wir haben ein Problem mit der unerlaubten Weitergabe von Daten und der nichtdienstlichen Verwendung dienstlich gewonnener Informationen. Ja, wir haben auch ein Problem mit der Rolle von Behörden und Polizei in diesem Zusammenhang. Dies besteht aber ganz sicher nicht in einer wie auch immer gearteten Präsenz von sogenannten Linksextremen in den Behörden dieses Landes oder im öffentlichen Dienst.

Das strukturelle Problem unkontrollierter Zugriffe auf Daten, fehlende Begründungspflicht, fehlende Überprüfungen und Sicherheitsmaßnahmen, das alles taucht in Ihrer Argumentation gar nicht auf. Das zeigt, dass sich ausgerechnet die AfD zur Hüterin des Datenschutzes aufschwingt, ist ebenso durchschaubar wie geheuchelt. - Vielen Dank.

(Beifall)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Gibt es noch eine Intervention von Herrn Wald? - Herr Wald, Sie haben das Wort.


Daniel Wald (AfD):

Werte Frau Quade, es wundert mich keinesfalls, dass Sie sich mit der beschuldigten Person solidarisieren. Es ist erst zwei Jahre her, da haben Sie einen Artikel in der Zeitschrift „Rote Hilfe“ veröffentlicht, jener linksextrem und gewaltorientierten Organisation, die jetzt zu Spenden für die mutmaßliche Täterin aufruft.

Mehrmals bewarben Sie in der Vergangenheit die Denunziationswebseite „lsa-rechtsaussen.net“, ein Portal, das als Brückenkopf zwischen denjenigen, die - wie die Beschuldigte aus der Magdeburger Uniklinik - illegal Informationen abschöpfen, und jenen extremistischen Gewalttätern, die der linken Antifa-Solidarität im Parlament blutige Taten folgen lassen, fungiert. Aus Ihrer Nähe zur Antifa machen Sie keinen Hehl. Deshalb interessiert mich: Wie positionieren Sie sich zu linksextremer Gewalt? Zur Landtagswahl warben Sie schließlich mit den Aufklebern und dem Slogan „Riots not Diets“, zu Deutsch „gewalttätige Krawalle statt Diäten“. Wie stehen Sie heute zu dieser Aussage?


Vizepräsident Wulf Gallert:

Das war die Intervention. Ich sehe keinen Reaktionsbedarf. Damit sind wir mit diesem Debattenbeitrag am Ende.