Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Vielen Dank, Frau Präsidentin.- Meine Damen und Herren! Keine Frage, die Herausforderungen, die die Energiewende mit sich bringt, sind groß, und selbstverständlich müssen wir uns den Diskussionen im Zusammenhang mit der Frage, wie die Energiewende funktionieren kann, stellen.
Die Art und Weise, wie Sie die Diskussion aufziehen, bringt uns jedoch nicht weiter. Sie dient nur einem Ziel, nämlich dem Ziel, Ängste zu schüren. Dies ist eine bekannte Methode, mit der Sie regelmäßig versuchen, die Menschen zu verunsichern.
(Zustimmung - Zuruf: Schwachsinn, das sind Tatsachen!)
Das hat Ihre Rede, Herr Scharfenort, gerade gezeigt. Ich bin mir sicher, dass nicht nur ich, sondern auch die folgenden Rednerinnen und Redner aufzeigen werden, dass Sie mit Ihrer Position einsam und alleine auf verlorenem Posten stehen.
(Lachen)
Weder im politischen Raum noch bei den großen Energieversorgern und der Wirtschaft wird die Energiewende infrage gestellt. Mit Blick auf die Frage, wie sie gelingen kann, gehen die Meinungen auseinander. Deshalb braucht es eben eine inhaltlich sachliche Diskussion, aber nicht das Heraufbeschwören von Mythen und Blackout-Szenarien, wie man sie bestenfalls in Science-Fiction-Thrillern nachlesen kann.
(Zustimmung - Zuruf: Den Mythos organisieren Sie doch!)
In Ihrem Antrag zur Aktuellen Debatte nutzen Sie die reißerische Überschrift des „Focus“ für Ihre Argumentation, setzen Sie aber leider nicht in Bezug zu der Aussage, dass das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe flächendeckende Blackouts für unwahrscheinlich hält.
Leider haben Sie bewusst oder unbewusst nicht bis zum Ende des zitierten Artikels aus dem Magazin „Focus“ gelesen; denn darin ist folgende Aussage der Bundesnetzagentur zu finden. Ich zitiere:
„Die Energiewende und die steigende Anzahl dezentraler Erzeugungsleistungen haben weiterhin keine negativen Auswirkungen auf die Versorgungszuverlässigkeit.“
Die Netzstabilität ist durch den Ausstieg aus der Nutzung von Kernenergie zu keiner Zeit gefährdet.
(Zustimmung)
Die Übertragungsnetzbetreiber kommen in einer langfristigen Netzanalyse bis zum Jahr 2038 zu dem Ergebnis, dass die Netzstabilität auch bei Fortschreiben des Kohleausstiegs nicht gefährdet sei. Was passieren muss vielleicht können wir uns darauf einigen : Es müssen bestimmte Voraussetzungen dafür geschaffen werden.
Meine Damen und Herren! Das ist der springende Punkt, über den wir diskutieren müssen, nämlich wie die für einen sicheren Netzbetrieb erforderlichen Systemdienstleistungen, wie die Momentanreserven, weiter entwickelt werden können. Wir müssen darüber reden, wie wir einen schnelleren Ausbau von Windkraft- und Fotovoltaikanlagen realisieren können. Wir müssen über den Ausbau und über die Digitalisierung der Netze reden. Und wir müssen darüber reden, wie wir diejenigen unterstützen, die forschen und nach technischen Lösungen zur Netzstabilität suchen.
Wir haben mit Prof. Komarnicki am Fraunhofer-Institut, mit Prof. Walter und Juniorprofessorin Ines Hauer an der Otto-von-Guericke-Universität dieses Know-how und dieses müssen wir nutzen.
Das sind die Themen, die ganz oben auf der Agenda stehen müssen, wenn wir über die Energieversorgung von morgen reden wollen.
Vor allem aber, meine Damen und Herren, müssen wir handeln. Jede weitere Verzögerung, jedes weitere Abwarten, jedes Taktieren kostet uns wertvolle Zeit - wertvolle Zeit, die uns im Wettlauf um die beste technische Lösung bei der Energieversorgung unter Verwendung der erneuerbaren Energien verloren geht.
(Zustimmung)
Denn mit dem Atomausstieg und dem Kohleausstieg sind die Weichen gestellt. Jegliche Diskussion über verlängerte Laufzeiten oder den Erhalt von Kohlestandorten ist verschwendete Zeit, die wir besser dafür nutzen sollten, die Energiewende voranzutreiben.
(Zustimmung)
Wir sollten diese Zeit besser dafür nutzen, darüber diskutieren, wie diese gelingen kann; denn das Ziel der deutschen Energiepolitik ist eine umweltverträgliche, sichere und kosteneffiziente Energieversorgung. Ansätze dazu finden Sie im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition: mehr Tempo und Verbindlichkeit beim Netzausbau auf allen Ebenen, die Beschleunigung des Rollouts bei Smart Grids und regelmäßigen Stresstests der Versorgungssicherheit.
Als Weiterentwicklung der Netzentwicklungsplanung werden die Bundesnetzagentur und die Netzbetreiber mit der Erarbeitung des Klimaneutralitätsnetzes beauftragt. Die Systemstabilität gemäß Netzentwicklungsplan soll um die „Roadmap Systemstabilität“ ergänzt werden, die bis Mitte 2023 vorliegen soll.
Die Plattform „Klimaneutrales Stromsystem“, ein Zusammenschluss aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, wird ins Leben gerufen. Ziel ist es, konkrete Vorschläge zum zukünftigen Strommarktdesign zu erarbeiten.
Was all diese Maßnahmen gemeinsam haben werden, ist die Erkenntnis, dass die Energieversorgung auf der Basis erneuerbarer Energien und Speicher passieren wird. Das ist auch ökonomisch die beste Variante, da die erneuerbaren Energien bereits am günstigsten sind und günstiger werden, während die fossilen Kostentreiber noch teurer werden, obwohl weiterhin nicht einmal die gesamten Umwelt- oder Klimaschäden und sonstige Folgekosten bei den Fossilen eingepreist werden.
Wie Sie alle sicherlich bemerkt haben, drücken alle gerade mächtig aufs Tempo, um die notwendigen Weichen zu stellen. Die Eröffnungsbilanz von Wirtschaftsminister Robert Habeck hat dabei deutlich gemacht, wo wir stehen und welche immensen Kraftanstrengungen wir vornehmen müssen, um das zu erreichen, was die Vorgängerregierung im Klimagesetz auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes als Ziel gesetzt hat.
(Zustimmung)
16 Jahre lang wurde an dieser Stelle immens gebremst. Das hat uns weit zurückgeworfen, wirkt sich negativ auf den Klimaschutz aus und birgt ein hohes Risiko für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Meine Damen und Herren! Der Strom aus erneuerbaren Energien wird in Zukunft verstärkt in der Mobilität der Industrie und der Wärmeversorgung zum Einsatz kommen. Die Transformation zur Klimaneutralität wird Fahrt aufnehmen. Bei E-Autos steigen die Zulassungszahlen bereits heute rasant an. Dazu braucht es natürlich auch Speicher, welche die volatile Erzeugung ergänzen. Erfreulicherweise ergänzen sich Wind und Sonne bei den Jahreszeiten, wodurch der Schwerpunkt des zeitlichen Speicherbedarfs bei Stunden und Tagen bleiben wird. Wir müssen schnellstmöglich mit dem Aufbau einer dezentralen Infrastruktur beginnen. Deswegen sollte die Landesregierung das erfolgreiche Speicherförderprogramm weiterführen.
(Zustimmung)
Zusätzlich brauchen wir Langzeitspeicher. Wenn man sich die Technologieentwicklung der letzten Jahre genau anschaut, dann kann man eigentlich nur begeistert sein: jedes Jahr anwendungsfähige und wirtschaftliche Fortschritte im Gegensatz zur Atomkraft und Kernfusion; dort herrscht absolute Flaute, und zwar gerade wenn man nach Frankreich und nach Finnland schaut, wo der Bau neuer Reaktoren seit vielen Jahren auf sich warten lässt und sich die Kosten für den Bau vervielfachen. Gerade der Blick auf Frankreich lohnt sich derzeit. Aktuell ist ein Drittel der Atomkraftwerke abgeschaltet. Die Atomkraftbehörde hat Sicherheitsprobleme an den Reaktoren der Baureihen N4 und P4 eingeräumt. Im Falle einer Kältewelle droht hier tatsächlich ein Blackout, der das gesamte europäische Stromnetz herunterzieht.
(Zustimmung - Daniel Roi, AfD: Das ist Angstmache!)
- Das ist Realität, Herr Roi.
(Zuruf: Das ist aber jetzt auch Panikmache!)
Was wir jetzt für ein modernes Energiesystem mit einer hohen Versorgungssicherheit brauchen, ist der beschleunigte Ausbau insbesondere von Wind und Solar. Ich nehme an, Sie haben alle die Grafik des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck mit den neuen Ausbauzielen für Wind und Solar gesehen.
(Zuruf)
Ich sehe darin eine gute Nachricht für die Versorgungssicherheit, eine gute Nachricht für den Klimaschutz und eine gute Nachricht für Sachsen-Anhalt. Klimaschutz und Energiewende sorgen für dicke Auftragsbücher bei Meyer Burger, Enercon, Q Cells, Tesvolt und Co. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist und wird ein Jobmotor für Sachsen-Anhalt sein.
(Zustimmung)
Auch heute ende ich wieder mit Satz, irgendwann bleibt er vielleicht auch wie ein Ohrwurm bei Ihnen hängen: Das Land, das als erstes die Klima- und Ressourcenneutralität erreicht, hat sich auf den Weltmärkten für Jahrzehnte eine wirtschaftliche Basis gesichert.
(Zuruf: Und es verarmt!)
Das wünsche ich mir für Deutschland.
(Zustimmung)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Aldag, Herr Scharfenort hat sich für eine Zwischenintervention gemeldet.
Jan Scharfenort (AfD):
Ich gebe Ihnen gern die Quellen. Ich mache mir schon die Mühe und untersuche die Primärquellen. Auf den „Focus“ würde ich mich nicht verlassen. Meine Zitate stammen ausschließlich vom Bundestag Technikfolgenabschätzung und vom Bundesamt für Katastrophenschutz.
Sie sprachen davon, dass die erneuerbaren Energien keine Unsicherheit in das Netz bringen werden. Machen Sie es doch ganz konkret für unsere Region. Sprechen Sie mit den Stadtwerken, sprechen Sie mit Herrn Richter. Sie kennen ihn aus dem Ausschuss. Er als Ingenieur sagt Ihnen knallhart, es wird nicht funktionieren. Wir verlassen uns auf die Stromimporte und dann können Sie als GRÜNE überlegen, woher die kommen. In Deutschland schalten Sie die Atomkraftwerke ab, dann importieren wir letztendlich wieder deutlich schmutzigeren Atomstrom. Sie wissen, was in Europa mit Blick auf die Erneuerbaren gerade passiert. Atomkraft ist auch grüne Energie; für uns allerdings nicht.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Aldag, Sie haben Gelegenheit zu antworten, müssen es aber nicht.
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Es ist eine völlig falsche Einschätzung, dass ich gesagt habe Sie haben nicht richtig zugehört , es wäre alles so ohne Weiteres machbar. Ich habe zu Beginn meiner Rede gesagt, dass es eine große Herausforderung ist.
(Zuruf)
Natürlich gibt es diese Unsicherheiten.
(Zuruf: Konkrete Zahlen!)
Ich habe Ihnen genauso, wie Sie jetzt zitiert haben
(Zuruf: Zahlen! Konkrete Zahlen, wie Sie die Stromlücke von 100 TWh schließen wollen! Konkret!)
- Ich soll doch auf Ihre Zwischenintervention reagieren, oder nicht?
(Zuruf: Bla, bla, bla ist das! - Lachen)
- Dann lassen wir es.