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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 5

Beratung

Für ein willkommensfreundliches Sachsen-Anhalt - Geordnete Zuwanderung ermöglichen

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/235


Einbringen wird diesen Antrag der Abg. Herr Striegel.


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der vergangenen Woche jährte sich das Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei zum 60. Mal. Vor dem Hintergrund des sogenannten Wirtschaftswunders war die alte Bundesrepublik auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Und viele Menschen kamen: aus der Türkei, Italien, Spanien, Portugal und anderen Ländern. Die damals „Gastarbeiter“ genannten Menschen haben mitgeholfen, den Wohlstand der alten Bundesrepublik zu erarbeiten. Dieses Land hat es ihnen, ihren Kindern und Enkeln nicht immer gedankt, und doch sind mit der Zeit aus Gästen Mitbürgerinnen und Mitbürger geworden. Max Frisch hat diese Entwicklung in den sprichwörtlich gewordenen Satz gefasst: „Wir haben Arbeitskräfte gerufen, und es sind Menschen gekommen.“

(Vereinzelt Zustimmung)

Für diesen Teil des Landes können wir diese Entwicklung nur in Teilen für uns nachvollziehen.

Auch bei uns gab es Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter, die von der sozialistischen Staatsführung aber eher versteckt worden sind, die Betroffene und Opfer von rechter und rassistischer Gewalt geworden sind. Auch an Sie soll heute gedacht werden.

Die alte Bundesrepublik erlebte zur Zeit der Anwerbeabkommen eine rasante wirtschaftliche Entwicklung und einen Wiederaufbau, der aus eigener Kraft nicht zu stemmen war. Heute befinden wir uns in einer grundlegend anderen Situation. Aufgrund langanhaltend niedriger Geburtenraten ist die deutsche Gesellschaft dabei, in rasantem Tempo zu überaltern, ja, zu vergreisen.

In der Folge gehen uns schlichtweg die Fach- und die Arbeitskräfte aus. Vor diesem Problem steht unsere Gesellschaft insgesamt, Sachsen-Anhalt ist jedoch besonders stark betroffen von Abwanderung und Überalterung. Die grundlegenden Zahlen sind uns allen bekannt: Von einst 3,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern Anfang der 1990er-Jahre sind heute nur noch etwa 2 Millionen Menschen im Land. Insbesondere Frauen, junge und gut ausgebildete Menschen haben unser Bundesland verlassen. Sie leben und arbeiten heute in anderen Teilen Deutschlands und weltweit. Sie fehlen uns als Freundinnen und Freunde, als Kirchgemeindemitglieder, als ehrenamtlich Engagierte und inzwischen auch schmerzlich als Arbeitskräfte und als kreative Köpfe. Andreas Silbersack, der Fraktionsvorsitzende der FDP, hat gestern sehr deutlich darauf aufmerksam gemacht. Ich bin gespannt, wie die FDP, wie die Koalitionsfraktionen diesem Problem begegnen wollen.

Mit einem Durchschnittsalter von annähernd 48 Jahren ist die Bevölkerung unseres Bundeslandes die älteste der Bundesrepublik. Bewegt man sich außerhalb der Universitätsstädte Halle und Magdeburg ist das eine mit Händen zu greifende Tatsache. Sie ist gleichwohl kein Schicksal. Auch wenn gute Familienpolitik vonnöten ist, weil Kinder alle Chancen für eine gute Entwicklung brauchen, kann die beste Familienförderung die demografische Lücke, die in den vergangenen Jahrzehnten gerissen wurde, nicht mehr schließen. Das geht nur mit Zuwanderung, mit gelingender Zuwanderung.

Wir befinden uns bereits jetzt in einer Lage, in der unser Wohlstand und das Funktionieren unserer Gesellschaft ohne Zuwanderung aus dem Ausland nicht mehr dauerhaft aufrechterhalten werden können. Wer das für übertriebenen Alarmismus hält, dem möchte ich zunächst ein kleines Beispiel aus Sachsen-Anhalt an die Hand geben. Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall, sagte unlängst in einem Interview   ich zitiere  :

„Ohne Zuwanderung wird sich das Bild von leeren Fabrikhallen und Krankenhäusern ohne Pflegepersonal verhärten und einbrennen.

Wer Zuwanderung begrenzen will, nimmt billigend den wirtschaftlichen Misserfolg Sachsen-Anhalts in Kauf.

Die Gesamtstrategie muss ein weltoffenes Land zeigen, das sich klar von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus abgrenzt. Fachkräfte müssen gefördert, integriert und im Land gehalten werden.“

Doch es sind bei Weitem nicht nur Gewerkschafter, die sich in diese Richtung äußern. In der vergangenen Woche berichtete der MDR über Jürgen Sperlich, Unternehmer der Abfallverwertung und Präsident des Unternehmerverbandes in Sachsen-Anhalt. Er brachte die Lage folgendermaßen auf den Punkt:

„Wir brauchen dringend Arbeitskräfte, nicht nur Fachkräfte - Arbeitskräfte. Sie sehen, wo wir hier stehen. Hier ist viel händische Arbeit dabei. Die finden sich einfach nicht mehr. Also: Zuwanderung klären. Die Rahmenbedingungen festlegen, wer bleiben und wer kommen darf. Und vielleicht nicht auf so hoher Schwelle, dass das alles Akademiker sein müssen oder Computerspezialisten."

(Zustimmung)

Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit Detlef Scheele merkte gerade an, dass der deutsche Arbeitsmarkt rund 400 000 Zuwanderinnen und Zuwanderer pro Jahr benötige.

Diese Liste ließe sich leicht fortsetzen. Die Beispiele zeigen: In der Wirtschaft und bei den Sozialpartnern ist das Problem verstanden worden. Wer hinterherhängt, ist an dieser Stelle die Politik.

Dabei spielt es mit Sicherheit eine Rolle, dass insbesondere die Unionsparteien lange nicht von ihrer Lebenslüge ablassen konnten, Deutschland sei kein Einwanderungsland. Diese ideologische Verbohrtheit hat unserem Land Schaden zugefügt, der nun mühsam repariert werden muss. Sie agierten nach dem Motto: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Die Modernisierungsdefizite, die hier beschrieben werden, sind nicht nur das Ergebnis von 16 Jahren Angela Merkel, sondern reichen in die bleiernen Jahre der ausgehenden Ära Kohl und in die Bundesratsblockade ihrer Parteien zu Zeiten von Rot-Grün zurück.

(Zuruf)

Dabei war das Problem im Grunde genommen lange bekannt. Und doch wurde es nie systematisch angegangen. Die krachend gescheiterte Greencard für IT-Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten Anfang der 2000er-Jahre ist ein Beispiel dafür. Sie wurde von der SPD unzureichend aufgesetzt und von der CDU mit einer rassistischen Kampagne bekämpft. Seitdem hat sich bis auf Stückwerk nicht viel getan. Die deutsche Politik wird damit einer der zentralen Zukunftsfragen unseres Landes nicht gerecht.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN plädieren an dieser Stelle für eine pragmatische Politik zum Wohle unseres Landes und der Menschen, die nach Deutschland kommen wollen. Auf der Bundesebene haben wir bereits vor Jahren einen Entwurf für ein modernes, an den Bedürfnissen unseres Landes ausgerichtetes Einwanderungsgesetz vorgelegt. Dass für ein solches Einwanderungsgesetz nun mit der sich abzeichnenden Ampelkoalition auf der Bundesebene Mehrheiten für eine Politik der Modernisierung bereitstehen, dass mit GRÜNEN und FDP progressive Parteien in der Bundesregierung vertreten sein werden, die Bremsen gelöst werden können und unser Land vorangebracht werden kann, das macht mich hoffnungsfroh. Unser Land braucht Aufbruch.

(Zustimmung)

Um aber eine Verbesserung der Lage für unser Sachsen-Anhalt zu erreichen, müssen wir nicht auf den Bund warten. Wir können hier und heute viel tun. Wir dürfen dabei nicht warten. Die neu gebildete Landesregierung sollte die bestehenden Verwaltungsstrukturen unverzüglich so ausgestalten, dass sie als Dienstleistungs- und Willkommensbehörden für Migrantinnen und Migranten fungieren können. Mit der Migrationsagentur des Burgenlandkreises wurde ein Beispiel gesetzt, das in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus Schule machen sollte. Schluss damit, dass Zuwanderinnen und Zuwanderer von Pontius zu Pilatus laufen müssen und am Ende im Wirrwarr der Bürokratie untergehen.

Potenziale gibt es auch bei der Anerkennung ausländischer Schulabschlüsse   darauf wurde gestern verwiesen   und bei Berufsqualifikationen. Hierbei sind alle gesetzgeberischen Möglichkeiten des Landes zu nutzen, um Anerkennung zu erleichtern. Ein Gewinn für uns und die betroffenen Menschen kann leicht erreicht werden, wenn wir uns ein klein wenig von deutscher Überformalität verabschieden. Außerdem müssen wir die vom Bundesgesetzgeber geschaffene Möglichkeit der Ausbildungsduldung und des Spurwechsels in den Arbeitsmarkt umfassend   noch mehr als heute   nutzen. Hierzu hat das Innenministerium Anfang dieses Jahres einen brauchbaren Erlass vorgelegt. Die erzielten Ergebnisse müssen alsbald evaluiert und Möglichkeiten der Ausweitung ausgelotet werden. Eine besondere Bedeutung kommt    


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Striegel, darf ich Sie unterbrechen? Herr Hauser hat sich schon ans Mikrofon gestellt. Wären Sie bereit, eine Zwischenfrage von Herrn Hauser zu beantworten?


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Wenn Herr Hauser die Zwischenfrage schon jetzt stellen möchte, gern.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Es erweckte den Eindruck, da er sich bereits hingestellt hat. - Bitte.


Johannes Hauser (FDP):

Vielen Dank, Herr Striegel. Herr Striegel, wie Sie wissen, komme ich aus der Agrarbranche. Wir brauchen Arbeitskräfte, nicht nur Facharbeitskräfte, sondern normale Arbeitskräfte, zum Beispiel Erntehelfer. Warum brauchen wir diese angesichts der großen Anzahl von Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfängern? Warum sind die Hartz-IV-Empfänger nicht vermittelbar? Warum und weshalb? Geben Sie darauf bitte einmal eine Antwort.


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Das will ich sehr gern tun. Selbst wenn wir alle Hartz-IV-Empfänger in Sachsen-Anhalt in Arbeit bringen würden, würde unser Arbeitskräfte- und Fachkräftebedarf in diesem Land noch immer nicht gedeckt werden.

(Zuruf)

Insofern müssen wir beides tun: Die einen fördern und die anderen tatsächlich auch neu ins Land holen. Ich habe auf die Statistik verwiesen. Wir haben ein massives Geburtendefizit zu verzeichnen. Wir brauchen Zuwanderung, wenn nicht der Letzte irgendwann das Licht ausmachen soll.

Lassen Sie mich auf die Frage zurückkommen, wie wir es schaffen, schulische Bildung zu verstärken; denn darauf wird es in besonderem Maße ankommen. Wir wollen deshalb verstärkte Anstrengungen unternehmen, um Migrantinnen und Migranten im Schulalltag zu fördern und ihre spezifischen Lernrealitäten stärker zu berücksichtigen. Denn leider verlassen viel zu viele Schülerinnen und Schüler mit Migrationsgeschichte unsere Schulen ohne Schulabschluss. Bis zum Abitur schafft es bisher nur ein sehr geringer Teil der Schülerinnen und Schüler. Sachsen-Anhalt schneidet dabei im Vergleich mit anderen Bundesländern besonders schlecht ab. Hierbei wird enormes Potenzial verschenkt, und die Nachrichten der letzten Wochen lassen vermuten, dass noch nicht alle Schulleitungen begriffen haben, dass hierbei neue Wege gegangen werden und größere Anstrengungen gemacht werden müssen. Die Segregation von Schülerinnen und Schülern kann nicht der Weg sein.

Es sind nur einige wenige Maßnahmen nötig. Sie zeigen, dass Politik zügig und praktisch handeln kann. Es bedarf allein des politischen Willens dazu. Wir müssen   auch das scheint mir entscheidend   ein grundsätzliches Problem lösen. Bisher bleibt nur ein sehr geringer Anteil der zu uns kommenden Migrantinnen und Migranten dauerhaft in Sachsen-Anhalt. Menschen kommen also hier an, entscheiden sich aber aus individuellen und systematischen Gründen schon nach kurzer Zeit, oft nach wenigen Monaten, spätestens aber nach einigen Jahren, aus Sachsen-Anhalt wieder wegzuziehen.

(Zuruf)

Damit unser Land nicht nur ein Transitland bleibt, müssen wir es schaffen, eine lebendige Willkommenskultur aufzubauen. Nein, Herr Kirchner, dabei hilft uns die AfD eben nicht, sondern sie schadet uns.

Sie sorgt dafür, dass dieses Land eben nicht attraktiv ist für Menschen, die hierher kommen und sich ein neues Leben aufbauen wollen.

Bisher ist es leider insbesondere in den ländlichen Räumen für zugewanderte Menschen oftmals schwierig, sozial anzukommen und aufgenommen zu werden. Nötig ist also in Teilen nichts anderes als ein Mentalitätswandel. Gemeint ist ein Wandel, der ganz sicher schwerer zu erreichen ist als der Umbau einer Behördenstruktur. Wo sich Ressentiments und der Unwille zur Veränderung sozial festgesetzt haben, wo Rassismus auf breite Resonanz stößt, ist Öffnung für neue Menschen und neue Perspektiven schwer zu erreichen. Diese kann eben auch nicht dekretiert werden.

Aber auch hierbei ist die Politik nicht zur Handlungsunfähigkeit verdammt. Sie muss sich jedoch deutlich mehr als in der Vergangenheit bemühen, auf allen Ebenen und gemeinsam mit allen Organisationen und Entscheidungsträgern und Entscheidungsträgerinnen vor Ort eine lebendige Zuwanderungs- und Willkommenskultur zu etablieren. Dabei müssen die bestehenden Migrantinnen- und Migrantenorganisationen intensiv beteiligt werden. Ihre Expertise bleibt leider viel zu oft ungenutzt.

Zudem braucht es entschlossene Schritte, um Migrantinnen und Migranten zu ermutigen, sich vor Ort einzubringen. Dafür sollte zum Beispiel das Wahlrecht bei Kommunal- und Landtagswahlen für Migrantinnen und Migranten, die dauerhaft in Sachsen-Anhalt leben, geöffnet werden.

(Zustimmung)

Wer von Herrschaft betroffen ist, der muss mitentscheiden können über diese Herrschaft. Bisher leben zu viele Menschen in Sachsen-Anhalt, die vom demokratischen Prozess ausgeschlossen sind. So kann Integration kaum gelingen.

Meine Damen und Herren! Sachsen-Anhalt braucht dringend eine Verjüngungskur. Sie ist die Voraussetzung für eine gute Zukunft unseres Landes. Machen wir uns also daran, das willkommensfreundliche Sachsen-Anhalt zu bauen. Ich ergänze: Machen wir uns gemeinsam daran; denn ich glaube, es ist eine Aufgabe aller demokratischen Fraktionen, das gemeinsam auf den Weg zu bringen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Striegel. Sind Sie bereit, eine weitere Frage, nämlich von der Abg. Frau Dr. Schneider, zu beantworten?


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Das will ich gern versuchen.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Während Frau Dr. Schneider zum Mikrofon geht, möchte ich ganz herzlich einige Schülerinnen und Schüler des Fallstein-Gymnasiums in Osterwieck begrüßen, die auf der Tribüne Platz genommen haben. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Dr. Schneider.


Dr. Anja Schneider (CDU):

Es ist eigentlich eher eine Anmerkung, die sich sehr deutlich auf das bezieht, was Sie, Herr Striegel, gesagt haben. Sie haben gerade bemerkt, dass wir dringend eine Verjüngung benötigen.

Zu Ihrem Thema geregelte Zuwanderung insbesondere für Arbeitskräfte und für Fachkräfte: Darin stimme ich Ihnen völlig zu. Das ist überhaupt keine Frage. Sie sprachen davon, dass 400 000 Arbeitskräfte fehlen. Ich kann Ihnen sagen, in der Pflege laufen wir deutschlandweit bereits auf 500 000 Arbeitskräfte zu, die uns fehlen, und wir suchen händeringend im Ausland. - In 20 Sekunden bin ich fertig.

Aber ich möchte ganz dringend davor warnen, dass wir das Allheilmittel in der Zuwanderung sehen; denn gerade in der Pflege, in der die Beschäftigten im Durchschnitt nur sieben bis acht Jahre im Beruf bleiben, und zwar wegen der schlechten Rahmenbedingungen, die wir haben, und wiederum auch ins Ausland gehen, um dort zu arbeiten, ist es schwierig, Personalmangel mit Zuwanderung zu kompensieren.

Das heißt: Ja, ich finde es richtig, den Blick auf die Zuwanderung zu haben. Aber parallel dazu und ebenso dringlich sollten wir auch die Rahmenbedingungen für unsere Arbeitskräfte im Blick haben. - Danke.


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Sie haben mich dabei vollständig an Ihre Seite. In diesem Haus sind fünf Fraktionen vertreten, die, glaube ich, die Fähigkeit dazu haben, Dinge nicht schwarz-weiß zu denken, sondern in vielen Schattierungen Politik zu machen, komplexe Lösungen zu erarbeiten und nicht Menschen gegeneinander aufzubringen, sondern zu gucken, wie kriegen wir die besten Lösungen für unser Land hin. Es ist doch ganz klar, dass Zuwanderung allein nicht die Lösung für irgendetwas ist. Aber wir brauchen endlich eine geordnete Zuwanderung, weil sie ein Teil einer Lösung ist.

Mit Susan Sziborra-Seidlitz habe ich eine Fraktionskollegin, die aus dem Pflegebereich stammt. Ich komme aus einer Familie, die mit dem Pflege- und Gesundheitsbereich sehr viel zu tun hat. Mir sind die Erfordernisse in diesem Bereich und die Notwendigkeit, in diesem Bereich bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen, durchaus bewusst. Denn es reicht nicht, Leute hierher zu holen, sie dann aber in schlechte Arbeitsbedingungen zu bringen. Wir brauchen gute Arbeitsbedingungen für alle, die dort beschäftigt sind, unabhängig davon, welchen Hintergrund sie haben.

Die Angabe, dass 400 000 Arbeitskräfte fehlen, stammt nicht von mir. Das war ein Zitat von Herrn Scheele, dem Menschen von der Arbeitsagentur. Insofern habe ich mich damit auf ihn bezogen. Ich bin sicher, dass man das eher noch nach oben ausweiten müsste.

Ganz klar ist: Wir müssen aus dieser Verweigerungshalterung herauskommen, wir brauchten das nicht. Ich glaube, dieses Land, diese Bundesrepublik, hat sich zu lange darin ausgeruht zu sagen, wir sind kein Einwanderungsland. Wir sind ein Einwanderungsland. Wir müssen die Einwanderung gestalten. Die Regeln müssen wir gemeinsam erarbeiten.

Ich hoffe   das sage ich ausdrücklich Ihnen als Vertreterin der CDU  , dass wir, wenn es jetzt eine neue Bundesregierung gibt und diese Bundesregierung sich auf ein modernes, unseren Anforderungen als Land wirklich genügendes Einwanderungsrecht einigt, dann im Bundesrat nicht das erleben, was in den 2000er-Jahren passiert ist, nämlich eine Blockade der Unionsfraktionen. Wir brauchen vielmehr ein Miteinander-Ringen um die bessere Lösung, einen Aufbruch für unser Land, damit wir diese Dinge miteinander gestalten können. Darauf würde ich mich freuen. Wenn Sie ein Teil der Lösung sind, bin ich sehr froh. Dann sollten wir darüber auch hier im Landtag diskutieren.