Wulf Gallert (DIE LINKE):
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage nach der x-ten Energiedebatte, die wir hier inzwischen geführt haben, ist: Wozu spricht man? Na klar, man könnte jetzt eine Textexegese dessen machen, was der Ministerpräsident mal hier, mal da gesagt hat. Dazu sage ich: Als Oppositionspolitiker interessiert mich das nicht sonderlich. Es sind für uns keine Offenbarungseide und manchmal ist die Interpretation seiner Aussagen durchaus variabel und flexibel. Deswegen ist das für uns zumindest im Normalfall weder ein Grund, einen Antrag zu stellen, noch uns explizit darauf zu beziehen.
Das, worüber ich jetzt hier rede, ist etwas anderes, nämlich die Beschlussempfehlung. Diese Beschlussempfehlung lehnen wir ab. Warum lehnen wir sie ab? - Weil sie in zwei Teile fällt. Der erste Teil spricht davon, das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen zu realisieren. Dann kommen hinten die Maßnahmen, über die man reden will. Das Problem ist nur, dass diese Maßnahmen mit dem Ziel vorn nichts zu tun haben.
(Zustimmung)
Es geht, wenn man sich zum Beispiel den Punkt 4 anguckt, darum, sich weiterhin zu dem gesetzlich vorgeschriebenen Kohleausstieg in Klammern: 2038 zu bekennen und an der stofflichen Nutzung von Braunkohle festzuhalten, solange es notwendig ist. Aber um eben dieses Klimaziel von 1,5 °C zu erreichen das hat die Ampelkoalition jetzt gesagt , müssen wir früher aussteigen. Also entweder sagt man: „Wir wollen das Pariser Abkommen erfüllen und machen etwas dafür“, oder man argumentiert: „Das Pariser Abkommen ist uns egal, wir machen nichts“. Aber man kann nicht am Anfang sagen: „Wir wollen das Pariser Abkommen umsetzen“, und am Ende erklären: „Wir machen nichts“. - Das ist das Problem dieser Beschlussempfehlung.
(Zustimmung)
Jetzt sage ich: Niemand von uns, der hier im Raum sitzt, darf bitte so tun, als wäre das alles einfach. Natürlich brauchen wir auch an dieser Stelle Abwägungen. Nur, die Beschlussempfehlung sagt: Bevor wir ein Ziel definieren, wägen wir schon einmal gegenseitig ab. Das ist eine Inkonsequenz, die wir uns nicht erlauben können; denn das merken wir jetzt auf einer ganz anderen Ebene dieses Abwägen, dieses Abwarten hebt doch die Probleme nicht auf, sondern die Probleme kumulieren dadurch.
(Zustimmung)
Dann kommen sie explosionsartig oder implosionsartig je nachdem; ich will nicht in militärische Ausdrucksweisen verfallen bei uns auf den Tisch.
Wir haben doch jetzt die Situation, dass wir die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern als Importeur erleben und sehen, mit welchen Risiken und Variablen das belegt ist. Deswegen brauchen wir, glaube ich, insgesamt ein Umdenken dahin gehend, so schnell wie möglich zu versuchen, diese Probleme zu lösen, statt erst einmal zu versuchen, sie zu leugnen und abzuwägen; denn dann kommen sie geballt und erschlagen uns. In dieser Situation befinden wir uns. Das ist doch eine Marke, an der wir uns orientieren sollten. Wir müssen endlich lernen, vor die Probleme zu kommen, statt hinterher zu reagieren.
Diese Beschlussempfehlung ist wieder der alte Stiefel: Wir gucken mal, wie lange es noch gut geht. Dann sehen wir, dass es nicht mehr gut geht, aber dann ist es zu spät. Deswegen lehnen wir diese Beschlussempfehlung ab, liebe Kolleginnen und Kollegen. - Danke.
(Beifall)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Ich sehe keine Nachfragen. Es gibt eine Nachfrage? - Eine Intervention. Herr Lizureck, bitte.
Frank Otto Lizureck (AfD):
Ich staune wieder einmal über diese kindliche Betrachtungsweise. Wenn man nämlich meint, die Industrie mit der teuersten Energiestrategie der Welt hier halten zu können, muss ich sagen: Das schafft man nicht. Das Ganze ist ein gewaltiges Deindustrialisierungsprogramm. Wenn man dann meint, dass man irgendwo Kohlendioxid gespart hat, ist man auf dem Holzweg. Denn wenn man die Stahlproduktion aus dem Bereich der Welt, der die höchsten Ökologieauflagen hat, in einen Bereich verlagert, wo man macht, was man will, dann steigt dort der CO2-Ausstoß. Wenn man dann in Betracht zieht, dass dieser ganze Kram vom anderen Ende der Welt hierher nach Deutschland transportiert wird, hat man wieder einmal großen Mist verzapft. Aber erreicht hat man überhaupt nichts. - Danke.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Gallert.
Wulf Gallert (DIE LINKE):
Ich will zumindest noch eines sagen: Das, was in dieser Debatte immer mit durchschwingt, ist das Motto: Wenn wir irgendetwas mit CO2-Reduzierung machen, dann hat das weltweit überhaupt keine Bedeutung; deswegen können wir es auch lassen, sollen es doch die anderen tun. - Dazu sage ich: Das ist nun wirklich Quatsch.
(Zustimmung)
Ich prognostiziere Folgendes: Natürlich hat die Bundesrepublik Deutschland innerhalb der Europäischen Union schon ein gewaltiges Gewicht einzubringen, was die wirtschaftliche Entwicklung und auch die energiewirtschaftliche Entwicklung anbelangt. Daneben haben wir die Situation, dass natürlich viele Länder in dieser Welt gucken, ob die Energiewende funktioniert.
Ich bin seit 2011 nun nicht mehr so häufig immer wieder in China gewesen. China hat inzwischen ein ambitioniertes Energiewendeprogramm; dieses übertrifft das der Europäischen Union.
(Zuruf)
- Ja, die haben ein Wachstum, aber deren Anteil an grüner Energie wächst
(Zuruf: Die haben 40 Kohlekraftwerke gebaut im ersten Halbjahr!)
und sie erfüllen ihre Pläne, anders als bei uns, viel, viel schneller als hier.
Wo gucken die sich das ab? - Die haben sich das in den Jahren 2010 bis 2015 im Wesentlichen von den ersten Ansätzen hier bei uns in Europa abgeguckt, und zwar auch von der Bundesrepublik Deutschland. Wir als extrem reiches Industrieland sind in der Verpflichtung, an dieser Stelle Vorreiter zu sein, auch um diejenigen Länder zu überzeugen und mitzunehmen, die diese Dinge dann mit umsetzen.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wenn diese Umbauprogramme in der Europäischen Union und in China greifen werden, dann werden wir tatsächlich eine globale Entlastungssituation bekommen, die auch bei grüner Energie so effizient ist, dass sie auch Länder mitziehen kann, die dazu bislang nicht bereit und in der Lage sind. Das ist der Plan. Das ist unsere Verantwortung. Wir haben hierbei eine globale Verantwortung, und zwar nicht, indem wir Militär ausrüsten und überall hinstellen, sondern indem wir garantieren, dass die Energiewende funktioniert. - Danke.
(Zustimmung)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Lizureck, möchten Sie noch etwas sagen?
Frank Otto Lizureck (AfD):
Ja.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Aber bitte kurz. Wir führen hier keine Diskussion.
Frank Otto Lizureck (AfD):
Das ist klar. - Herr Gallert, was erzählen Sie hier? Schauen Sie sich doch einfach einmal die CO2-Bilanz von China an. Diese ist in den letzten Jahren stark gestiegen, und zwar in dem Maße, wie in Europa die Produktion zurückgegangen ist.
(Zurufe)