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Plenarsitzung

Transkript

Guido Kosmehl (FDP):

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass wir uns heute mit der Frage der zukünftigen Beibehaltung des Heranwachsendenstrafrechts befassen, verwundert schon ein bisschen. Ich habe aus der bisherigen Beratung in den Sitzungen des Rechtsausschusses durchaus eine gewisse Lücke im strafrechtlichen und verfahrensrechtlichen Wissen bei dem Kollegen Herrn Tillschneider festgestellt, insbesondere bei der Frage, wie eigentlich Strafen in Deutschland wirken, wie sie vollstreckt werden und was eigentlich der Hintergrund von Strafe und Vollstreckung ist.

Herr Tillschneider, es gibt ganz wenige Anwendungsfälle, in denen Sie vom Strafrahmen her eine Differenz haben   also jetzt nur einmal auf dem Papier   zwischen der Anwendung des Erwachsenenstrafrechts und der Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende. Diesbezüglich haben wir z. B. im letzten Jahrzehnt auch Anpassungen vorgenommen.

Mittlerweile wurde z. B. bei Mord auch bei der Anwendung des Jugendstrafrechtes die Höchststrafe auf 15 Jahre gesetzt. Ich will Ihnen jetzt kein juristisches Proseminar halten, aber Sie wissen auch, dass Mord gemäß § 211 des Strafgesetzbuches mit lebenslanger Freiheitsstrafe belangt wird, aber dass das nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung mindestens 15 Jahre sind und dass danach eine Prüfung zu erfolgen hat. Auch in dem Fall ist also eigentlich ein Gleichlauf zwischen Jugendstrafrecht und Erwachsenenstrafrecht hergestellt.

Wir könnten noch über die Körperverletzung mit Todesfall reden.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Folge!)

- Entschuldigung, mit Todesfolge. - Dafür beträgt das Strafmaß drei bis 15 Jahre nach dem normalen Recht; die Höchststrafe nach dem Jugendstrafrecht liegt bei zehn Jahren.

Worum geht es Ihnen eigentlich? - Sie glauben, dass Sie sich an der Stelle mögliche Einzelfälle natürlich von Tätern mit Migrationshintergrund herausziehen, die große Keule schwingen und den Menschen vorgaukeln können, dass sie sicherer würden. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade die Unterscheidung zwischen Jugendstrafrecht und Erwachsenenstrafrecht und auch die Anwendung des Jugendstrafrechts im Einzelfall nach richterlicher und gutachterlicher Prüfung auf Heranwachsende führen dazu, dass es langfristig gesehen weniger Kriminalität gibt, weil die Resozialisierung im Vordergrund steht,

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Dr. Katja Pähle, SPD)

weil man einem jungen Menschen ein klares Stoppzeichen setzt, aber versucht, ihn in die Gesellschaft zu integrieren, wenn er seine Strafe abgesessen hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute ist ein geschichtsträchtiger Tag. Deshalb habe ich durchaus auch einmal in die Geschichte des Jugendstrafrechts geschaut, beginnend mit der Reichsstrafgesetzgebung, dem Reichsstrafgesetzbuch von 1871, als die Strafmündigkeit bei zwölf Jahren lag,

(Zuruf von Marco Tullner, CDU)

bis hin zum Jugendgerichtsgesetz von 1923, das maßgeblich von Gustav Radbruch entwickelt wurde, wo man auf 14 Jahre gegangen ist - übrigens mit demselben Tenor, den wir heute vorfinden, nämlich: Der Jugendliche wird nicht bestraft, wenn er zu der Zeit der Tat angesichts seiner geistlichen und sittlichen Entwicklung unfähig war, das Ungesetzliche der Tat einzusehen usw.

Schauen wir einmal in die DDR: Strafmündigkeit ab 14 Jahren. Aber dort ist dem Erziehungsgedanken, den Erziehungsmaßnahmen der Vorzug vor Strafmaßnahmen gegeben worden. Was das bedeutet, meine sehr geehrten Damen und Herren, was man mit Menschen und insbesondere mit Jugendlichen gemacht hat, das haben wir in den sogenannten Jugendwerkhöfen gesehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deshalb sage ich Ihnen ganz klar: Die Entwicklung, die wir nach 1953 in der alten Bundesrepublik genommen haben, nämlich, dass wir den Heranwachsenden zwischen 18 Jahren und 21 Jahren die Chance eröffnen, sie nach Jugendstrafrecht zu beurteilen und zu verurteilen, wenn sie in ihrem Reifeprozess noch nicht so weit sind und die Einsichtsfähigkeit noch nicht haben, ist der richtige Weg. Diesen werden wir in Deutschland dauerhaft beschreiten. Deshalb werden wir den Antrag der AfD-Fraktion ablehnen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der CDU)