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Plenarsitzung

Transkript

Olaf Meister (GRÜNE):

Das ist ja erstaunlich. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Maximal; ich werde das nicht brauchen, glaube ich.

Die Auswirkungen von Krisen treffen Gesellschaften nicht gleichmäßig. Je nach persönlicher Lage können die Auswirkungen sehr unterschiedlich sein. In der aktuellen Energiepreiskrise ist die persönliche Betroffenheit immer unter anderem davon abhängig, welchen Energieträger man nutzt, wie z. B. die persönliche Wohnsituation ist, aber vor allem auch, welches Einkommen, welches Vermögen man hat.

Wenn man eine Gesellschaft solidarisch zusammenhalten und zusammenführen will   das sollte unser Ziel sein  , muss man in Krisen dafür sorgen, dass zum einen alle verstehen, wieso es zu welchen Lasten kommt, und zum anderen dafür, dass die Lasten fair verteilt werden, dass sie für die Einzelnen tragbar sind. Nur dann kann man auf Akzeptanz hoffen. In einer offenen, freien, demokratischen Gesellschaft ist Akzeptanz eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass wir die Krise bestehen.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Wenn große Teile der Gesellschaft unter Einschnitten leiden, sich weniger leisten können als zuvor, ist es nur schwer erträglich, wenn andere sich krisenbedingt über explodierende Gewinne freuen können. Das ist für das Zusammenstehen der Menschen im Land nicht hilfreich. Die an dieser Stelle von uns vorgeschlagene Übergewinnsteuer will diese Gerechtigkeitslücke schließen.

Dafür gibt es auch ein ganz schnödes fiskalisches Argument: Aktuell rückt die öffentliche Hand fortlaufend zu fiskalischen Rettungsmissionen aus, sowohl um den sozialen Frieden zu wahren, aber auch, um privatwirtschaftliche Unternehmungen, deren Geschäftsmodelle durch die enorm steigenden Energiepreise ins Straucheln geraten, über eine schwere Zeit zu bringen.

An dieser Stelle ist es nicht nur eine Frage der Fairness, sondern auch der fiskalischen Vernunft, über jene, die von der Krise profitieren, zumindest einen Teil der Kosten zu refinanzieren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es kann nicht sein, dass dann, wenn es ungünstig läuft, das Einspringen der Steuerzahlenden eine Selbstverständlichkeit wird; wenn es aber gut läuft, der Fiskus der Piraterie verdächtigt wird. Verluste werden vergesellschaftet, Gewinne privatisiert   so geht das nicht.

Die Bundesregierung hat nun den Begriff Zufallsgewinne eingeführt. Ich tippe einmal, dass für einen Koalitionspartner im Bund diese sprachliche Brücke eine besondere Bedeutung hat. Inhaltlich finde ich die Sprachwahl gar nicht so unpassend. Übergewinne entstehen nicht per se durch irgendetwas Unmoralisches. Dass Unternehmen auch drastisch gestiegene Marktpreise am Markt schlicht umsetzen, ist ökonomisch zu erwarten; etwas anderes erscheint geradezu unrealistisch. Es ist aber an uns, dann als Politiker, als Gesellschaft korrigierend einzugreifen, wenn wir das als Fehlentwicklung ansehen müssen.

Selbstverständlich kommt bei der Diskussion über eine Übergewinnsteuer unmittelbar die Frage auf, wie man sie bemessen will und wen sie treffen soll. Der Kollege Heuer hat mir bei einer anderen Diskussion   er ist gerade nicht da   sofort diese Frage gestellt. Ich will, ich kann an dieser Stelle nicht in die Detailarbeit zu solch einer Steuererhebung einsteigen.

Die Abgrenzungsfragen sind aber lösbar und sind ein für das Steuerrecht typisches Problem. Dort hat man natürlich ständig mit Abgrenzungsgeschichten zu tun. Steuern dieser Art wurden bzw. werden von anderen Ländern wie den USA und Großbritannien erhoben; beide sind eben nicht für sozialistische Experimentierfreude bekannt. Eine Übergewinnsteuer ist temporär erhebbar, ohne dass es das Ende unseres Steuersystems bedeuten würde.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Bei der Frage, welche Über- bzw. Zufallsgewinne gemeint sind, kann und muss man differenzieren. An dieser Stelle wird immer das Beispiel Biontech genannt, die im Rahmen der Krise entschieden mehr Gewinne gemacht haben. Wir haben in dem Antrag das Problem mit „leistungslos“ umschrieben.

Das Problem ist   um es einmal an einem Beispiel zu verdeutlichen   nicht der Hersteller von Schwimmwesten, dessen Absatzzahlen bei einem Hochwasser steigen. Er erbringt ja eine gesteigerte Leistung, die auch z. B. mit erhöhtem Refinanzierungsbedarf einhergeht. Insofern ist der bei ihm eintretende Gewinn unproblematisch. Das Problem ist eher derjenige, der bei einem Hochwasser auf dem Marktplatz der betroffenen Stadt die letzten zehn Schwimmwesten meistbietend verkauft. An dieser Stelle stellt sich ein Gewinn ein, der nichts mit der eigenen Leistung zu tun hat und in meinem Beispiel dann auch als sozial eher bedenklich erscheint.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Der sich im Bund andeutende Weg der Abschöpfung der Zufallsgewinne im Strombereich ist durchaus ein Schritt in die richtige Richtung; auch wenn es aktuell gerade nun die Produzenten regenerativer Energien betrifft. Ich war in einer anderen Rede bereits darauf eingegangen. Das liegt daran   das wird im Haus, vor allem bei der FDP, bei der AfD, Entschuldigung, immer gerne bestritten  ,

(Tobias Rausch, AfD: Das stimmt auch!)

dass die Erneuerbaren günstige Energie in das Netz speisen.

Dem deutschen Windrad sind die Kapriolen der internationalen Energiemärkte ziemlich egal. Es bringt halt immer mit jeder Umdrehung seine Kilowattstunde

(Zuruf von Hannes Loth, AfD)

und der Preis, den es dafür aufwendet, der ist von vornherein durch seine wirtschaftliche Aufstellung festgelegt. Dementsprechend fallen in der aktuellen Situation durchaus üppige Übergewinne an. Zu kurz gesprungen wäre es allerdings, nun ausgerechnet nur diejenigen zur Kasse zu bitten, deren Geschäftsmodell uns in der Krise hilft, und nicht auch diejenigen aus dem fossilen Sektor, die direkt vom starken Anstieg der Preise bei Öl und vor allem beim Gas profitieren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Zuruf von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Daran müssen wir heran. Ich hoffe ein bisschen auf den Bund, auf die FDP, dass sie sich an der Stelle noch bewegt. Wir haben ja durchaus aus verschiedensten politischen Richtungen Zustimmung. Herrn Haseloff habe ich neulich in einer Talkshow so verstanden, dass er sich an der Stelle etwas vorstellen kann. Die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen   das wurde bereits erwähnt   ist in einer ähnlichen Richtung unterwegs.

Lassen Sie uns die Voraussetzungen schaffen, um gemeinsam und fair durch die Krise zu kommen. Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag. So weit das erst einmal zur Einbringung des Antrags; zu den weiteren Anträgen werde ich später gesondert Stellung nehmen. - Danke.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Meister. Es gibt eine Frage von Herrn Rausch. Wenn Sie die beantworten wollen? - Aber zuerst hat sich Herr Scharfenort für eine Intervention gemeldet. - Herr Scharfenort, bitte.


Jan Scharfenort (AfD):

Herr Meister, stimmen Sie mir zu, dass Übergewinn ein sehr schwammiger Begriff ist? In der Betriebswirtschaft gibt es den nicht; dort gibt es Gewinne. Das ist normal. Wenn es nicht Gewinne geben würde, würde es keine Unternehmen geben und würden keine Waren und Güter angeboten werden. Wir sprechen also letztendlich über eine Gewinnsteuer.

Erstens. Ich frage Sie konkret, wie Sie den Übergewinn definieren würden. Zweitens. Sehen Sie nicht auch die Gefahr, dass wir das nächste bürokratische Monster erzeugen: die Erhebung, die Ermittlung sowie sicherlich auch das Problem der Mitnahmeeffekte und die Gefahr, dass man vielleicht wieder die Falschen belohnt und die Richtigen bestraft.

Dann möchte ich noch mit einer Mär aufräumen: Sie bringen immer das Argument, dass die Erneuerbaren so günstig sind. Das mag im Einzelfall betriebswirtschaftlich durchaus zutreffen.


Olaf Meister (GRÜNE):

Aha.


Jan Scharfenort (AfD):

Das habe ich nie bestritten. Das ist aber nicht relevant. Relevant sind die volkswirtschaftlichen Kosten. Sie vergessen bei ihrer Argumentation, dass sie letztendlich immer eine doppelte Struktur aufrechterhalten. Ohne grundlastfähigen Energieträger geht es nun einmal nicht. Sie vergessen die Regelungs- und Steuerungstechnik der Netze, die sehr, sehr aufwendig geworden ist und letztendlich uns an den Rand eines Blackouts treibt; die Gefahr und die Wahrscheinlichkeit steigen ja.

Sie überlassen die Kosten der Regelungstechnik, der zusätzlichen Anschaffung letztendlich der Allgemeinheit, und das sind dann volkswirtschaftliche Kosten. Ich bitte Sie einfach, bei Ihren Betrachtungen die volkswirtschaftlichen Kosten anzuschauen. Gerne können wir an dieser Stelle in einen Dialog treten. Vielleicht sind sie an dieser Stelle durchaus lernfähig; das würde mich freuen.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Ein Dialog findet nicht im Plenum statt, sondern in aller Regel in den Ausschüssen.

(Prof. Dr. Armin Willingmann, SPD: So ist es!)

 - Es sei denn, Herr Meister, Sie wollen direkt antworten. - Er möchte jetzt doch in einen Dialog eintreten. - Bitte.


Olaf Meister (GRÜNE):

Ein bisschen zumindest. - Es ist interessant, dass Sie auf die volkswirtschaftlichen Kosten abstellen, weil das seit längerer Zeit unser Reden ist, was die Erneuerbaren angeht. Wenn Sie die fossilen Energien betrachten, haben die auch versteckte Kosten, die sich betriebswirtschaftlich nicht so ohne Weiteres abbilden, weil sie eben Schäden aus dem Verbrennen von fossilen Energieträgern verursachen. Das wurde über Jahrzehnte nicht berücksichtigt. Jetzt erschlägt es uns und deswegen müsste man an dieser Stelle kostenmäßig heran.

Dass man die Netzkosten hinzurechnen muss, an der Stelle haben Sie recht. Auch Speicherkosten und dergleichen müsste man in die Berechnung mit einbeziehen; das ist richtig.

An die Definition von Übergewinnen habe ich mich ein wenig mit dem Beispiel heranzuwagen versucht, an welchen Stellen ich das sehe. Es geht nicht einfach um einen Mehraufwand, den das Unternehmen hat. Also, ich verkaufe in einer Flutsituation mehr Schwimmwesten, das ist für mich noch kein Übergewinn. Denn die machen das, was sie immer machen, und machen davon jetzt mehr, weil das eben der entsprechende Markt erfordert. Das Problem ist tatsächlich: Ich habe ein begrenztes Gut   dafür kann ich auch nichts  , der Preis steigt dramatisch an. Ich habe nur zehn Schwimmwesten, alle wollen sie haben und jetzt verkaufe ich die zum zehnfachen Preis. Ich versuche über dieses Beispiel daran zu kommen. Das ist ein Übergewinn. Ich finde es okay, dass man an dieser Stelle darangeht und sagt, damit kann man etwas finanzieren; das ist gesellschaftlich machbar.

Bürokratie. Ja, das Steuerrecht ist nicht ganz unbürokratisch. Da möchte ich ungern noch mehr darauflegen, das ist wahr. Ich halte das aber an dem Punkt nicht für das Problem,

(Ulrich Thomas, CDU: An der Stelle machen wir das!)

weil ich relativ wenig Steuerzahlende habe   so in meiner Vorstellung.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Rausch hat es aufgegeben - jedenfalls an dieser Stelle noch eine Frage zu stellen. - Herr Meister, damit sind Sie am Ende. -