Wulf Gallert (DIE LINKE):
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt zwei Dinge, über die man hier reden kann: Das eine ist die Rede von Herrn Tillschneider, das andere ist die Sache.
(Zuruf: Ja!)
Ich will an der Stelle zumindest sagen: Ich fand die Rede von Herrn Tillschneider gar nicht so überflüssig. Denn sie hat sehr deutlich gemacht, welche Begeisterung und welche geradezu emotionale Verbundenheit die AfD mit dem politischen System Putin verbindet.
(Zustimmung bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Oliver Kirchner, AfD: Mit der Bevölkerung Russlands! Das ist das, was Sie nicht begreifen, Herr Gallert!)
Das war eine überzeugende Leistung. Wenn man sich fragt, warum eigentlich, dann stellt man fest, es gibt wirklich eine Reihe von Parallelen, die man sich gegenseitig in Moskau schon längst in die Hand versprochen hat; so ist es ja nicht. Nationalismus, Militarismus,
(Daniel Rausch, AfD: Ihr seid doch die Kriegstreiber! Was soll denn das?)
Demokratiefeindlichkeit.
(Zuruf von der AfD)
Das kann man genauso über die AfD schreiben wie über Putin.
(Zustimmung bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von der AfD: Wer liefert denn die Waffen? Das seid ihr doch!)
Es gibt eine Menge ideologischer Identitäten. Deswegen ist die Rede von Herrn Tillschneider im Grunde genommen nichts anderes als der Beweis für einen sozusagen glühenden Putin-Fan; das ist doch klar und logisch. Für uns ist das wichtig zu konstatieren.
(Daniel Roi, AfD: Herr Gallert, Sie wissen, das sind auch Ihre Leute, die mit der Sowjet-Fahne draußen rumstehen bei den Demos!)
Das war es dazu. Jetzt kommen wir zu den Beziehungen zu Russland, zu russischen Institutionen, zu Menschen aus Russland, zu zivilen Kontakten. Das will ich einmal ausdrücklich davon trennen. Dazu sage ich: In dem Fall ist die Antwort nicht so einfach, weil natürlich auch ich das will ich ganz deutlich sagen immer dafür plädiert habe, die Beziehungen zu Institutionen und zu Organisationen innerhalb der Russischen Föderation aufrechtzuerhalten, selbst dann, wenn es schwer wird.
(Zuruf von der AfD: Ja, ist doch richtig!)
Wir haben jetzt folgendes Problem. Bis zu diesem Krieg darüber kann man unterschiedlicher Auffassung sein; ich nenne meine war Russland eine Autokratie. In etwas schwächerer Ausprägung gilt dies übrigens auch für Polen und Ungarn. Aber bis zu diesem Krieg war Russland eine Autokratie. Mit diesem Krieg ist Russland zu einer Diktatur geworden.
(Lothar Waehler, AfD: Damit kennen wir uns ja aus in der DDR, mit Diktaturen!)
Das unterscheidet die Situation vor und nach dem Krieg z. B. hinsichtlich der Beziehungen zwischen Universitäten, zwischen staatlichen Strukturen auf kommunaler Ebene oder auch zwischen quasi staatlichen oder nichtstaatlichen Organisationen. Weil wir es bei Russland inzwischen mit einer Diktatur zu tun haben, können wir selbst dann, wenn es uns vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen wehtut, nicht mehr dazu aufrufen, diese Beziehungen aufrechtzuerhalten.
Ich plädiere trotzdem dafür, überall dort, wo es noch Brücken jenseits formaler organisatorischer Strukturen gibt, diese auf individueller Ebene und vielleicht auch auf sehr niedriger organisatorischer Ebene beizubehalten. Russische Studenten werden nicht nach Hause geschickt, belorussische Studenten auch nicht. Das soll auch so bleiben.
(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)
Deswegen ist es wichtig, an der Stelle zu differenzieren. Aber es ist genauso wichtig, diese militaristisch-nationalistische Ideologie bei der AfD und bei Herrn Putin zurückzustellen. - Danke.
(Beifall bei der LINKEN)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Herr Gallert, Sie haben es bestimmt schon gesehen: Es gibt eine Intervention von Herrn Scharfenort. Er ist heute richtig auf dieses Instrument gekommen. Das hat er sich hart erarbeitet. Ich glaube, es ist inzwischen seine fünfte Intervention.
(Siegfried Borgwardt, CDU, lacht)
Aber bitte, Sie sind an der Reihe.
Jan Scharfenort (AfD):
Herr Gallert, zumindest ich für meine Person verwahre mich vor der Unterstellung, ein Putin-Anhänger zu sein. Ich bin weder ein Salenskyj-Anhänger noch ein Putin-Anhänger. Ich hasse Personenkult in jeglicher Form.
(Zuruf von der AfD: Richtig!)
Nehmen wir einmal das Gegenbeispiel, nehmen wir einmal Salenskyj.
(Zurufe: Selenskyj!)
Sie können in der Mainstreampresse einmal schauen, was vor gut einem Jahr über Salenskyj geschrieben wurde: dass er korrupt ist, nicht durch demokratische Wahlen an die Macht gekommen ist usw. usf. Ich lasse mich weder von der einen noch von der anderen Seite vereinnahmen.
Ich war begeistert deswegen habe ich laut geklatscht , weil es ein geniales Plädoyer von Herrn Tillschneider für die Künstlerfreiheit, die Kunstfreiheit und die Meinungsfreiheit war. Davon bin ich begeistert. Aber ich bin erschrocken, wie einfach diese Freiheit hier Stück für Stück zu Grabe getragen wird das erschreckt mich in diesem Land und mit welcher Begeisterung und auch Kriegsbegeisterung die Altparteien ins Land ziehen.
Ich bin der Meinung, mit den Altpolitikern der Altparteien wäre es so weit nicht gekommen. Ich zitiere Herrn Teltschik, den ehemaligen Chef der Münchner Sicherheitskonferenz und Berater von Kanzlern. Er sagte: Man muss immer im Dialog bleiben. Dafür plädiere ich. Wir müssen auch in diesen Zeiten, egal wie schwer uns das fällt, immer mit dem Gegner erst recht mit einer Atommacht im Dialog bleiben.
(Beifall bei der AfD - Zurufe bei der AfD: Richtig! Sehr schön!)
Wulf Gallert (DIE LINKE):
Bevor Sie das nächste Mal eine solche Intervention tätigen und sich auf verschiedene Personen beziehen, schauen Sie noch einmal genau nach, wie der ukrainische Präsident heißt.
(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zuruf von der AfD: Ja, ja, komm! Das ist alles, was er hat! - Weitere Zurufe von der AfD)
Ich habe am Anfang nicht so richtig verstanden, wer das nun eigentlich sein soll.
Ich will eines sagen. Wissen Sie, das ist diese typische Umkehrgeschichte. In diesem Krieg gibt es ganz eindeutig einen Aggressor und ein Opfer.
(Christian Hecht, AfD: Die USA ist der Aggressor!)
Das heißt noch lange nicht, dass alle innenpolitischen Verhältnisse in der Ukraine in Ordnung sind. Aber das ändert nichts daran, dass die Ukraine in diesem Kontext das Opfer ist.
(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)
Ich will noch etwas zu einer anderen Frage sagen. Herr Tillschneider hat sozusagen die hohen Leistungen der Russischen Föderation auf allen möglichen Gebieten ausdrücklich befürwortet. Er hat kein kritisches Wort zu dem Krieg gesagt.
(Zuruf von der AfD: Es ging gar nicht um den Krieg!)
Er hat kein kritisches Wort zu den innenpolitischen Verhältnissen gesagt, die über die Institutionen, mit denen Sie weiter Kontakt haben wollen, durchgesetzt werden. Machen wir uns doch alle einmal nichts vor. Bei den Vereinbarungen, die mit Wissenschaftseinrichtungen unterschrieben worden sind, sind die Universitätsprofessoren diejenigen, die dafür zu sorgen haben, dass es keine kritische Stimme an ihrer Universität gibt. Diese Form von Diktatur ist für Sie überhaupt kein Problem. Das ist überhaupt kein Problem der Einschränkung der Meinungsbildung. Das ist überhaupt keine Einschränkung. Wenn die Leute auf der Straße zusammengeschlagen oder augenblicklich abgeführt werden, wenn sie gegen diesen Krieg protestieren, dann ist das alles kein Problem. In Ihrer Gedankenwelt sind Sie hier in einer Diktatur und mobilisieren gegen das System. Das System erträgt Sie eigenartigerweise.
(Olaf Meister, GRÜNE, lacht)
Wieso eigentlich, wenn wir in dieser Diktatur sind?
(Zustimmung bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Wieso, wenn es hier überhaupt keine Kunstfreiheit und überhaupt keine Freiheit mehr gibt? Sie sitzen hier, Sie reden hier vorn, Sie bekommen die Abgeordnetendiäten, Sie werden von diesem Staat eigenartigerweise gepäppelt, der Sie angeblich so bekämpft und kurz vor einer Diktatur steht. Schämen sich manchmal eigentlich dafür?
(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Herr Gallert, es gibt eine Frage von Herrn Roi, sofern Sie diese beantworten wollen.
Wulf Gallert (DIE LINKE):
Nein.
(Zustimmung bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Olaf Meister, GRÜNE, lacht)