Rüdiger Erben (SPD):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin, ich hoffe, dass das jetzt keine besonders an mich gerichtete Androhung war, weil ich damit aufgefallen bin.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Ich fand nur, es musste einmal gesagt werden. - Herr Erben, bitte.
Rüdiger Erben (SPD):
Herr Siegmund, es war so, wie es meist bei Ihren Anträgen ist. Sie haben in Ihrer Einbringung sehr wenig über Ihren Antrag gesprochen.
(Ulrich Siegmund, AfD: Es sind fünf Punkte!)
- Regen Sie sich gar nicht auf. - Sie haben aber im Wesentlichen auf die Kleine Anfrage abgestellt. Sie haben in der Kleinen Anfrage aber nur zum Rechtskreis des SGB XII gefragt. Das haben Sie überhaupt nicht erwähnt. Wenn man gleichzeitig davon ausgeht - ich habe die Zahlen vom Burgenlandkreis ein bisschen im Kopf , dass überhaupt nur jeder zehnte Ukrainer im Rechtskreis des SGB XII ist, dann weiß ich, dass wir hier eher über einen kleinen Ausschnitt des ganzen Aspektes gesprochen haben. Dann hätte man natürlich auch über das Bürgergeld sprechen können. Haben Sie auch gemacht, aber das haben Sie in Ihrem Antrag nicht gemacht.
Es ist egal welches Thema Sie als Fraktion hier aufmachen. Sie machen dabei immer eines: Sie sortieren Menschen nach ihrer Herkunft und wittern schnell Verschwörungen, die auf Gerüchten und Fake News basieren. Sie verkennen dabei aber, dass der Maßstab allen Handelns nun einmal die gesetzlichen Grundlagen sind. Die Verwaltungen handeln nach Gesetz und Recht. Warum ich das Letztere so betone, dazu werde ich nachher bei den Fahrzeugen noch kommen.
Die Regeln zum Einkommen und Vermögen, auch nach dem SGB XII, gelten sowohl für deutsche als auch für ausländische Leistungsberechtigte gleichermaßen. Frau Ministerin hat vorhin nachvollziehbar vorgetragen, dass eine Bevorzugung ausländischer Leistungsberechtigter durch eine geringere Prüfdichte überhaupt nicht festzustellen ist. Herr Siegmund, Sie fordern immer, dass man als Politiker wissen müsse, worüber man rede.
Im Gegensatz zu Ihnen war ich Mitarbeiter und später auch Chef einer Kreisverwaltung und kenne die Arbeit der dortigen Sozialämter sehr genau. Es gibt viele Dinge zu kritisieren. Die Mitarbeiter kritisieren dort auch sehr viel, z.B., dass sie Bescheide im Unterhaltsvorschussverfahren an säumige Unterhaltszahler in ukrainischen Schützengräben zustellen. Darüber kann man kräftig diskutieren.
Aber sie hätten vielleicht heute mal ihren Co-Vorsitzenden reden lassen sollen. Denn wenn wir diesen Maßstab „Man muss wissen, worüber man redet“ anlegt, und ich heute die „Mitteldeutsche Zeitung“ lese,
(Unruhe bei der AfD)
dann wäre er wahrscheinlich der bessere Redner gewesen.
(Oliver Kirchner, AfD: Es ist aber falsch, was da drin steht! - Weitere Zurufe von der AfD)
Wie sieht eine solche Vermögensprüfung praktisch aus?
(Oliver Kirchner, AfD: Das ist aber leider falsch!)
- Ja, das können Sie nachher - Sie können ja als Fraktionsvorsitzender reden - noch darlegen. Dann können Sie uns ja erzählen, wie das tatsächlich war.
(Guido Kosmehl, FDP: Nee! - Lachen bei den GRÜNEN - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE - Unruhe bei der SPD)
Wie sieht eine Vermögensprüfung nun praktisch aus? - Geht bei einem Träger der Sozialhilfe ein Antrag ein, dann findet diese Vermögensüberprüfung immer statt, weil nämlich das verwertbare Vermögen eine Anspruchsvoraussetzung ist. Und wenn es um die Einkommens- und Vermögensverhältnisse geht, ist das eben zu berücksichtigen.
Ob und in welchem Umfang Leistungsbewilligungen für die Vergangenheit aufzuheben und zurückzufordern ist, wird nun mal auch auf gesetzlicher Grundlage entschieden, nämlich nach dem zehnten Sozialgesetzbuch.
Und Sie, sehr geehrte AfD-Fraktion, haben ja nun einen Vertreter wieder aus Ihrer Fraktion im Kreistag des Burgenlandkreises, Herr Waehler. Das ist ja der Erste, der dort wieder auftaucht, nachdem Herr Poggenburg das Weite gesucht hat. Und, Herr Waehler, Sie werden feststellen - demnächst werden Sie das ja mitbekommen ,
(Lothar Waehler, AfD: Was soll denn das?)
dass es immer einen sehr ausführlichen Bericht des Landrates Götz Ulrich dazu geben wird, wer in welchem Rechtskreis ist und wer in Arbeit ist. Da werden Sie verdammt viel lernen. Sie werden nämlich lernen können, dass nicht jeder SGB-II-Empfänger gleichzeitig jemand ist, der nicht arbeitet, bspw. die sogenannten Aufstocker.
Sie werden schnell feststellen, dass unter den Ukrainerinnen und Ukrainern, die in einem Landkreis Leben, auch Kinder sind, die bekanntermaßen nicht arbeiten können. Sie werden noch eine ganze Menge anderer Erkenntnisse sammeln können. Vielleicht tragen Sie das nachher in Ihre Reihen weiter.
(Lothar Waehler, AfD: Was hat das mit mir zu tun, was Sie jetzt sagen?)
- Hören Sie einfach zu! Das können Sie weitererzählen. Das gibt einen riesigen Erkenntnisgewinn und Wissenszuwachs in Ihrer Fraktion.
Ein letzter Punkt, auf den ich eingehen möchte; auch Frau Ministerin ist darauf bereits eingegangen. Herr Siegmund, Sie stellen sich jetzt hier hin und erzählen, es gebe in Deutschland keine Regelungen zu verwertbarem Vermögen, wenn es um einen angemessenen Pkw geht.
(Ulrich Siegmund, AfD: Nein, das habe ich nicht gesagt!)
- Das haben Sie vorhin hier gesagt. Aber Das stimmt eben nicht, weil die deutsche Rechtsordnung eben nicht nur darauf aufbaut, was im Text eines Gesetzes steht, sondern weil das Recht auch durch Richterrecht fortentwickelt wird. Deswegen reden wir auch nicht davon, dass das Gesetz der Maßstab ist, sondern Gesetz und Recht.
Das Bundessozialgericht hat wiederholt die Entscheidung getroffen, dass ein angemessenes Fahrzeug, das nicht zu verwerten ist, den Verkehrswert von 7 500 € nicht übersteigen darf. Das haben Sie vorhin komplett verschwiegen, auch wenn Sie jetzt kräftig nicken.
Außerdem stellen Sie eine Forderung auf, die längst erfüllt ist. Ich habe nur zwei mögliche Erklärungen dafür: Entweder versuchen Sie, die Öffentlichkeit ganz bewusst in die Irre zu führen, oder Sie haben einfach nur keine Ahnung. Denn sonst hätten sie beides hier nicht getan.
(Zustimmung bei der SPD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Erben, kommen Sie bitte zum Schluss. Es gibt noch eine Frage und eine Zwischenintervention. Aber Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Rüdiger Erben (SPD):
Dann sage ich noch einen Satz. Nach dem Auftritt der AfD hätten wir den Antrag gern abgelehnt, aber - ich will mich auf das berufen, was ein Kollege der Koalition in Tagesordnungspunkt 2 gesagt hat - da eine Regierungsfraktion ihn gern überweisen möchte, überweisen wir ihn. - Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Erben. - Es gibt eine Frage von Herrn Büttner, Staßfurt, falls Sie die zu lassen.
Rüdiger Erben (SPD):
Das können wir machen.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Des Weiteren gibt es eine Intervention von Herrn Scharfenort. - Herr Büttner, bitte.
Matthias Büttner (Staßfurt) (AfD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Erben, mich würde einfach einmal interessieren, was Sie den Menschen erzählen, die Opfer Ihrer Politik im Bund geworden sind, als Ihr Kanzler damals Hartz IV eingeführt hat. Damals mussten die Leute alles offenlegen. Es gab damals keine Arbeit. Die Familien wurden getrennt, d. h., die Jungen mussten bis nach Bayern ziehen. Darum sitzen hier heute so viele ältere Leute in den Altersheimen.
(Unruhe)
Ich selbst bin Opfer dieses Gesetzes geworden. Als ich meine Lehre beendet hatte, als frischgebackener Geselle zum Arbeitsamt gegangen bin und gesagt habe, dass ich Arbeit suche, haben sie gesagt, dass sie in meinem Beruf nichts hätten, aber dass ich als Lagerhilfsarbeiter für 4,75 € nach Sangerhausen gehen könne und dass es Ärger gäbe, wenn ich das Angebot nicht annähme.
Dann musste ich offenlegen, welches Auto ich habe, ob ich Lebensversicherungen habe, wie viel Geld ich auf dem Konto habe, ob ich Immobilien besitze oder ein Aktiendepot habe. Das musste ich alles offenlegen, das wurde alles ganz genau kontrolliert, damit ich auch ja keinen Cent zu viel bekomme.
Ich sage es noch mal: Es gab zu diesem Zeitpunkt keine Arbeit. Heute gibt es Arbeit; das wissen wir ja alle. Was erzählen Sie den Deutschen, die damals dermaßen - ich sage es einmal so - fast gejagt worden sind, alles offenlegen mussten und heute sehen, dass Ukrainer Arbeit nicht annehmen, weil ihnen die 300 €, die sie dann mehr verdienen würden, zu wenig sind? Was erzählen Sie denjenigen, wenn sie mitbekommen, dass keine Vermögensfeststellung gemacht wird, wie sie damals bei Deutschen gemacht worden sind?
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Ich glaube, die Frage ist klargeworden.
Matthias Büttner (Staßfurt) (AfD):
Was sagen Sie denjenigen, die Opfer Ihrer Politik geworden sind?
(Beifall bei der AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Erben, bitteschön.
(Zurufe)
Rüdiger Erben (SPD):
Herr Büttner, Staßfurt, ich glaube, außer dem Redner Ihrer eigenen Fraktion haben alle Ihnen wiederholt geantwortet, dass es eine Vermögensüberprüfung gibt. Sie unterstellen jetzt in Ihrer Frage erneut, dass es keine gebe. Die Rechtslage hat sich überhaupt nicht geändert. - Erstens.
Zweitens. Ich will einräumen, dass Anfang der 2000er-Jahre oder Ende der 90er-Jahre junge Leute massiv gedrängt worden sind, bspw. mit Wegzugprämien, in die alten Bundesländer zu ziehen. Das halte ich für falsch und das war auch falsch. Aber das ist damals die Situation gewesen und es war für viele die einzige Möglichkeit, in eine halbwegs ordentlich bezahlte Arbeit zu kommen.
Wenn Sie jetzt die Beträge ansprechen: Ein entscheidender Konstruktionsfehler von Hartz IV ist es gewesen, dass nicht parallel dazu eine Untergrenze durch einen gesetzlichen Mindestlohn eingezogen worden ist. Das ist später geändert worden.
(Beifall bei der SPD)
Dazu muss man auch sagen - das ist vielleicht nicht Ihre Philosophie : Wenn Fehler erkannt werden, dann muss man Positionen und Gesetze ändern.
(Ah! bei der AfD)
Denn nur Dummköpfe ändern ihre Meinung nicht. - Herzlichen Dank.
(Zuruf von der AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Erben. - Es gibt eine Intervention. - Herr Scharfenort, bitte.
Jan Scharfenort (AfD):
Ich fasse zusammen und halte fest: Nach Herrn Erben ist alles super, alles in Ordnung; staatliches Verwaltungshandeln läuft immer super korrekt ab, da geht es immer nach Recht und Gesetz. - Na ja. Ich erinnere nur an die riesigen Diskussionen, was die Jahresabschlüsse anbelangt. Dazu gab es jetzt Gott sei Dank eine Änderung des Gesetzgebers, des Landtages.
Ich kann mich noch genau daran erinnern. Das war alles kein Problem; das lief ja alles super. Fast eine Dekade lang hat man sich hier nicht an das Gesetz gehalten und die Jahresabschlüsse nicht, wie es die Pflicht gewesen wäre, erstellt. Das war alles kein Problem. Erst auf Druck der AfD hin ist das ein Thema geworden und hat zu einer gesetzgeberischen Änderung geführt.
(Unruhe bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Auch da war die SPD anfänglich der Meinung, das bringt sowieso alles nichts. Auf einmal merken wir, dass die Jahresabschlüsse nachgeholt werden. In meinem Landkreis ist extra eine Kommission eingerichtet worden, um die Jahresbeiträge fertig zu machen. Auf einmal geht das alles. Die Geschwindigkeit erhöht sich drastisch. Also, lügen Sie uns doch hier nicht einfach an.
(Zustimmung bei der AfD)