Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Transkript

Sebastian Striegel (GRÜNE): 

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Rassismus, der hier aus der AfD-Fraktion zu hören ist, ist wirklich unerträglich. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wann wurden Sie das letzte Mal auf offener Straße rassistisch beleidigt oder bedroht? Hoffentlich noch nie. 

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Doch, wurde ich! Wurde ich schon mehrmals! - Unruhe bei der AfD)

Für Menschen aber, denen ihre eigene oder familiäre Migrationsgeschichte aufgrund von Hautfarbe oder anderen Merkmalen anzusehen ist, gehören rassistische Ausgrenzungserfahrungen in Sachsen-Anhalt leider zum Alltag. Wir haben   das müssen wir eingestehen   Nazis und Rassisten bisher zu wenig entgegengesetzt. Wir haben in diesem Land ein hartes Rassismus- und Antisemitismusproblem. 

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Das stimmt - gegen Deutsche!)

Ein Drittel der Bevölkerung hat eine manifest ausländerfeindliche Einstellung. Mehr als 11 % teilen ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild, 

(Andreas Schumann, CDU, lachend: 11 %!) 

und 10 % der Bevölkerung sind manifeste Antisemiten, auch in diesem Parlament. 

Doch es bleibt nicht nur bei der Gesinnung. Wir haben in Sachsen-Anhalt die meisten Gewaltdelikte aus rassistischen Motiven pro Einwohner*in, Tendenz steigend. Frau Innenministerin hat darauf hingewiesen. Die Zahl antisemitischer Vorfälle ist im vergangenen Jahr massiv angestiegen und rassistische Vorfälle an Schulen befinden sich auf einem Rekordhoch. Das ist ein Problem. Einige in diesem Land, konkret die AfD, tragen dazu bei, dass dieses Problem größer wird, andere tun zu wenig dafür, dass es kleiner werden kann. 

Was ist also zu tun? Was können wir, was kann die Landespolitik gegen Rassismen unternehmen? Wie können wir uns aktiv gegen solche Einstellungen und aus ihnen folgende menschenverachtende Taten zur Wehr setzen? Ich schlage vor: Fangen wir doch bei uns selbst an. Nutzen wir in unserem politischen Streit um die richtige Migrationspolitik keine verrohte Sprache, die einer Entrechtung der betroffenen Menschen Vorschub leistet. Lösen wir reale Probleme, statt Zuwanderung zu einer Bedrohung aufzublasen. Unterstützen wir diejenigen, die vor Ort um Lösungen ringen, statt Menschengruppen gegeneinander auszuspielen. 

Der vorliegende Antrag - Kollegin Quade hat ihn hier vorgestellt - zeigt richtige Zusammenhänge auf. Nazis unterscheiden nicht, ob jemand deutsche Staatsbürgerin, deutscher Staatsbürger ist, eine ausländische Fachkraft, vor Krieg bei uns Schutz sucht oder sich aus wirtschaftlicher Not oder Perspektivlosigkeit auf die lebensgefährliche Reise über das Mittelmeer nach Deutschland gemacht hat. Der Hass von Nazis und Rassisten trifft unterschiedslos jede und jeden mit einem anderen Aussehen. 

Rassismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das alle Menschen in diesem Land angeht. Eine Politik, die rassistische Zuschreibungen fördert, zahlt auf eine Gesamtrechnung ein, deren Wirkung wir in unterschiedlichsten Teilen zu sehen bekommen. Rassismus ist einer der großen Hemmfaktoren für die wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands. Das betrifft nur manchmal sichtbar die Ansiedlung von Investoren. Es betrifft aber schon heute deutlich erkennbar die individuellen Entscheidungen der Menschen, die überlegen, ob sie hier arbeiten oder leben wollen. 

Sachsen-Anhalt ist für viele Menschen derzeit kein Einwanderungsland, es ist ein Durchwanderungsland. 

(Zustimmung von Henriette Quade, DIE LINKE, und von Olaf Meister, GRÜNE)

In unserem Land herrscht keine ausreichende Willkommenskultur. Dabei bietet die Zuwanderung für Sachsen-Anhalt enorme Chancen. Ja, sie ist notwendig, wenn wir wirtschaftlich Erfolg haben wollen. 

Schauen wir nach Zeitz in den Burgenlandkreis. Dort leben mittlerweile mehr als 2 600 geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer. In einer kleinen Stadt mit rund 30 000 Einwohnerinnen ist das eine enorm hohe Zahl - Herausforderung und Chance für eine Region. Deswegen strengen sich dort die Stadt und der Landkreis enorm an, um allen Menschen eine neue, eine zweite Heimat zu geben. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Landesregierung hat bisher zu wenig für eine effektive Willkommenskultur getan. Unsere Migrationspolitik ist bisher im Wesentlichen auf Verhinderung angelegt. Die Ausführungen der Innenministerin haben auch noch einmal deutlich gemacht, dass Sachsen-Anhalt dabei heute wirklich ein Hemmschuh ist für Verbesserungen, die wir auf der Bundesebene erreicht haben. Das ist schade; denn wir brauchen Zuwanderung, Frau Innenministerin. Sie haben in den vergangenen Jahren die Haushaltsposten für Abschiebungen massiv erhöht und das hat auch Wirkung gezeigt. Wir brauchen aber gar keine Steigerung der Rückführungsquoten um jeden Preis. Wir müssen letztlich um alle Menschen kämpfen, die hier jahrelang leben, 

(Zurufe von der AfD: Nein!) 

die Sprache sprechen, integriert sind und einer Arbeit nachgehen. 

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Wir brauchen Vereinfachung und Vereinheitlichung bei den Ausländerbehörden. Der Burgenlandkreis zeigt, dass es nicht nur um den Betreuungsschlüssel in den Behörden geht, sondern insbesondere um Verwaltungsvereinfachung und Zusammenarbeit. Wir brauchen das Modell Migrationsagentur flächendeckend in Sachsen-Anhalt. - Vielen herzlichen Dank. 

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Hendrik Lange, DIE LINKE)