Tagesordnungspunkt 22
Bürokratie endlich verbindlich abbauen!
Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/1265
Einbringer ist Herr Lizureck. - Sie haben das Wort.
Frank Otto Lizureck (AfD):
Her Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Handwerker müssen sich nach körperlich anstrengender Arbeit mit ausgiebigen Dokumentationen beschäftigen. Ich rede hier nicht von Rechnungen oder Steuererklärungen, sondern von Papierkram für die Behörden. Diese Zeit fehlt natürlich, um sich um die Kundschaft zu kümmern.
In der Industrie und im Handel sieht die Situation ähnlich aus. Dort werden zumeist hochqualifizierte Vollzeitkräfte geopfert. Wofür? - Damit die Mitarbeiter ihre Talente für die Zufriedenstellung von Behördenvorgaben verbraten können.
Es ist keine revolutionäre Idee, aber sollten sich Unternehmensmitarbeiter nicht um die Produktivität ihrer Firma kümmern? Aber ich will konkret werden. Ein gutes Beispiel für den Wahnsinn, den sich Behörden ausdenken können, ist der Leiterbeauftragte. Der heißt natürlich nicht so. Der Gute wird im Beamtenjargon „befähigte Person zur Prüfung von Leitern und Tritten“ genannt. Befähigt wird man z. B., wenn man verträumt in einem Seminar der Dekra sitzt, natürlich gegen Kasse.
Unsere Verordnungen schreiben vor, dass man Mitarbeiter regelmäßig zu einer Leiterprüfungsschulung schicken muss und dann regelmäßig ein Leiterprüfbuch auszufüllen ist. Wahrscheinlich werden dann immer die Stufen gezählt.
Es haben sich mit den Jahren also Vorschriften ergeben, die jeden vernunftbegabten Menschen zur Verzweiflung bringen. Dieses betreute Arbeiten muss aber ganz schnell ein Ende haben. Unsere Arbeitnehmer sind trotz des miesen deutschen Schulniveaus nicht zu unterbelichtet, um eine rostige Leiter zu erkennen.
Jeder im Saal weiß genau, dass solche Verordnungen keine Seltenheit sind. Leider registriert es jeder, so mancher lächelt verständnislos, doch die Korrektur bleibt aus. Daher finden wir solche realitätsfernen Vorschriften in Deutschland in jeder Branche.
Das Problem ist schon lange bekannt; doch es wagt sich niemand an die Lösung des Problems. Wir stehen uns selbst auf den Füßen und die Wirtschaft schreit nach Hilfe. Außer gezeigtem Verständnis und großen Plänen regt sich aber nichts im Haus. Die Bürger melden sich aus allen Bereichen des Lebens mit ihrer Kritik.
Wir alle kennen die Nöte im Pflegebereich. Die ständig steigende Zahl Pflegebedürftiger steht einem kleiner werdenden Potenzial an Fachkräften gegenüber. In Gesprächen mit Pflegepersonal höre ich ständig die Klagen über das Ausmaß der Dokumentationsvorschriften. Der eindeutige Tenor: Wir brauchen mehr Zeit zum Dokumentieren als zur Pflege unserer Patienten. - Ich denke, das sind desolate Zustände, die bekannt sind, aber es wird nichts reguliert.
(Ulrich Siegmund, AfD: Genau!)
Diesbezüglich müsste sofort reagiert werden. Ich denke, klatschen reicht an dieser Stelle nicht.
Sehr geehrte Abgeordnete! Wir alle müssen uns nicht wundern, wenn in diesem Land zu wenig Facharbeiter ausgebildet werden. Bei einer betrieblichen Ausbildung muss jede Tätigkeit von einer zertifizierten Aufsichtsperson dokumentiert werden. Das kostet Zeit und somit Geld, wovon eh nie genug da ist. Die bürokratische Überflutung unseres Landes hinterlässt aber nicht nur materielle, sondern auch gesundheitliche Schäden.
Wir wundern uns, warum jedes Jahr mehr psychische Erkrankungen bei unseren Bürgern zu verzeichnen sind, aber es ist das Gefühl der Menschen, einem System ausgeliefert zu sein, dass dem Bürger Lasten auferlegt, die er oft nicht sinnvoll nachvollziehen kann. Er ist aber diesem System vollkommen ausgeliefert.
Der Wahnsinn ist Programm, ein Programm, an dem in jeder Legislaturperiode und auf unzähligen Behördentischen weiter gefeilt und gesägt wird. Hierfür gibt es unzählige Beispiele. Darum lasse ich jetzt einfach Zahlen sprechen: Allein auf Bundesebene gibt es 93 328 Gesetzes- und Rechtsnormen aus 1 773 Gesetzen und 2 795 Rechtsverordnungen und mehr als 90 000 Einzelnormen.
Bei dem Thema Bürokratie sind wir in Sachsen-Anhalt leider kaum besser aufgestellt. Laut Landesrechtsdatenbank haben wir mehr als 18 000 Einzelvorschriften aus Landesgesetzen und Verordnungen. Dazu kommen noch ca. 2 300 Verwaltungsvorschriften.
Trotz dieser riesigen und unüberschaubaren Menge an bestehenden Vorschriften wird hier im Haus weiterhin Bürokratieterrorismus betrieben. Warum? Schauen wir uns den Entwurf zur Änderung des Ladenöffnungszeitengesetzes an. § 7 Abs. 1 hat es in sich: Es muss begründet, beantragt und erfunden werden, um das durchzusetzen, was gewollt ist, nämlich vier simple zusätzliche Verkaufstage im Jahr.
Schauen wir einmal hinein: Die Gemeinde hat Erhebungen zu erbringen erstens zu Besucherströmen an Tagen ohne Veranstaltung, zweitens zu Besucherströmen unter Passanten an Sonn- und Feiertagen ohne Verkaufsstellenöffnung, drittens, zu Zahlen über Besucher aus dem Vorjahr, viertens zu dem Umfang der erwarteten Besucher aus dem regionalen und überregionalen Umfeld, fünftens jetzt wird es richtig lächerlich ist die Motivationslage der Besucher mittels Passantenbefragung zu prognostizieren ich weiß nicht, welche Gemeinde oder welche Stadt das umsetzen soll und sechstens ist die Prognoseentscheidung ist nachvollziehbar und vertretbar zu begründen.
Meint man wirklich, eine Gemeinde oder eine Stadt sei nicht in der Lage einzuschätzen, wann ein zusätzlicher Verkaufstag passen könnte. Es wird beraten und beschlossen, alle machen sich wichtig und dann kommt ein solches Ergebnis dabei heraus. Ich frage Sie: Was soll der Bürger davon halten?
Ich halte diese Gängelei für sinnlos. Dass dieses Musterstück der Bürokratie aus unserem Haus kommt, ist für mich der Beweis, dass der Bürokratieabbau immer noch als Floskel und schickes Alibivorhaben verstanden wird.
In Bezug auf das Ladenöffnungszeitengesetz lautet meine Empfehlung: Überlassen wir doch die Entscheidung einfach den Gemeinden und Städten. Sie wissen am besten, was für ihre Region gut ist, und zwar mit einer gesunden und schlanken Verwaltung. Sinn des Antrages wir erinnern uns waren simple vier zusätzliche Verkaufstage im Jahr.
Sehr geehrte Abgeordnete! Es ist dringend erforderlich, zu handeln. Mit „handeln“, meine ich nicht die üblichen Lippenbekenntnisse der Landesregierung, sondern systematisch anhaltende Veränderungen.
Problem unlösbar? Nein. Schauen wir einfach einmal in andere Länder, bspw. Großbritannien und die USA, wie sie es lösen. Großbritannien hat zwischen den Jahren 2010 und 2015 ein One-in- und X-Out-System eingeführt. Für diejenigen, die noch nie etwas davon gehört haben: Für jede Einzelvorschrift, die eingeführt wird, muss eine zuvor definierte Anzahl an bestehenden Vorschriften gestrichen werden.
Mittlerweile arbeitet die britische Regierung mit einem Verhältnis von eins zu drei, also one in, three out. Dieser systematische Abbau von Vorschriften war so effektiv, dass britische Unternehmen so, 2,2 Milliarden £ einsparen konnten. Dieser gesparte Aufwand kann wieder der Produktivität zugeführt werden.
In den USA funktioniert es ebenfalls. Die Amerikaner haben im Jahr 2017 ein Eins-zu-zwei-Verhältnis eingeführt. Mit der Einführung der Vorschriften und der entsprechenden Kürzung konnten amerikanische Unternehmen so bereits im ersten Jahr 18 Milliarden $ einsparen. Auf Sachsen-Anhalt übertragen, könnten das auch Millionen Euro sein. Aus diesem Grund haben wir dieses System für unseren Antrag vorgeschlagen.
Richten wir also unseren Blick zurück auf die Wirtschaft. Die IHK erklärte mit stoischer Energie in beinahe jedem Fachgespräch, dass die Bürokratie in Deutschland ein gigantisches Problem ist. Die IHK wiederholt das Bürokratiethema nicht aus Langeweile, sondern weil deren Mitglieder die Zustände bemängeln. Aktuell lag bei dem IHK-Empfang Anfang Juni dieses Jahres ein entsprechendes Positionspapier vor.
Hören wir endlich auf die Stimme der freien Wirtschaft und setzen Maßnahmen auch um. Das, liebe CDU, SPD und FDP, ist Ihre Aufgabe. Schauen Sie einfach auf die S. 11 Ihres Koalitionsvertrages und gucken, was dort unter dem Stichwort „Bürokratieabbau“ steht.
Mich wundert, dass die FDP-Fraktion bisher untätig war. Außer einem Selbstbefassungsantrag im November letzten Jahres war diesbezüglich nichts. In Ihrem Landtagswahlprogramm haben Sie ein One-in-one-out-System für Sachsen-Anhalt gefordert. Davon ist leider nach den Koalitionsverhandlungen nur noch die Hälfte übrig geblieben. Umso mehr sollten Sie sich nun über unseren Antrag freuen. Wir erinnern Sie gern an das, was Sie vor der Wahl versprochen haben.
Heute bieten wir Ihnen das, was andere Länder zu ihrem Erfolgsmodell gemacht haben. Lassen Sie also ihre ständigen Bekundungen zum Bürokratieabbau keine Lippenbekenntnisse mehr sein, werden Sie tatkräftig und stimmen unserem Antrag zu. Wir beantragen die Überweisung in den Ausschuss für Wirtschaft und Tourismus. - Ich bedanke mich für Ihr Zuhören.
(Beifall bei der AfD)