Tagesordnungspunkt 24
100 Jahre deutsche Nationalhymne
Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/1267
Einbringen wird den Antrag der Abg. Herr Köhler. - Herr Köhler, bitte.
Gordon Köhler (AfD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In nicht einmal zwei Monaten jährt sich am 10. August zum 100. Mal der Tag, an dem das Lied der Deutschen von Heinrich Hoffmann von Fallersleben, gesungen auf die Melodie von „Gott erhalte Franz den Kaiser“ von Joseph Haydn, zur Hymne unseres Nationalstaates bestimmt wurde.
Dabei sind 100 Jahre nur ein Teil sowohl der langen und wechselhaften Geschichte unserer deutschen Nation als auch der Geschichte dieses besonderen Liedes selbst.
Dennoch ist dieser Tag nicht nur geeignet - es drängt sich ja förmlich auf , als bedeutendes Jubiläum Beachtung zu finden und durch den Landtag entsprechend gewürdigt zu werden; denn mit der Bestimmung des Liedes der Deutschen zur Hymne in der Weimarer Zeit, noch dazu durch den sozialdemokratischen Kanzler Friedrich Ebert, wird eine Idee von Deutschland etabliert, die über die Grenzen und Zwänge von Kleinstaaten, von Ständen oder von Partei weit hinausgeht, ja selbst über die Gräben fundamentaler politischer Differenzen hinweg als eine Idee von Geschlossenheit, eine Idee von Freiheit, eine Idee von Recht.
Unsere Erinnerungskultur lebt davon, in Anbetracht der Geschichte unser Handeln für die Zukunft zu hinterfragen und an den Lektionen auszurichten, welche uns die Vergangenheit erteilt hat. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um dunkle Jahre handelt oder um goldene. Wichtig ist es, die richtigen Lehren daraus zu ziehen. Fehler dürfen sich nicht wiederholen.
Deshalb denke ich hierbei sehr an die Begrifflichkeiten aus der ersten Zeile: Einigkeit, Recht und Freiheit. Heute, über 150 Jahre nach der Gründung des ersten deutschen Nationalstaates und 100 Jahre, nachdem ein Lied, welches wie kein zweites für die Einheit Deutschlands steht, zur Hymne erhoben wurde, müssen wir uns jedoch eines fragen: Was ist tatsächlich geblieben von Einigkeit? Was ist geblieben vom Recht, und was von der Freiheit?
Was ist geblieben von der Einigkeit in Zeiten, in denen die Bevölkerung so gespalten ist wie selten zuvor, nicht durch Mauern, aber durch Grenzanlagen in den Köpfen, die durch Dauerbeschallung verstärkt werden? Es werden Feindbilder erzeugt und ganze Bevölkerungsteile diskreditiert. Dabei ist es unerheblich, welches Narrativ gerade mit religiösem Eifer befeuert wird, von Corona über Migration bis hin zum Klima. Wer hier nicht mitspielt, der ist je nach Auslegung Extremist, radikal oder ganz und gar gleich Verfassungsfeind, wobei mit dieser Meinungsmache und gesellschaftlichen Ächtung der Keil teils bis tief in die Familien hineingeht.
Was ist geblieben vom Recht, wenn man auf staatliches Handeln nicht mehr vertrauen kann, weil Tatsachen geschaffen werden, die selbst dann unumkehrbar sind, wenn Jahre später ein Gericht festgestellt, es hätte so nicht sein dürfen? Dabei erinnere ich mich sehr gern an die Aussage von Frau Merkel, als sie zur Thüringen-Wahl meinte, dass ein „unverzeihliches“ Wahlergebnis stattgefunden hat.
Ich frage mich auch, was geblieben ist von der Freiheit, wenn Menschen ihren Job einbüßen, weil sie etwas gesagt oder getan haben, was der veröffentlichten Meinung nicht passt. Wo ist die Freiheit, wenn weder im politischen noch im wissenschaftlichen Bereich der Diskurs gesucht wird? Dort sind stattdessen Diffamierung, Einschüchterung und Bedrohung Realität. Und wehe dem, wer dem vermeintlichen Mainstream widerspricht.
Haben wir es uns so gemütlich gemacht in unserem Selbstverständnis, unseren Errungenschaften, die nach der Überwindung von zwei Diktaturen so selbstverständlich erschienen? Nicht ohne Grund haben die Schweizer, speziell die „Neue Züricher Zeitung“, bereits vor einigen Jahren gefragt, ja gewarnt: Haben die Deutschen das Diskutieren verlernt?
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es braucht keinen Grund, um Einigkeit und Recht und Freiheit wieder in aller Munde sehen zu wollen. Wenn es jedoch eines Grundes bedürfen sollte, dann wäre er mit den aktuellen Entwicklungen mehr als gegeben.
Daher ist es unerlässlich, das Lied der Deutschen, also die dritte Strophe, im Bewusstsein der Menschen wieder hervorzuheben. Es kann doch nicht sein, dass wir im besten Fall die Nationalhymne nur noch mit der Eröffnung der Fußball-WM verbinden, im schlechtesten Fall die Hymne aus dem politischen Kontext herauslösen und ganz im Kontext „nie wieder Deutschland“ betrachten.
Noch heute ist die dritte Strophe zusammen mit der Haydn-Melodie die Nationalhymne der Bundesrepublik. Schon das sollte genügen, um dieses große Jubiläum zu feiern. Wir möchten darüber hinaus diesem Lied die notwendige Anerkennung zukommen lassen, die es verdient, ebenso wie die großartige Idee, die dahinter steht: Einigkeit, Recht und Freiheit.
(Zustimmung bei der AfD)
Unsere Nationalhymne muss ihren Stellenwert in der Gesellschaft zurückerhalten. Das bedeutet konkret das Abspielen bei offiziellen Anlässen und auch bei Feierlichkeiten, sofern der Charakter der Veranstaltung dies zulässt, ebenso bei bedeutenden Jahres- und Feiertagen wie bspw. dem Tag der deutschen Einheit. Und jetzt noch ein Einschub zum gestrigen Tage. Wie kann es denn bspw. sein, dass wir als föderaler Gliedstaat der Bundesrepublik Deutschland zum 30-jährigen Festakt des Bestehens unserer Landesverfassung nicht einmal unsere Nationalhymne abspielen können?
(Zustimmung bei der AfD - Zuruf von der AfD: Genau!)
Das unterstreicht die Notwendigkeit des heutigen Antrages. Zu besonderen feierlichen Anlässen würde das also nicht nur unserem Parlament gut zu Gesicht stehen, sondern auch unseren Schulen.
Anders als zum Beispiel die Bundesflagge ist unsere Nationalhymne jedoch nicht im Grundgesetz verankert worden. Sie geht allein auf den veröffentlichten Briefwechsel zwischen Adenauer und Heuss zurück, sodass unser Antrag auch darauf abzielt, unsere Nationalhymne, also die dritte Strophe des Deutschland-Liedes, in Artikel 22 des Grundgesetzes festzuschreiben. Dass das keine ungewöhnliche Forderung ist, wird auch daran deutlich, dass die CDU bei einem Bundesparteitag einen entsprechenden Antrag verabschiedet hat. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. - Vielen Dank.
(Beifall bei der AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Köhler. - Bevor wir jetzt zur Kurzintervention von Herrn Stehli kommen, möchte ich zunächst die Mitglieder des Kreisschülerrates aus dem Landkreis Stendal begrüßen. Es freut mich ganz besonders,
(Beifall im ganzen Hause)
dass ihr heute Nachmittag hier seid. Das ist auch etwas Besonderes; denn Mitglied im Kreisschülerrat ist ungefähr das erste Ehrenamt, was man im halbpolitischen oder im vorpolitischen Raum übernimmt. Ich finde es richtig gut, dass Sie hierher gekommen sind.
Dann gibt es noch eine Nachfrage von Frau Dr. Richter-Airijoki, wenn Herr Köhler sie zulässt. - Herr Köhler, ja?
Gordon Köhler (AfD):
Ja.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Aber zunächst Herr Stehli, weil er sich zuerst gemeldet hatte.
Stephen Gerhard Stehli (CDU):
Alles klar. Vielen Dank. - Ich gehöre ja zu den Leuten, die die Hymne gerne singen.
(Ulrich Siegmund, AfD: Oh!)
Das liegt vielleicht auch daran, wenn man im Ausland groß wird, dass man dann eine besondere Identifikation damit findet. Dadurch ist es besonders verstärkt. Aber ich tue es natürlich auch jetzt durchaus gerne und halte das auch für wichtig.
Das Wichtige bei der Hymne ist nämlich, dass sie eine breite Identifikation ermöglicht. In einem Volk wird es auch immer so sein, dass Menschen sich nicht damit identifizieren. Das ist die Breite des Volkes. Dass Leute damit auch Probleme haben, das gehört einfach mit dazu. Aber sie soll ja verbinden, und sie soll mehr sein als nur ein Lied, das bei Sportereignissen gesungen wird, wobei Sportereignisse auch für sehr viel Identifikation und Zusammenhalt sorgen können.
Als ich Ihren Antrag durchgelesen habe, da habe ich vieles im Schriftlichen gefunden, was richtig war. Das ist keine Frage.
Gordon Köhler (AfD):
Hm.
Stephen Gerhard Stehli (CDU):
Eine Sache, die ich gefragt hätte, haben Sie geklärt. Sie haben eindeutig gesagt, was aus Ihrem Antrag nicht so ganz hervorkommt, dass es um die dritte Strophe des Hoffmann-Haydnschen Liedes geht. Das kommt da nicht ganz sauber raus. Das gesamte Lied ist weder verboten noch irgendwas. Das ist ganz klar.
(Zustimmung von Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD - Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Jawohl!)
Es gibt kein Gesetz, das das verbietet. Aber mein Problem ist, lieber Kollege Köhler, Sie haben genau das jetzt in Ihrer Darstellung nach meiner Auffassung gemacht. Das hat mir dann alles verdorben. Sie haben nämlich das Lied spalterisch aufgezählt und trennend für unser Volk, die Grenzen dann aufgezeigt haben und weniger diese Idee, dass diese Hymne eigentlich sozusagen eine Möglichkeit für uns alle ist.
Das macht es mir schwer oder nicht möglich, dem zuzustimmen. Schade, hier ist meines Erachtens eine Chance vertan worden bei einem Lied, das wegen seiner Aussagekraft wichtig für unser Land, unsere Nation und unser Volk, aber auch wichtig im europäischen Kontext ist. - Vielen Dank.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Köhler, wollen Sie antworten.
Gordon Köhler (AfD):
Ja. - Ich denke schon, dass die CDU auch in der Lage ist, jetzt meine Rede auf diesen Antrag zu adaptieren, um vielleicht doch noch spontan zu einer anderen Entscheidung zu kommen. Ich will noch mal dieses verbindende Element, das Sie dargelegt oder genannt haben, noch einmal kurz unterstreichen.
Wenn wir uns mit gut integrierten Migranten unterhalten, dann sagen die, Mensch, ihr müsst doch mal selbstbewusst etwas vorleben, in das es sich lohnt, sich hinein zu integrieren. Sie haben es selbst angesprochen. Ich glaube, Sie sind lange Zeit in den USA gewesen. Gerade in den USA ist es durchaus so, dass da auch mal die Nationalhymne gesungen wird, wirklich mit viel Eifer und mit viel Elan, und dass das ein Rahmengefüge schafft, wozu auch Neueinwanderer sagen, Mensch, da hinein integrieren wir uns gern. Genau in dieser Tradition sehen wir uns hier auch mit der dieser Nationalhymne, mit der dritten Strophe des Haydn-Liedes.
Stephen Gerhard Stehli (CDU):
Ganz kurz. Ja, aber das nicht das, was Sie vorhin eingebracht haben,
(Zustimmung bei der CDU)
sondern Sie haben es abgrenzend verwendet bei Einigkeit, Recht und Freiheit. Das tut mir leid. - Danke schön.
Gordon Köhler (AfD):
Dann würde ich darauf kurz noch eingehen.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Ja.
Gordon Köhler (AfD):
Na ja, das war auch eher so gemeint, dass das, was dieses Deutschland-Lied ausmacht bzw. was Heinrich Hoffmann von Fallersleben angesichts des Eindrucks des 19. Jahrhunderts eben dort geschrieben hat, dass diese Werte heute tatsächlich schon in Gefahr sind.
Machen wir uns nichts vor: Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an den Herrn Kollegen, der Joachim Mendig heißt. Er war einmal Geschäftsführer der hessischen Filmförderung. Der hat mit Jörg Meuthen zu Mittag gesessen. Er ist dann seinen Job los geworden allein aufgrund der Tatsache, dass er sich dort zu Mittag mit Herrn Meuthen getroffen hat.
Das verdeutlicht doch, dass wir hier ein Meinungsklima geschaffen haben und dass wir daran arbeiten sollten. Das sagt uns diese Hymne auch in der heutigen Zeit.
(Zustimmung bei der AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Jetzt kommt die Nachfrage von Frau Dr. Richter-Airijoki.
Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):
Danke- . Meine Frage bezieht sich darauf, dass Sie gesagt haben, Frau Merkel habe von einem unverzeihlichen Wahlergebnis gesprochen, bezogen auf Thüringen.
Gordon Köhler (AfD):
Hm.
Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):
Ein solches Zitat von Frau Merkel ist mir erstens nicht bekannt und zweitens auch nicht plausibel. Drittens habe ich das auch bei einer schnellen Internet-Suche gerade eben nicht gefunden. Woher haben Sie das? Was ist das Ihre Quelle? - Danke.
(Tobias Rausch, AfD: Das können wir Ihnen vorhalten! - Zuruf von der AfD: Ja!)
Gordon Köhler (AfD):
Es bezieht sich nicht auf die Thüringen-Wahl. Ich konkretisiere das mal. Es ging da um die Wahl des Ministerpräsidenten von der FDP Herrn Kemmerich.
(Zuruf: Genau!)
Aus dem fernen Südafrika hat damals Frau Merkel in ihrer Funktion als Bundeskanzlerin
(Zuruf von Dr. Heide Richter-Airijoki, SPD)
- nein, ich sage es Ihnen - von einem unverzeihlichen Wahlergebnis, von einem unverzeihlichen Akt, gesprochen, was im Übrigen auch das Bundesverfassungsgericht erst vor Kurzem klar gerügt hat und als klare Kompetenzüberschreitung dargestellt hat. So etwas steht den Organen des Grundgesetzes nicht gut zu Gesicht. - Vielen Dank.
(Dr. Heide Richter-Airijoki, SPD: Darf ich nachfragen in Bezug auf unverzeihlich?)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Ja.
Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):
Darf ich kurz nachfragen? Hat Sie wörtlich „unverzeihlich“ gesagt?
(Zurufe von der AfD: Ja! - Unruhe bei der AfD)
Gordon Köhler (AfD):
Sie sagte sogar, dass es rückgängig gemacht muss, tatsächlich. Ich kann das gern ausdrucken und gebe Ihnen das dann.
(Unruhe bei der AfD)