Tagesordnungspunkt 15
Medizinische Versorgung auf dem Land sicherstellen: Konzept des intersektoralen Gesundheitszentrums endlich umsetzen und übertragen
Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/610
Alternativantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/649
Alternativantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/658
Für die einbringende Fraktion hat Herr Siegmund das Wort. Wir führen eine Dreiminutendebatte. - Sie können beginnen.
Ulrich Siegmund (AfD):
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, Sie wohnen in einer Stadt, in der es mit dem Krankenwagen mindestens 20 bis 30 Minuten in jede Richtung dauert, bis Sie ein Krankenhaus oder eine andere adäquate medizinische Notfallversorgung vorfinden. So geht es zum Beispiel den Menschen in Genthin und in Havelberg. Es ist kein Geheimnis, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis das jemand mit seinem Leben bezahlt.
Ich möchte Ihnen berichten, was in der Silvesternacht dieses Jahres in Havelberg passiert ist. Der Notruf geht kurz nach Mitternacht ein: Herzinfarkt. Es ist kein Rettungswagen verfügbar, also muss einer aus einem anderen Bundesland angefordert werden, konkret aus Brandenburg. Der Rettungswagen rückt an. Dafür braucht er eine Weile, das wissen wir. Die Fahrer kennen sich in der Region nicht aus und warten zehn Minuten an der falschen Adresse. Laut Medienberichten war der Patient noch 20 Minuten lang ansprechbar. Der Rettungswagen traf nach 30 Minuten ein - zu spät für den Mann, er ist in dieser Nacht gestorben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Niemand weiß, was gewesen wäre, wenn wir im ländlichen Raum eine andere Versorgungsstruktur gehabt hätten. Hätte der Mann von Angehörigen oder von Nachbarn selbst in eine Klinik vor Ort gebracht werden können? Wäre ein ortskundiger Rettungswagen schneller vor Ort gewesen? - All das wären Mutmaßungen, das weiß ich. Niemand auf dieser Welt kann solche Fragen beantworten. Es wird ein Konjunktiv bleiben. Aber es ist naheliegend niemand in diesem Hause wird das bestreiten , dass einiges Wahres dran ist.
Sie erzählen den Menschen, dass wir uns in einer gefährlichen pandemischen Situation befinden, schaffen es aber trotzdem, die medizinische Grundversorgung in einer solchen Situation immer weiter wegzurationalisieren. Genau das wollen wir heute mit unserem Antrag ändern, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Aber der Reihe nach. Was ist passiert? - Im Jahr 2021 wurde das Krankenhaus in Havelberg geschlossen - ein Krankenhaus, das auf eine stolze Geschichte zurückblickt. Über Jahrzehnte konnten sich die Menschen in der gesamten Region auf eine medizinische Grundversorgung und auf eine wohnortnahe Versorgung verlassen. Aber im Jahr 2020 hat der private Betreiber natürlich aus kommerziellen Gründen den Stecker gezogen. Er hat angekündigt, das Krankenhaus zu schließen und in ein lukratives Pflegeheim umzuwandeln.
Ich habe damals an diesem Pult beantragt, dass der Landkreis Stendal konkret dabei unterstützt wird, das Krankenhaus selbst zu übernehmen und zu rekommunalisieren. Die Strukturen waren vorhanden. Man hätte es machen können. Man hätte es nur wollen müssen. Leider aber wollten Sie es nicht. Der Landkreis wurde im Stich gelassen, die Menschen in der Region wurden im Stich gelassen. Das Krankenhaus ist inzwischen geschlossen.
In Genthin herrscht ein ähnliches Trauerspiel. Dort hat man schon im Jahr 2017 den Stecker gezogen. Die Begründung war, dass nur Geld für eine Klinik verfügbar sei und man sich bitte schön entscheiden müsse, ob in das mehr als 30 km entfernte Stendal investiert werden solle oder in Genthin. Man hat sich für Stendal entschieden. Das Krankenhaus in Genthin ist bis heute geschlossen, die Stadt ohne Versorgung. Wieder war es eine Frage des Geldes, wieder war es eine Entscheidung gegen die medizinische Versorgung unserer Bevölkerung.
Im Dezember 2021 organisierten beide Städte mit engagierten Bürgern in Genthin eine Demonstration gegen diese Zustände. Wir waren natürlich mit vor Ort. Sie alle waren vor Ort. Alle Landtagfraktionen waren vertreten. Sandra Hietel und Thomas Staudt von der CDU-Fraktion, Frau Richter-Airijoki von der SPD-Fraktion, Herr Gallert von der Fraktion DIE LINKE, Herr Pott von der FDP-Fraktion und Frau Sziborra-Seidlitz von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Sie alle haben zu den Bürgern gesprochen. Sie haben ihnen etwas versprochen. Sie haben ihnen ins Gesicht versprochen, dass Sie sich für eine medizinische Grundversorgung in beiden Regionen starkmachen. Sie haben ihnen Hoffnung gemacht. Sie haben mit dem Vertrauen der Menschen gespielt. Das möchte ich begründen. Im Übrigen sehe ich gerade, dass Herr Staudt bei dieser Debatte nicht mehr anwesend ist. Ist das richtig?
(Zuruf: Ja!)
- Okay; das nehme ich zur Kenntnis.
Was aber ist passiert? Wie viele Ihrer Versprechen, die Sie den Menschen vor Ort gegeben haben wir können es bezeugen , wurden umgesetzt? Licht ins Dunkel brachte die letzte Sozialausschusssitzung. Das Ministerium möchte gemeinsam mit der landeseigenen Gesellschaft Salus ein Konzept entwickeln. Dafür gibt es einen Dreistufenplan - zumindest teilweise, die dritte Stufe ist noch nicht einmal konkret entwickelt worden.
Ich erinnere Sie gern daran, dass wir seit genau zwei Jahren über diese Situation reden. Es waren zwei Jahre Zeit. Der einzige Fortschritt, den diese Landesregierung und Sie alle in zwei Jahren erzielt haben, ist es, Ideen zu Papier zu bringen und ein halbfertiges Konzept vorzulegen, das noch nicht endgültig ausgereift ist. Der Hammer aber ist, dass Sie in der Sitzung selbst zugeben mussten, dass das Konzept theoretisch vielleicht auch nicht umgesetzt werden könnte, nämlich dann, wenn sich keine Ärzte auf die ausgeschriebenen Stellen bewerben. Sie verlassen sich darauf, dass es einen Arzt geben wird, der freiwillig nach Havelberg oder respektive später nach Genthin gehen wird.
Ganz ehrlich: Sie wissen selbst, dass wir alle gemeinsam warten können, bis wir schwarz werden. Der Ärztemangel wird weiterhin mit voller Wucht zuschlagen. Selbst für attraktive Regionen wird es in den nächsten Jahren immer schwieriger werden, medizinisches Personal zu bekommen. Das ist eine mathematische Gewissheit.
Genau aus diesem Grund beantragen wir heute, dass konkret gehandelt und nicht immer nur versprochen wird. Aus der Sitzung ging nämlich noch etwas hervor. Bis heute gibt es keinen konkreten Zeitplan für die Verbesserung der Versorgungssituation in der Region. Das Ganze kann sich noch über Monate, Jahre oder Jahrzehnte hinziehen.
Das möchten wir heute mit unserem Antrag ändern. Wir möchten, dass bis zum Ende dieses Quartals zumindest die ersten beiden Stufen des Konzeptes konkret umgesetzt werden. Lösungsvorschläge haben wir im Antrag vermerkt. Bis zum Ende dieses Jahres soll auch die dritte Stufe umgesetzt werden. Wenn Geld fehlt, dann soll der Bedarf durch Landesmittel gedeckt werden. Wenn Ärzte fehlen, dann sollen übergangsweise auch Honorarärzte eingespannt werden, damit überhaupt eine Versorgung in der Region sichergestellt werden kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer will, der findet Wege, wer nicht will, der findet Gründe. Wir zeigen Ihnen heute mit unserem Antrag Wege auf. Wenn Sie wirklich wollen würden, dann wäre es kein Problem, innerhalb kürzester Zeit eine Versorgung im ländlichen Raum sicherzustellen.
Wir möchten mit unserem Antrag erreichen, dass endlich nicht mehr nur geredet wird, sondern endlich gehandelt wird. Wir möchten mit unserem Antrag erreichen, dass sich alle Betroffenen im ländlichen Raum und im ganzen Land wieder auf eine medizinische Grundversorgung verlassen können. Dafür benötigt man einen fest definierten Zeitplan mit der entsprechenden Verbindlichkeit. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Zustimmung)