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Plenarsitzung

Transkript

Andreas Silbersack (FDP):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag ist quasi eine Unterstützung der Wasserstoffstrategie des Landes Sachsen-Anhalt. So lese ich ihn zumindest. Daran möchte man auch keine Luft lassen. Ich kann für die FDP sagen: Grundsätzlich unterstützen wir selbstverständlich genau diese Wasserstoffstrategie;

(Zustimmung)

denn es wichtig ist, die Dinge in der Zeit und in der Zukunft nachhaltig zu entwickeln. 

Wenn der Jurist „grundsätzlich“ sagt, dann weiß man, dass an dieser Stelle noch etwas kommt. 

(Lachen)

An dieser Stelle erinnere ich einmal an die Fahrt des Wirtschaftsausschusses nach Arizona im vorletzten Jahr. Dort waren wir bei der Firma Nikola. Die haben batteriebetriebene LKW hergestellt. Diese Firma, mit einem Invest von 2 Milliarden €, ist daran gescheitert, dass es überhaupt kein Netz dafür gab. Es gab überhaupt kein Netz. Deshalb ist diese Investition in die Hose gegangen. 

Warum sage ich das? - Es wurde schon von Frau Kleemann und vom Minister gesagt. Dieses Thema Netzausbau ist eine ganz wesentliche Grundlage für die Frage: Wird uns dieser Umbau, hin zu grünem Wasserstoff, tatsächlich gelingen?

Des Weiteren gehören dazu beschleunigte Genehmigungsverfahren und die Erhöhung der Speicherkapazität. Das sind alles Sachen, die man nur unterstreichen kann. Ich glaube, es ist   jedenfalls auf viele hier im Hause bezogen   völlig unstreitig, dass wir diesen grünen Wasserstoff in der Zukunft haben müssen.

Das, was streitig ist, ist die Frage: Wie führt der Weg dahin? Wir haben schon über grünen Wasserstoff vor dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine gesprochen. Als wir die Diskussion damals geführt haben, hatten wir günstige Energiepreise - Gas, Öl, wie auch immer. Die Situation hat sich geändert. Ich habe teilweise den Eindruck, dass die Politik nicht bereit und nicht willens ist, zu akzeptieren, dass sich die Realitäten verändert haben. Aber die Wirtschaft selbst ist die, die das spürbar merkt. 

Jetzt wurde schon mehrfach die Frage gestellt: Wann ist es denn lieferbar? Das ist eine Sache. Wann ist grüner Wasserstoff lieferbar, egal ob er aus Marokko, aus Norwegen oder sonst woher kommt? Diese Frage ist keine Petitesse. Das ist eine entscheidende Frage. Es ist eine entscheidende Frage; denn wir müssen das Übergangsszenario in irgendeiner Form gestalten. Das ist unsere politische Verantwortung. Das macht die Leute waidwund. Das macht die Leute im Land waidwund; denn wir sagen einerseits zwar, dass wir grünen Wasserstoff wollen, aber wir erklären andererseits nicht wirklich, wie wir die Übergangszeit hinbekommen. 

Wir haben das billige Gas und Öl aus Russland nicht mehr, aber wir müssen den Leuten erklären, wie wir es regeln wollen. Wenn wir uns schon jetzt bei den Jahreszahlen nicht einig sind und nicht einig sind, wann es denn so weit sein wird, und wenn wir eigentlich wissen, dass es 15 Jahre bis 20 Jahre dauern kann, dann möchten die Menschen im Land erklärt wissen: Wie wollen wir das bis dahin schaffen?

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP, von Frank Bommersbach, CDU, und von Olaf Feuerborn, CDU)

Das heißt also: Grundsätzlich sagen wir als FDP-Fraktion, dass wir natürlich den Übergang zu grünem Wasserstoff, raus aus der fossilen Energie, wollen. Dem kann man sich gar nicht entgegenstellen. Aber bei der Schrittigkeit liegen wir nicht beieinander. Das ist etwas, das die Menschen im Land unglücklich und unruhig macht. 

Wenn ich dann   ich komme auf den IHK-Neujahrsempfang, den wir hatten, zurück   einen Prof. F. höre, der sich hinsetzt und erklärt: Wenn das so ist, dass wir bis 2045 raus wollen, d. h. dass wir dann klimaneutral sein müssen, dann müssen wir auf die energieintensiven Industrien verzichten. Auf die Frage von Prof. B., dem IHK-Geschäftsführer, ob wir dann auf unsere Chemie und auf das, was energieintensiv ist, verzichten wollen, sagte er: ja, selbstverständlich. Dieses „ja, selbstverständlich“ können wir in unserer Verantwortung für dieses Land nicht unterschreiben. Das geht nicht.

(Zustimmung bei der CDU und von Dr. Katja Pähle, SPD)

Wir haben eine Verantwortung für dieses Land. Wir dürfen nicht sagen, dass wir schauen werden und dass es bis 2045 irgendwie funktionieren wird. Wir dürfen nicht dem Glauben nacheifern und denken, es wird schon werden. Nein, die Leute im Land wollen eine Antwort darauf haben, wie die Übergangszeit geregelt wird. Wenn wir jetzt mit grünem Wasserstoff anfangen und diese Dinge vorantreiben wollen, dann müssen wir den Leuten erklären, wie wir die Übergangszeit tatsächlich bestreiten wollen.

Wenn man jetzt z. B. nach Leuna fährt und dort mit dem Geschäftsführer der Infraleuna GmbH spricht, dann sagt der einem ganz klar: Grünen Wasserstoff bekommen wir derzeit als homöopathische Tropfen. Das heißt, es ist nicht darstellbar. Was sind gerade in Leuna - in Bitterfeld ist es nicht anders - die Probleme? - Es sind die hohen Energiepreise. Man ist nicht konkurrenzfähig und man hat keine Aufträge mehr. Der Markt regelt das im Zweifel.

(Tobias Rausch, AfD: Der Minister sagt, stimmt nicht!)

Deshalb müssen wir den Leuten Antworten geben. Wir als Parlamentarier im Land Sachsen-Anhalt haben die Verpflichtung, den Unternehmen in unserem Land eine sichere Zukunft zu gewährleisten und alles dafür zu tun. Dafür stehen wir. Das ist genau das Problem, bei dem wir ein Stück weit auseinanderliegen. Denn ich sage, wir dürfen uns nicht hierhin stellen und nur eine Antwort geben, sondern wir müssen auch klären, wie wir dorthin kommen wollen. Gleichzeitig müssen wir ihnen sagen, dass sie mit ihren Industrien hier bleiben können. Ich bin nicht bereit, dass wir uns von der Chemieindustrie in Sachsen-Anhalt verabschieden. Das möchte ich nicht. Das kann niemand hier im Lande wollen.

Ich glaube, dass man in dieser Übergangszeit darüber reden muss, wie es mit Kohle geht, wie es mit Gas geht und wie es mit Atomstrom geht. Ich sage auch hier ganz deutlich für die FDP-Fraktion: Es war ein Fehler, dass man sich aus dem Atomstrom verabschiedet hat. Wir wissen - der Minister hat gesagt, wir wollen europäisch denken  : Europäisch betrachtet ist auch Atomenergie grüner Strom und nachhaltig.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Haben Sie mal nach Frankreich geguckt und auf die Rechnung dort?)

- Herr Striegel, Sie können sich aufregen, wie Sie wollen,

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Sie machen Ideologie!)

Sie werden daran nichts ändern.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Niemand will in Leuna einen Atomreaktor!)

Ich kann an der Stelle nur sagen: Wer den alten Spruch, dass am deutschen Wesen die Welt genesen soll, immer weiter proklamiert, der läuft in die Irre.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Wir sind das einzige große Land in Europa, das nicht bereit ist, sich mit Atomenergie auseinanderzusetzen. Das ist ein grundsätzlicher Fehler.

(Zustimmung von Andreas Schumann, CDU)

Deshalb möchte ich einfach die SPD bzw. uns alle einladen, darüber nachzudenken, wie wir den Übergang gestalten können. Wir müssen ihn gestalten. Wir können natürlich über das Thema Stromsteuer reden. Es ist fraglich, ob das die alleinige Lösung sein wird, um die Sachen zu machen. Beim Industriestrom bin ich schon extrem zurückhaltend. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Wir müssen sagen, was wir tun können. Wir müssen auch bereit sein zu sagen: raus aus der fossilen Energie, Nachhaltigkeit bis 2045. Wenn es um unseren Standort, um unsere Unternehmen im Land Sachsen-Anhalt geht, dann können wir sagen, dass es uns nicht um die Zahl geht. Es geht erst einmal um den Erhalt. Und wenn es 2050 ist, muss es genauso gut sein.

Wir wollen auch in der Zukunft ein prosperierendes Land haben. Deshalb müssen wir doch die Balance hinbekommen. Wir sind doch aus dem Schritt geraten, nachdem der russische Angriffskrieg dazu führte, dass uns die billige Energie abhandengekommen ist. Deshalb müssen wir ehrliche Antworten finden. Die finden wir ehrlicherweise nicht in der Breite des Parlaments, aber das ist unsere Aufgabe. Wir dürfen die Menschen hier im Land nicht allein lassen. Deshalb sage ich ganz klar für uns als FDP: Wir sagen definitiv, wir wollen die Wasserstoffstrategie des Ministers unterstützen. Wir sagen aber auch: Wir müssen die Antworten finden, wie wir diesen Übergang gestalten können.

(Juliane Kleemann, SPD, lacht)

Dazu, Frau Kleemann - es sei mir verziehen, Herr Minister -, sind die Antworten im Augenblick noch extrem dünn. Es ist aber unsere gemeinsame Aufgabe, diesen Übergang zu gestalten. Wenn wir dafür gemeinsame Lösungen finden, wenn wir dafür Antworten finden, die wir den Menschen auch ehrlich, offen und wahrhaftig herüberbringen können, dann, glaube ich, werden wir in dieser Sache zu 100 % einig sein. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP und von Andreas Schumann, CDU)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Silbersack. - Es gibt eine Nachfrage, und zwar von Frau Dr. Pähle. - Frau Dr. Pähle.


Dr. Katja Pähle (SPD):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vielen Dank, werter Kollege Silbersack. Wir sind uns auch darin einig, dass wir gerade bei der Frage, wie wir denn zu dem gemeinsamen Ziel kommen, auch international verpflichtet sind, und dass das tatsächlich die spannende Frage der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmerinnen und Unternehmer ist. Deshalb habe ich auch zu Sachsen-Anhalt eine sehr konkrete Nachfrage. Ich weiß, dass die Landesentwicklungsministerin gerade an der Überarbeitung des Landesentwicklungsplans sitzt und dass das auch breit getragen werden muss und wird, auch vom Parlament. Wir könnten z. B. durch die Ausweisung von mehr Windvorranggebieten dazu beitragen, dass Sachsen-Anhalt schon jetzt führend ist, z. B. bei der Erzeugung erneuerbarer Energien, diesen Weg gemeinsam zu gestalten, um genau dort hinzukommen, zu dem Ziel, das wir ja gemeinsam tragen. Mit anderen Worten: Sind wir dabei auch gemeinsam unterwegs? Denn das wäre tatsächlich eine prognostizierte Phase, um zu sagen, wie wir den Übergang gestalten.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Silbersack.


Andreas Silbersack (FDP):

Ja, ich glaube, dass die Ministerin dazu schon sehr viel auf den Weg gebracht hat und die notwendigen Ausweisungen auch in dem Landesentwicklungsplan enthalten sind. Aber die andere Frage des Landesentwicklungsplans - das ist auch die andere Seite der Medaille - ist das Thema Resilienz bei Rohstoffen. Dazu würden wir uns natürlich auch als FDP-Fraktion wünschen, dass andere, dass auch die SPD dabei wesentlich stärker mitmacht. 

Wir hören ja, dass wir aus Norwegen und Marokko alles bekommen. Wir sagen auf der anderen Seite, dass wir resilienter werden wollen. Das heißt, wir müssen mit unseren eigenen Kapazitäten auch umgehen können. Das heißt, jawohl, wir sind ohnehin Spitzenreiter bei den Windrädern. Auf der anderen Seite muss ich den Leuten aber auch erklären, wie man rohstoffresilienter wird. Dazu haben wir Möglichkeiten, egal ob das jetzt in Mansfeld-Südharz ist oder woanders. Ja, das muss ich ganz klar sagen. Ein Thema sind kleinen Kernreaktoren - wie auch immer  ; wir müssen alles rausblasen. Entscheidend ist, dass wir den Leuten eine Sicherheit an die Hand geben. Das sehe ich im Augenblick noch nicht hundertprozentig gegeben.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Silbersack.