Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Im August 2021 gab es einen sprunghaften Anstieg illegaler Einreisen und illegaler Grenzübertrittversuche von Belarus nach Polen, Litauen und Lettland. Der Grund für diesen sprunghaften Anstieg war staatlich organisierte Schleusung durch das belarussische Regime. Auf diese staatlich organisierte Schleusung haben die Europäische Union und die Bundesregierung mit einem umfassenden Ansatz reagiert. Dieser Ansatz sah weitere Sanktionen gegen Belarus und unter anderem Sanktionen gegen Fluggesellschaften vor, die Migranten nach Minsk flogen. Außerdem wurde der Grenzschutz erheblich verstärkt.
Mittlerweile wird immer deutlicher, dass die eingeleiteten Maßnahmen Wirkung zeigen. Betroffene Fluggesellschaften haben Flugverbindungen aus Herkunfts- und Transitländern von Asylmigration nach Minsk ausgesetzt. Viele Migrantinnen und Migranten sind zurückgeflogen, teilweise auch mit Flügen, die von den Herkunftsländern eigens zu diesem Zweck organisiert worden sind.
Heute lässt sich deshalb feststellen, dass die Zahl der illegalen Grenzübertritte deutlich zurückgegangen ist und sich aktuell auf sehr niedrigem Niveau bewegt. In der dritten Januarwoche, also in der letzten Woche, wurden noch 13 illegal Einreisende aus Belarus in die Europäische Union registriert. Auch die Zahl der Migrantinnen und Migranten an der Grenze ist deutlich gesunken. Nach der Schätzung des Bundesministeriums des Innern befanden sich Mitte Januar nur noch etwa 1 500 Migranten in Belarus. Nur ein kleiner Teil der in Belarus verbliebenen Migrantinnen und Migranten ist derzeit noch in einer Liegenschaft in Grenznähe untergebracht. Nach Informationen des Bundesinnenministeriums werden Migrantinnen und Migranten weiterhin zurückgeflogen.
Dass sich die an der Grenze eintreffenden Migranten oftmals in einer schwierigen Lage befanden, wurde weder von der Europäischen Union noch von der Bundesregierung verkannt. Deshalb wurde für diese Menschen humanitäre Hilfe auf den Weg gebracht. Die Internationale Organisation für Menschenrechte ist mittlerweile mit einem Hilfsprojekt vor Ort. Von der Europäischen Kommission und dem UNHCR wird ebenfalls humanitäre Hilfe geleistet. Deutschland hat darüber hinaus auch für das polnische und das litauische Rote Kreuz Mittel zur Verfügung stellt.
Dies zusammen betrachtet, sage ich, es ist gelungen, den Konflikt und die humanitäre Lage vor Ort zu entschärfen. Diese Entwicklung zeigt, dass die Europäische Union etwas bewegen und verändern kann, wenn sie solidarisch zusammensteht und gemeinsam entschlossen handelt. Ein nationaler Alleingang in Gestalt von Aufnahmeprogrammen des Bundes oder der Länder würde diese gemeinsamen europäischen Bemühungen konterkarieren. Aufnahmeprogramme des Bundes oder der Länder würden zudem den Erfolg der von der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen wieder infrage stellen; denn sie würden das Signal senden, dass eine Weiterreise nach Deutschland oder in andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union letztlich doch ermöglicht wird. Das würde dem Geschäft der Schlepper und Schleuser neuen Schub geben. Das gilt es, unbedingt zu vermeiden.
(Zustimmung)
Lassen Sie uns deshalb, Frau Quade, weiter an nachhaltigen Lösungen auf europäischer Ebene arbeiten. Insoweit nehmen wir den Bund gern weiter in die Pflicht.
Zum Schluss will ich noch kurz auf die Forderung eingehen, dass Dublin-Überstellungen wegen angeblich systemischer Mängel im polnischen Asylsystem einstweilen ausgesetzt werden sollen. Zu flächendeckenden systemischen Mängeln im polnischen Asylsystem liegen uns keine Erkenntnisse vor. Auch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung geht, anders als sie das bspw. im Vergleich zum griechischen Asylsystem getan hat, nicht davon aus, dass wesentliche Gründe für die Annahme bestehen, dass das polnischen Asylsystem systemische Schwachstellen aufweist. Da das so ist, gibt es keine rechtlichen Gründe, um Überstellungen und Rückführungen in den zuständigen EU-Mitgliedsstaat auszusetzen oder davon abzusehen. - Vielen Dank.
(Zustimmung)