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Plenarsitzung

Transkript

Guido Kosmehl (FDP): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich vielleicht eine Vorbemerkung machen, zumal die Fraktionsvorsitzende der Linken auch auf einen Zwischenruf, der durchaus zum parlamentarischen Gebrauch gehört, reagiert hat. Was zumindest früher nicht zum parlamentarischen Gebrauch gehörte, war das Essen im Plenarsaal. - Die Schokolade. - Gerade bei einem solchen Thema finde ich das, ehrlich gesagt, auch nicht angemessen. Aber vor allem braucht es Ihrer Belehrungen nicht. 

(Beifall bei der AfD) 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man einen Antrag auf einen gesetzlichen Feiertag stellt, kann man nicht mitten in der Debatte anfangen, zurückzurudern und dann zu sagen, aber einen Gedenktag müsst ihr doch mitmachen. 

(Oliver Kirchner, AfD: So ist es! - Weiterer Zuruf von der AfD: Peinlich!) 

Wer die Geschichte des Beschlusses im Sächsischen Landtag kennt, der weiß, warum die CDU-Fraktion in Sachsen so abgestimmt hat, wie sie abgestimmt hat. Das war nämlich Teil einer Vereinbarung, nach der die Linksfraktion im Sächsischen Landtag der Minderheitsregierung aus CDU und SPD zukünftig bei Abstimmungen zu einer Mehrheit verhelfen soll. Das war der Preis dafür, diesen Gedenktag in den Sächsischen Landtag einzubringen. 

(Ulrich Siegmund, AfD: Die CDU verkauft sich für alles!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will noch zwei Punkte herausgreifen. Erstens will ich mich ausdrücklich von dem distanzieren, was Herr Kirchner gerade gesagt hat. Der 8. Mai ist ein Tag der Befreiung. 

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD) 

Er ist vor allen Dingen ein Tag zum Erinnern. Er sollte uns allen Mahnung sein, dass das, was Kriege hervorbringen, was Länder und Menschen erleiden müssen, sowohl im Krieg als unmittelbar auch nach dem Krieg, unser weiteres Handeln bestimmen sollten. 

So hat Bundespräsident Walter Scheel zum 30. Jahrestag am 8. Mai 1975 gesagt, der 8. Mai 1945 sei ein widersprüchlicher Tag in der deutschen Geschichte. Aber unser Staat habe die Kraft, sich zur ganzen Geschichte zu bekennen, auch zu dem dunklen Tag, meine sehr geehrten Damen und Herren. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN) 

Ich will an dieser Stelle gar nicht weiter vertiefen, wie die DDR mit dem Tag der Befreiung umgegangen ist. Bis 1967 war er in der DDR noch gesetzlicher Feiertag und wurde dann als solcher abgeschafft. Zweimal, und zwar am 8. Mai 1985 und am 9. Mai 1975, war er, um der UdSSR damals entgegenzukommen, noch einmal ein arbeitsfreier Tag. Im Übrigen war es ein Gedenktag, an dem aber zur Arbeit angehalten wurde. 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der DDR - ich habe nur den 8. Mai 1985 bewusst mitbekommen - hat man aber auch nur der Befreiung vom Hitler-Faschismus und dem großartigen Wirken der Roten Armee gedacht und nicht den unzähligen Opfern, wie den Homosexuellen und anderen Verfolgten in den KZ. Davon hat man in der DDR-Geschichte nichts gehört. 

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir an diesem 8. Mai - das bietet sich in diesem Jahr zum 80. Jahrestag sicherlich auch an - die gesamte Geschichte erzählen und an alle Opfergruppen erinnern.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU, bei der Linken, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Eine letzte Bemerkung. Wenn der Kollege Erben sagt, wir könnten doch einmal darüber nachdenken, Gedenktage auch in unser Sonn- und Feiertagsgesetz aufzunehmen, dann sage ich Ihnen: Wir als Freie Demokraten würden sehr gern darüber reden. Wir haben aber im Sonn- und Feiertagsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt noch so einiges zu tun. Auch Feiertage, die keine arbeitsfreien Feiertage sind, wie z. B. der Buß- und Bettag, unterliegen für viele erheblichen Restriktionen. Auch darüber könnte man bei einer solchen Reform natürlich nachdenken. 

(Zustimmung von Konstantin Pott, FDP) 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Kosmehl, kommen Sie zum Ende. 


Guido Kosmehl (FDP): 

Ich bin fertig. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Sie sind fertig, gut. - Es gibt eine Reihe von Fragen. Zum Ersten hat sich Herr Kirchner gemeldet und dann auch noch Herr Zietmann. Aber bei einer Dreiminutendebatte kann nur ein Abgeordneter pro Fraktion eine Frage stellen. - Herr Zietmann winkt ab. - Dann spricht Herr Kirchner. Zudem gibt es eine Frage von Herrn Schumann und eine Intervention von Herrn Gallert. In dieser Reihenfolge. - Herr Kirchner beginnt. 


Oliver Kirchner (AfD): 

Sehr geehrter Herr Kosmehl, ich habe natürlich in meiner Rede gesagt, dass ich den Alliierten dankbar dafür bin, dass sie uns von diesen Leuten befreit haben. Das ist keine Frage. Die Frage, die sich aber stellt, ist, wie die DDR damit umgegangen ist. In welcher Freiheit haben wir denn dann gelebt? Wurden wir befreit? Wer hat denn den Aufstand am 17. Juni 1953 niedergeschlagen? Waren das nicht auch russische Soldaten? Auch das muss man mit behandeln. An dieser Stelle gibt es wenig zu feiern. An dieser Stelle gibt es meiner Meinung nach mehr nachzudenken und mehr innezuhalten als zu feiern.

(Beifall bei der AfD) 

Das wollte ich aussagen. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Kosmehl.


Guido Kosmehl (FDP): 

Herr Kirchner, Sie haben die Alliierten erwähnt und auch den Dank für die Befreiung. Ihre Schilderungen waren ansonsten etwas einseitig. Die Verbrechen, die die deutsche Wehrmacht in Europa an der Ost- und an der Westfront begangen hat, haben Sie natürlich nicht genannt. 

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

Aber ich sage es noch einmal: Der Krieg hat schlimmes Leid über ganz viele Menschen und ganz viele Landstriche gebracht. Daran zu erinnern, dass ein Krieg zu Ende ist, ist immer ein guter Moment. 

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD - Zurufe von der AfD) 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ob das immer mit einem Feiertag sein muss     Das kann uns vielleicht auch eine Lehre sein. 

Der 17. Juni 1953 - ich wohne in Bitterfeld-Wolfen und ich weiß, was der 17. Juni dort bedeutet hat - war ein gesetzlicher Feiertag in der Bundesrepublik Deutschland. Aber viele, die Sie 1989 danach gefragt haben, was eigentlich am 17. Juni geschah, wussten das nicht, sondern sagten, es war ein freier Tag. Das darf nicht sein, wenn wir es ernst meinen mit dem Gedenken an einen bestimmten Zeitpunkt, an ein bestimmtes Ereignis.

(Zustimmung bei der CDU) 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Jetzt ist Herr Schuman an der Reihe. 


Andreas Schumann (CDU): 

Herr Kosmehl, würden Sie mir bei meiner Einschätzung recht geben, dass der eigentliche Tag der Befreiung der 9. November 1989 war? 

(Zustimmung bei der CDU - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Jawohl!) 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Kosmehl.


Guido Kosmehl (FDP): 

Herr Schumann, als jemand, der im Jahr 1975 geboren wurde und einiges erlebt hat, kann ich den 9. November 1989 für mich persönlich als eine Art Befreiung, als einen Tag des Aufbruchs in eine Demokratie verstehen. Trotzdem, Herr Schumann, hat der 8. Mai 1945 eine schreckliche Gewaltherrschaft gegenüber anderen Ländern, aber auch gegenüber dem eigenen deutschen Volk beendet. Auch das sollten wir als einen wichtigen Tag in der Geschichte unseres Landes anerkennen.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Gallert.


Wulf Gallert (Die Linke): 

Herr Kosmehl, ich will mit einem Irrtum aufräumen, der in einer medialen und zum Teil auch historischen Darstellung extrem vergröbert ein falsches Bild zeichnet. Im Gegensatz zu Ihnen - ich werfe Ihnen das nicht vor - bin ich in der DDR aufgewachsen und habe das erlebt, was man sozusagen als staatlich verordnete Feiertagskultur kennt. 

Ich will aber auch ganz klar sagen: So einfach, dass es in der DDR nur um die kommunistischen Opfer ging, war es eben auch nicht. 

(Jörg Bernstein, FDP: Doch!)

Das ist eine Darstellung vor allen Dingen von westdeutschen Historikern, die allerdings - das muss ich mit aller Deutlichkeit sagen - auch nicht meiner eigenen Lebenserfahrung entsprochen hat. 

(Jörg Bernstein, FDP: Das stimmt nicht! - Guido Heuer, CDU: Nein!)

Ich habe in der siebenten Klasse einen Pionierauftrag bekommen und das war, einen jüdischen Friedhof zu schützen und ihn sauber zu halten, und zwar mit der Begründung, dass die Nazis die Juden umgebracht haben und wir als Pioniere in dieser Organisation Gott verdammt nochmal die Pflicht haben, diesen Friedhof sauber zu halten. 

(Jörg Bernstein, FDP: Stimmt so nicht! - Oliver Kirchner, AfD: Das war eine Ausnahme!) 

Es gab Publikationen und Bücher in der DDR-Zeit, z. B. das Buch „Der gelbe Fleck“, 

(Marco Tullner, CDU: Das war in den Achtzigern!)

die sich dezidiert sich mit dieser Problematik auseinandergesetzt haben, zwar nicht so, wie es hätte sein müssen; das sage ich auch ganz klar. Aber so einfach, dass alle anderen Sachen geleugnet worden sind, war es in der DDR auch nicht. - Danke. 

(Zuruf von Marco Tullner, CDU)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Kosmehl.


Guido Kosmehl (FDP): 

Herr Gallert, das ist die Wahrnehmung, die jeder hat, und das Erlebte kann man nur so schildern. Ich persönlich kann mich ebenfalls an viele Feiertagskulturen erinnern. Weil mich Geschichte schon immer interessiert hat, habe ich sehr genau in Geschichte aufgepasst. Die Wirkrichtung der Opfer - ich nenne einmal Leute wie Ernst Thälmann und deren Geschichte. Die vielen Kommunisten, die ermordet wurden, wurden herausgestellt gegenüber den 6 Millionen Jüdinnen und Juden, die in Europa durch Deutschland umgebracht worden sind. Das steht in keinem Verhältnis. 

Deshalb sage ich es noch einmal: Wenn wir an den 8. Mai 1945 erinnern wollen, dann sollten wir das auch angemessen gegenüber allen Opfergruppen machen. Das schließt übrigens auch den Kreis. In den alten Bundesländern hat man gerade die kommunistischen Opfer im Gedenken nicht so besonders herausgehoben. Deshalb sage ich: Wenn, dann muss es für alle Opfergruppen gelten. 

Noch einmal: Es war eine tragische Zeit für Deutschland und es war gut, dass diese Zeit beendet worden ist. 

Ich muss ganz ehrlich gestehen: Ich habe auch die Parteigeschichte danach verfolgt und das, was wir zwischen 1945/1946 und 1952 gerade auch im Landtag von Sachsen-Anhalt erlebt haben, als wir versucht haben, eine Demokratie aufzubauen, und dann alles beendet wurde, und auch, wie mit frei gewählten Abgeordneten umgangen wurde. Da hat die sowjetische Herrschaft, hat die sowjetische Diktatur ihre schlimme Seite gezeigt. Die hat sich bis 1989 an vielen Stellen leider immer wieder gezeigt. Deshalb sage ich Ihnen: 1945 war die Möglichkeit, eine Gewaltherrschaft zu beenden, und 1989 haben wir dann auch die andere Diktatur beendet.