Tagesordnungspunkt 7
Wohnarmut verhindern - Wohngeldansprüche umsetzen - Beantragung vereinfachen
Antrag Fraktion Die Linke - Drs. 8/5145
Alternativantrag Koalitionsfraktionen - Drs. 8/5198
Den Antrag der Fraktion Die Linke wird die Abg. Frau Hohmann einbringen.
(Unruhe)
Frau Hohmann, wenn Sie vielleicht 20 Sekunden oder 25 Sekunden warten könnten.
(Unruhe)
- Meine Damen und Herren! Es wäre gut, wenn so langsam wieder Ruhe einkehren könnte, damit wir in der Tagesordnung fortfahren können.
Monika Hohmann (Die Linke):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin darüber verwundert, dass sich die Reihen bei diesem Thema gelichtet haben,
(Eva von Angern, Die Linke: Das ist bezeichnend!)
und zwar bei einem Thema, das in all unseren Wahlkreisbüros schon einmal aufgetreten ist. Es ist ein sehr wichtiges Thema.
(Beifall bei der Linken)
Bereits in der letzten Landtagssitzung habe ich versprochen, erneut einen Antrag zur Verbesserung des Alltags eines Großteils von Rentnerinnen und Rentner in Sachsen-Anhalt einzubringen.
Nach der Aussprache zur Großen Anfrage wissen wir, dass die finanzielle Situation von Rentnerinnen und Rentner oft im Fokus der öffentlichen Diskussion steht, und zwar insbesondere, wenn es um die Sicherstellung eines angemessenen Lebensstandards geht. Dabei kann das Wohngeld, wie Sie wissen, eine wichtige Unterstützung für Seniorinnen und Senioren darstellen, die über ein niedriges Einkommen verfügen.
Doch ist die Beantragung von Wohngeld für viele Berechtigte, wie so oft, eine Herausforderung. Sie sind häufig mit bürokratischen Hürden konfrontiert und benötigen Unterstützung, um die erforderlichen Unterlagen korrekt einzureichen.
Sehr geehrte Damen und Herren! In meiner Rede zur Großen Anfrage mit dem Titel „Entwicklung der Altersrenten in Sachsen-Anhalt“ sprach ich über die Entwicklung der Wohngeldberechtigten in unserem Land. Der Anteil der Rentnerinnen und Rentner im Wohngeldbezug lag im Jahr 2015 bei 47 %. Acht Jahre später kletterte der Anteil auf mittlerweile 65 %. Zudem hatte ich erwähnt, dass es in Sachsen-Anhalt bereits zwei Landkreise gibt, in denen der Anteil der wohngeldberechtigten Rentnerinnen und Rentner auf mehr als 70 % geklettert ist.
(Eva von Angern, Die Linke: Das ist bitter!)
Das heißt, die Tendenz ist steigend.
Die Zahlen aus dem Jahr 2024 liegen zwar noch nicht vor, aber anhand der Abflusslisten im Haushaltsplan lässt sich erkennen, dass im letzten Jahr 16 Millionen € mehr Landesmittel und 16 Millionen € mehr Bundesmittel beansprucht wurden. Der Bund beteiligt sich hälftig an der Finanzierung.
Wenn man das in Waage bringt und errechnet, dann kann man vermuten, dass in Sachsen-Anhalt mehrere Tausend Wohngeldberechtigte hinzugekommen sind. Ich vermute, die Zahl der Berechtigten dürfte mittlerweile bei ca. 50 000 liegen.
Bei Wohngeldberechtigten haben wir im Jahr 2024 also eine Steigerung. Das zeigt, dass wir in Sachsen-Anhalt viele Menschen haben, die aufgrund ihres Einkommens auf Wohngeld angewiesen sind. Trotzdem auch das wissen wir gibt es eine große Anzahl von Anspruchsberechtigten, die keinen Antrag stellen. Die Gründe dafür können sehr unterschiedlich sein und reichen von der Scham davor, Hilfe zu holen, bis dahin, dass die Anträge überbordend sind, sodass man davon Abstand nimmt.
Was können wir also unternehmen, damit sich die Menschen trauen, Anträge zu stellen? Einen Vorschlag haben wir in unserem Antrag aufgegriffen. Wir meinen, dass die Antragstellung nebst Beibringung von Unterlagen zum Nachweis auf ein Minimum reduziert werden sollte. Schaut man sich die Antragsunterlagen bundesweit an, dann sind etliche Unterschiede zu erkennen. Während einige Länder bereits vollständig auf digitale Antragsverfahren umgestiegen sind und Online-Formulare anbieten, halten andere noch an einem traditionellen Papierverfahren fest. Dies betrifft nicht nur den Antrag selbst, sondern auch die Möglichkeit, benötigte Unterlagen digital einzureichen. In Zeiten, in denen viele Menschen Schwierigkeiten damit haben, persönlich Termine wahrzunehmen, ist das ein Hindernis.
Zwar haben Wohngeldanträge auf bundesrechtlicher Ebene eine einheitliche Grundlage, aber die konkrete Ausführung und Abwicklung können erheblich variieren. Das kann zu erheblichen Verzögerungen und Hürden für Antragsteller führen.
Auch in den Landkreisen und kreisfreien Städten in Sachsen-Anhalt sind etliche Unterschiede festzustellen. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht und bin auf alle Seiten der Landkreise und kreisfreien Städte gegangen, um mir die Situation anzuschauen, wie Bürgerinnen und Bürger ihren Wohngeldantrag einreichen können. Bei einigen Landkreisen kann man das Wohngeld digital beantragen, bekommt aber online keine Formulare mehr. Das heißt, ich habe nur die Möglichkeit, das online zu machen. Wenn ich das aufgrund der Technik aber nicht machen kann gerade bei älteren Leuten kann ich mir das vorstellen , dann muss ich zum Bürgerbüro oder zu der entsprechenden Behörde fahren, um mir die Anträge zu holen.
(Jörg Bernstein, FDP: Ja!)
Ganz verrückt wird es dann bei der Nachweisführung. Es gibt Landkreise, in denen ist jährlich, also auch bei einem Weiterleistungsantrag, eine Meldebescheinigung vom Einwohnermeldeamt beizubringen. Das heißt, die Leute müssen jedes Jahr, wenn sie einen Wohngeldantrag stellen wollen, also einen Weiterleistungsantrag, zum Einwohnermeldeamt, müssen einen Nachweis erbringen, also eine Meldebescheinigung vorlegen, was natürlich Kosten verursacht, natürlich auch Fahrtkosten; denn nicht jeder wohnt auch in dem Ort, in dem es ein Einwohnermeldeamt gibt. Also, das ist schon verrückt.
Auch verrückt ist: Ich muss den Mietvertrag vorlegen. Auch wenn ich einmal einen Mietvertrag eingereicht habe, muss ich, wenn ich eine Weiterleistung beantrage, jedes Mal erneut den kompletten Mietvertrag mit einreichen. Das Ganze ist absurd,
(Zustimmung bei der Linken)
da ich habe es schon gesagt die Unterlagen eigentlich schon beim ersten Mal vorgelegt wurden.
Was ist also zu tun? - Ein grundlegender Schritt zur Unterstützung nicht nur von Rentnerinnen und Rentnern bei der Beantragung von Wohngeld ist die Bereitstellung von Informationen. Es ist entscheidend, dass z. B. Senioren wissen, welche Voraussetzungen für den Anspruch auf Wohngeld bestehen und wie der Antrag ausgefüllt wird. Neben der Bereitstellung von Informationen ist natürlich eine persönliche Beratung unerlässlich. Berechtigte können von individuellen Beratungen profitieren, weil sie dort auch ihre Fragen klären lassen können.
Sehr geehrte Damen und Herren! Eine der größten Hürden bei den Folgeanträgen ist die Notwendigkeit ich sagte es schon , alle erforderlichen Unterlagen erneut einzureichen. Eine gesetzliche Regelung, die einen automatischen Verlängerungsmechanismus einführt, könnte hierbei Abhilfe schaffen. Wenn sich die persönlichen Verhältnisse, also Einkommen, Vermögen, Anzahl der Haushaltsmitglieder, nicht geändert haben, dann sollte das Wohngeld automatisch verlängert werden.
(Beifall bei der Linken)
Eine Reform der Nachweispflichten würde nicht nur den Antragstellern,
(Eva von Angern, Die Linke: Auch der Verwaltung!)
sondern auch den Behörden zugutekommen
(Zustimmung bei der Linken)
und sicherstellen, dass die Unterstützung rechtzeitig und unbürokratisch zu den Menschen gelangt, die sie benötigen.
(Hendrik Lange, Die Linke: Da kann man einmal entbürokratisieren!)
Die langen Bearbeitungszeiten würden sich somit reduzieren.
Ganz aktuell habe ich wieder eine Petition im Petitionsausschuss, weil der Petent seit neun Monaten auf die Bearbeitung seines Antrages wartet.
(Eva von Angern, Die Linke: Das ist völlig inakzeptabel, wenn ein Anspruch besteht!)
Sehr geehrte Damen und Herren! Für bezahlbaren Wohnraum braucht es neben der Subjektförderung über das Wohngeld auch die verstärkte Objektförderung durch den Bau von Sozialwohnungen und durch mehr Sozialbindungen im Bestand. Insbesondere die Schaffung von barrierearmem Wohnraum muss stärker im Fokus der Wohnraumförderung stehen. Das ist nämlich der zweite Teil unseres Antrages.
(Zustimmung bei der Linken)
Barrierefreies Wohnen ist nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit und Inklusion, sondern auch eine Notwendigkeit, um den Bedürfnissen einer zunehmend vielfältigen Gesellschaft gerecht zu werden. Dabei umfasst eine barrierefreie Wohnung nicht nur großzügige Türbreiten und stufenlose Zugänge, sondern auch die Nähe zu öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Einkaufsmöglichkeiten oder auch zu medizinischen Einrichtungen.
(Zustimmung bei der Linken)
Für Sachsen-Anhalt kann ich feststellen, dass wir sowohl bei der Barrierefreiheit als auch beim sozialen Wohnungsbau vor erheblichen Herausforderungen stehen. Es ist daher sehr bedauerlich, dass wir jahrelang die Bundesgelder für den sozialen Wohnungsbau an den Bund zurückgeben mussten
(Beifall bei der Linken)
und dass wir es nicht geschafft haben, dies durch eine geeignete Förderrichtlinie zu verhindern.
(Hendrik Lange, Die Linke: Ja!)
Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Schluss möchte ich noch einige Anmerkungen zu dem Alternativantrag der Koalitionsfraktionen machen. Ich habe mich darüber gefreut, dass Sie hier einen Alternativantrag stellen, und habe gedacht, jetzt kommen wir der ganzen Sache etwas näher.
(Eva von Angern, Die Linke: Vielleicht ist er auch klüger als unserer!)
Ich muss Ihnen sagen, wir werden diesem Alternativantrag nicht zustimmen. Für uns sind Formulierungen wie „der Landtag begrüßt“, „der Landtag unterstützt“ oder „der Landtag spricht sich aus für“ zu schwammig und nicht konkret.
(Beifall bei der Linken)
Es ist nicht erkennbar, was Sie nun für die Wohngeldberechtigten verbessern wollen.
(Dr. Falko Grube, SPD: Nein! Ist bei euch auch nicht so!)
Kommt nun ein Ausführungsgesetz für Sachsen-Anhalt
(Ministerin Dr. Lydia Hüskens: Nein!)
oder wird es Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden geben? Gibt es personelle oder finanzielle Unterstützung für die Kommunen? Alle diese Fragen bleiben unbeantwortet. Der Alternativantrag lässt mich wirklich ratlos zurück.
Eine Hoffnung habe ich noch: Da ich die erste Rednerin bin, kommen in den nachfolgenden Reden vielleicht noch einige interessante Ideen, zu denen wir uns vielleicht verständigen können. Aber, wie gesagt, so, wie der Alternativantrag aussieht, glaube ich wenig daran. Ich werde sehen, was kommt. - Damit danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der Linken)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Hohmann, es gibt eine Nachfrage wenn Sie sie zulassen von Herrn Bernstein. - Ja. - Herr Bernstein, bitte.
Jörg Bernstein (FDP):
Vielen Dank, Frau Kollegin Hohmann, dass Sie mir die Nachfrage gestatten. Ich habe eine Frage und möchte zunächst kurz von der Seite der Bundesregierung zitieren:
„Mehr Wohngeld für 2 Millionen Haushalte - Seit dem 1. Januar 2023 haben 2 Millionen Haushalte mit kleinen Einkommen Anspruch auf Wohngeld. Das sind dreimal mehr als vorher. Und das neue ‚Wohngeld plus‘ ist deutlich höher: Im Schnitt verdoppelt es sich.“
Meine Frage. Aus Ihren ersten Ausführungen ging hervor, dass Sie hinter dem Anstieg des Wohngeldes quasi eine steigende Verarmung in der Bevölkerung sehen. So habe ich das zumindest wahrgenommen. Meine Frage ist: Worin konkret sehen Sie die Ursache? Sehen Sie die Ursache dafür, dass die Leistungen für Wohngeld steigen, tatsächlich in einer massiv steigenden Verarmung, oder schlicht und einfach darin, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen geändert haben?
(Eva von Angern, Die Linke: Beides! - Ministerin Dr. Lydia Hüskens: Letzteres!)
Monika Hohmann (Die Linke):
Herr Bernstein, ich habe schon beim letzten Mal, bei der Aussprache zur Großen Anfrage, gesagt: Es ist bezeichnend, dass wir ganz viele Rentnerinnen und Rentner haben, die jetzt Wohngeld beantragen. Wenn Sie wissen, dass die Durchschnittsrente hier in Sachsen-Anhalt sehr niedrig ist, dann wird ein Schuh daraus.
Natürlich hat sich das Wohngeld zum Besseren verändert, aber wir dürfen nicht vergessen, dass genau zu dieser Zeit auch enorme Belastungen auf viele Mieterinnen und Mieter zugekommen sind, angefangen von den Kosten für Strom bis zu den Kosten der Heizung. Es war nur folgerichtig, dass die Bundesregierung dann gesagt hat: Wir machen etwas für das Wohngeld.
Wir haben hier sehr viele Anträge. Ich habe auch gesagt, wir haben eine ganze Menge Leute, gerade Ältere, die keine Anträge stellen, weil sie nie irgendetwas vom Staat haben wollten. Wir haben also eine hohe Dunkelziffer. Wenn ich aber sehe, dass wir in den letzten zwei Jahren erhöhte Ausgaben hatten und dass wir im Jahr 2024 noch einmal einen Sprung hatten, dann zeigt mir das, dass es noch jede Menge Leute betrifft, die Geld brauchen, weil es sonst nicht reicht.
Ich denke einmal, es ist eine Kopplung dessen. Auf der einen Seite ist es gut, dass die Bundesregierung etwas gemacht hat, aber auf der anderen Seite zeigt es uns, wie viele Menschen wir hier in Sachsen-Anhalt haben, die wirklich an der Grenze leben und nur über ein geringes Einkommen verfügen.