Dr. Andreas Schmidt (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Vorredner hat in Stellvertretung des Finanzministers ausgeführt, dass die Sachverhaltsaufnahme durch die Linksfraktion nicht korrekt ist. Die Rentenerhöhungen werden nicht durch die entsprechenden Steuererhöhungen aufgefressen; das ist mathematisch gar nicht möglich, weil die Steuer nur ein Teil des Verdienstes ist und entsprechend der Zuwachs des Verdienstes auch nur zu einem Teil, zu einem bestimmten Prozentsatz Besteuerung erfährt - für die meisten Rentner zu einem nicht besonders hohen Prozentsatz, sodass diese Rechnung so nicht aufgeht.
Der Minister hat auch noch auf ein Zweites hingewiesen, nämlich darauf, dass nachgelagerte Besteuerung heißt, dass vorgelagerte Besteuerung nicht stattgefunden hat. Das ist - das will ich hier korrekterweise einmal sagen - gut für die Menschen, erstens weil die Steuerpflicht bei der Rente langsamer hochgelaufen ist als die Steuerentlastung für die Rentenversicherungsbeiträge, und zweitens weil das Geld in der Verdienstphase, das ich dann steuerfrei habe, immer mehr sein muss - schon wegen des Steuerfreibetrags - als die Steuerpflicht, die ich im Alter habe. Ich mache immer ein Geschäft, wenn ich vorher die Steuern nicht bezahlen und erst nachgelagert versteuern muss. Es gibt keine Rente, die die Deutsche Rentenversicherung real auszahlt, bei der das mathematisch anders möglich ist, dass ich nämlich irgendwann in der Einkommensteuerpflicht so hochkomme, dass sich die Steuerfreibeträge nicht mehr lohnen. Das ist der erste Punkt.
Zweiter Punkt: Der Ansatz der Linksfraktion geht am eigentlichen Problem vorbei. Man kann das theoretisch alles machen; man kann sagen, man verschenkt die Steuern zweimal, einmal bei den Rentenversicherungsbeiträgen und dann für die kleinen Rentner noch einmal bei der Rente. Dann müsste man beantworten, warum man unter 1 800 € bei einem Verdiener vor der Rente Steuern erhebt. Denn den kneift man dann natürlich. Dem sagt man: Der Rentner bekommt diesen Betrag steuerfrei, und bei demjenigen, der arbeiten geht, geschieht das nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass der kleine Verdiener fragen würde, wo da die Gerechtigkeit ist.
Aber der Antrag geht noch in einer anderen Hinsicht am Problem vorbei. Rein geldmäßig reden wir bei dem 1 500 € Rentenempfänger - das ist in Sachsen-Anhalt ein Rentner über dem Durchschnitt des Auszahlbetrags - von den berühmten 3,50 €. Das löst das soziale Problem bei den Empfängern kleiner Renten nicht.
Dieses Problem existiert aber wirklich; darin hat die Linksfraktion recht. Das Problem ist nicht erfunden. In der Welt, in der der Auszahlbetrag im Schnitt sinkt, weil wir Rentner mit gebrochenen Erwerbsbiografien nach 1990 zunehmend im System haben, werden diese dann zweimal bestraft - einmal mit der gebrochenen Erwerbsbiografie und allem, was damit zusammenhängt, und dann noch in der Rente. Dieses Problem existiert.
Das Tor, in das man die Bälle schießen muss, heißt Sicherung des Rentenniveaus. Gelingt uns das nicht - dabei geht es um das große Geld -, sinken im Osten die Auszahlbeträge weiter und reißen von der Lohnentwicklung ab, die über viele Jahre jetzt keine schlechte sein wird, weil der Arbeitnehmer am längeren Hebel sitzt.
Das ist die Forderung, die wir haben müssen, nämlich dass die Bundespolitik, egal in welcher Couleur sie jetzt in den Deutschen Bundestag einzieht, diese Jahrhundertentscheidung trifft, dass wir bis 2050 mindestens, solange wir mit den älter werdenden Baby-Boomern zu tun haben, das Rentenniveau festnageln und diese Generationenlast tragen. Dabei geht es um viele Hundert Milliarden Euro, die auf dem Weg dahin bewegt werden. Damit wir sozusagen das richtige Tor finden und die richtigen Bälle hineinschießen, werden wir Gelegenheit haben, das nach einer Ausschussüberweisung zu besprechen. Ich habe vergessen, in welche Ausschüsse die Koalition das überwiesen haben möchte.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Das wird sich noch feststellen lassen.
Dr. Andreas Schmidt (SPD):
Das wird jemand nach mir sagen. - Vielen Dank.