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Plenarsitzung

Transkript

Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Idee einer Fahrradstaffel ist auch für Sachsen-Anhalt nicht neu. 

(Siegfried Borgwardt, CDU: So ist es!)

Von 2002 bis 2009 gab es in den damaligen Polizeidirektionen Magdeburg und Halle jeweils Fahrradstaffeln. Wer hat sie eingeführt? - Ein CDU-Innenminister, nämlich Herr Jeziorsky.

(Guido Kosmehl, FDP: Und in welcher Koalition? - Frank Bommersbach, CDU: Mit euch!)

Die Bediensteten damals haben je nach Einsatzanlass zwischen 7 km und 40 km pro Schicht zurückgelegt. Die Einsatzanlässe waren vor allem Streifenfahrten im Innenstadtbereich, in Parkanlagen und gelegentlich auch bei Großveranstaltungen im Stadtgebiet.

Zum Zeitpunkt der Einführung der Fahrradstaffel im Jahr 2002 gab es fast 8 400 Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte in der Landespolizei. Aufgrund stetig aufwachsender Anforderungen an die Landespolizei und an die polizeiliche Arbeit und der gleichzeitig sinkenden Personalanzahl gab es am Ende keine ausreichende personelle Ausstattung für die Fahrradstaffel mehr. Deswegen wurde sie in Konsequenz im Jahr 2009 aufgelöst.

(Zustimmung bei der AfD und bei der FDP)

Anfang 2009 gab es übrigens noch fast 7 500 Polizeivollzugsbeamte im Land. Wie Sie wissen, ist es das Ziel der Landesregierung, den personellen Aufwuchs in der Landespolizei weiter voranzutreiben. Unser Ziel ist es, dass bis zum Ende dieser Legislaturperiode mindestens 7 000 Polizeivollzugsbeamte wieder im Land tätig sind. Aber diese Zahl ist bislang noch nicht erreicht worden.

Auch wenn die Landesregierung der Einrichtung einer Fahrradstaffel grundsätzlich durchaus aufgeschlossen gegenübersteht, muss ich aber zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass die derzeitige Personalstärke die Einrichtung einer Fahrradstaffel als eigenständige Organisationseinheit nicht zulässt. Eigentlich haben auch insbesondere die Erfahrungen der Jahre 2002 bis 2009 gezeigt, dass eine sachgerechte Aufgabenwahrnehmung durch eine Fahrradstaffel nur dann möglich ist, wenn die entsprechende Einheit auch jeweils über eine angemessene Personalausstattung verfügt.

(Zuruf: Ach!)

Das heißt nicht, dass die Landespolizei nicht heute schon auf dem Fahrrad unterwegs ist - ganz im Gegenteil. Allein die Regionalbereichsbeamtinnen und -beamten im Land verfügen über 122 Fahrräder. Den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land sind daher, glaube ich, Polizisten auf dem Fahrrad durchaus vertraut. Die hauptsächliche Aufgabe der Regionalbereichsbeamten besteht darin, in den Städten und den Gemeinden „Polizei zum Anfassen“ zu sein. Die Regionalbereichsbeamten verstehen sich als erste Ansprechpartner für mannigfache Bürgeranliegen: sei es zu Fragen der Prävention, der Berufswerbung oder in Belangen von Strafanzeigen und Ordnungswidrigkeiten. Daher ist es nur folgerichtig, dass die bürgernahen Regionalbereichsbeamten auch auf dem Fahrrad unterwegs sind.

(Zustimmung bei der CDU - Marco Tullner, CDU: Sehr gut!)

Daher wollen wir übrigens auch noch in diesem Jahr ca. 50 Pedelecs für die Regionalbereichsbeamten anschaffen. Damit sollen sie auch Wege, die derzeit mit dem Fahrrad nur schwerlich zurückzulegen sind, besser zurücklegen können.

Was also ist mein Zwischenfazit? - Fahrräder als Einsatzmittel sind unverzichtbar; das ist unstrittig.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Daher werden sie auch heute schon als Einsatzmittel eingesetzt.

Ich will noch kurz auf die Verkehrsunfallstatistik eingehen. Denn, Herr Striegel, Sie haben darauf auch Bezug genommen. Ich habe erst vor Kurzem die Verkehrsunfallstatistik für das Jahr 2021 vorgestellt. In Bezug auf die Beteiligung von Fahrradfahrern an Verkehrsunfällen konnten wir im letzten Jahr einen sehr erfreulichen Rückgang konstatieren: Die Zahl der verunglückten und tödlich verletzten Radfahrerinnen und Radfahrern auf Sachsen-Anhalts Straßen hat den niedrigsten Stand seit dem Jahr 2007 erreicht. Die Zahl der tödlich Verunglückten sank zum Glück um 23 %.

Bei der Beteiligung von Fahrradunfällen mit Pedelecs stellt sich das anders dar. Leider war ein Anstieg um 33 % zu verzeichnen. Der Anteil der Unfälle mit Beteiligung von Pedelecs an allen Fahrradunfällen liegt bei 9 %. Fünf Pedelec-Fahrerinnen und -Fahrer starben; vier von ihnen waren älter als 65 Jahre. 

Dieser Herausforderung durch dieses letztlich neue Verkehrsmittel Pedelec sind wir uns in unserer polizeilichen Arbeit sehr wohl bewusst. Wir greifen das Thema in diversen Veranstaltungen auf. Einige von Ihnen haben den gestrigen Auftakt der Aktion „Mensch aufm Rad“ auch mitverfolgt. Ich habe mich gefreut, dass der Abgeordnete Krull als Präsident der Landesverkehrswacht mit auf dem Domplatz war.

(Unruhe)

Herr Striegel, Sie haben auch darauf hingewiesen, dass der Aktionstag zum Teil präventive Arbeit umfasst, aber natürlich auch mit Kontrollen verbunden ist. Wir werten gerade den gestrigen Kontrolltag aus. Insofern liegen mir noch keine abschließenden Zahlen vor. Aber Ihre Aussage, dass dabei nur Fahrradfahrer in den Blick genommen werden

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Das habe ich nicht gesagt!)

und nicht andere Verkehrsteilnehmer, ist unzutreffend. Um Ihnen einfach die Zahlen zu nennen: Wir haben gestern ungefähr fast 2 300 Fahrzeuge kontrolliert, fast die Hälfte davon waren Pkw und Lkw. Das heißt, wir nehmen bei solchen Aktionskontrolltagen natürlich sowohl Fahrräder in den Blick, um zu prüfen, ob sie ausreichend beleuchtet sind und ob sich Fahrradfahrer verkehrsgerecht verhalten. Wir nehmen aber ganz genauso Pkw und Lkw in den Blick.

Mir ist auch wichtig, dass es natürlich nicht bei einem einzigen Aktionstag im Jahr bleiben kann. Vielmehr führen wir natürlich alljährlich regelmäßig Schwerpunktkontrollen durch und stellen präventive Angebote zur Verfügung. Das machen wir insbesondere in sehr enger Zusammenarbeit mit den Verkehrswachten, insbesondere auch in den Grundschulen. Ich freue mich immer, dass sehr, sehr viele Grundschulkinder bereits stolze Besitzer der Urkunde über eine erfolgreich abgelegte Fahrprüfung sind.

Sie sehen also: Unsere Landespolizei nimmt das Thema Fahrrad wirklich vollumfänglich in den Blick. - Vielen Dank. 

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Ministerin, es gibt eine Frage von Herrn Striegel. - Herr Striegel, Sie haben das Wort.


Sebastian Striegel (GRÜNE): 

Frau Ministerin, ich bin zunächst froh darüber, dass der Anteil inzwischen etwa bei der Hälfte liegt. Das ist für einen solchen Aktionstag, glaube ich, auch richtig. Meine Formulierung lautete: Bei einer Vielzahl der Kontrollen werden die Radfahrerinnen in den Blick genommen. Das wollte ich nur korrekt festhalten.

(Oh! bei der AfD)

Mich interessiert, ob wir in einem Punkt beieinander sind: dass der Schutz von Verkehrsteilnehmerinnen ohne Frage einerseits einen präventiven Aspekt umfasst, andererseits aber auch eine repressive Seite hat. Mich interessiert, ob Sie mit mir darin übereinstimmen, dass es geeigneter Mittel bedarf, um repressiv tätig zu werden. Das heißt, wenn es gesetzliche Regelungen gibt, um z. B. den Seitenabstand beim Überholen von Radfahrern sicherzustellen   beim Überholen innerorts 1,50 m, außerorts mindestens 2 m  , dann braucht die Polizei auch technische Mittel, um die Einhaltung eines solchen Abstandes zu kontrollieren. Stimmen wir darin überein?



Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie haben das Wort.


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, dann hat die Polizei insbesondere bei der Messung von Mindestabständen beim Überholen von Fahrrädern die Möglichkeit zu schätzen. Das heißt, man nimmt letztlich den Abstand in den Blick und muss nicht zentimeter- oder millimeterscharf mit einem technischen Gerät den Abstand messen.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Haben Sie noch eine Nachfrage, Herr Striegel?


Sebastian Striegel (GRÜNE): 

Ich frage noch einmal nach. Das ist in der Tat die gegenwärtige Praxis, was dazu führt, dass es kaum solche Seitenabstandsmessungen gibt. Sie können sich die Zahlen aus Ihrem eigenen Haus anschauen. Ich habe dazu nachgefragt: Sie finden so gut wie nie statt. Auch meine Erkundigungen   auch ich war gestern bei dem Aktionstag anwesend   und die Gespräche mit den dortigen Beamtinnen und Beamten sowie die Gespräche, die ich sonst im Land zu diesem Thema führe, bestätigen das. Aber wäre es insofern nicht wünschenswert, dass wir auch für die Polizei in Sachsen-Anhalt zu geeigneten technischen Mitteln gelangen? Bei Geschwindigkeitskontrollen verlassen wir uns auch nicht auf das geschulte Polizeiauge, sondern darauf, dass tatsächlich gemessen werden kann.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können noch einmal.


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport): 

Ich glaube, alle Zahlen jetzt sind verfrüht. Die Straßenverkehrsordnung bzw. die Fahrradnovelle, die die Abstandspflicht materiell-rechtlich regelt, ist schon seit längerer Zeit in Kraft. Aber der Bußgeldkatalog ist erst seit Ende des letzten Jahres in Kraft. Das heißt, es kann denklogisch noch gar nicht viele Fälle geben.