Tagesordnungspunkt 1
Befragung der Landesregierung nach § 45a GO.LT
Als Erste hat die Fraktion der AfD die Möglichkeit, ihre Fragen zu stellen. Damit wir keine Zeit verlieren, steht Herr Tillschneider schon am Mikrofon.
Aber bevor Sie die erste Frage stellen können, möchte ich Ihnen noch eines mitteilen: Wir haben die Mikrofonanlage überprüfen lassen und alle Probleme behoben. Aber im Rahmen der Qualitätsverbesserung ist festgestellt worden, dass es tatsächlich Schallschatten gibt. Manche sitzen sozusagen im Schatten. Wir werden dafür sorgen, dass diese Schallschatten beseitigt werden. Das beste Mittel gegen Schallschatten ist Konzentration und Ruhe. Deshalb hören Sie bitte gut zu.
Sie haben das Wort, Herr Tillschneider.
Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat auf einer ihrer letzten Tagungen beschlossen, sich für die verbindliche Schullaufbahnempfehlung einzusetzen. Das heißt, nach Klasse 4 soll ein Kind, wenn es das Gymnasium besuchen will, eine Schullaufbahnempfehlung für das Gymnasium benötigen. Der Elternwille allein reicht, anders als bisher, dann nicht mehr aus.
Wir, die AfD-Fraktion, begrüßen das. Das entspricht unserer bildungspolitischen Grundintention und ist eine Forderung, die wir selbst auch schon erhoben haben. Aber nicht nur die AfD-Fraktion stimmt dem zu, sondern auch Bildungsministerin Feußner hat öffentlich erklärt, dass sie diesen Vorschlag für sehr sinnvoll hält, weil sie es für sinnvoll hält, diese Empfehlung an objektiven Kriterien festzumachen.
Daher frage ich jetzt die Ministerin: Wie bewerten Sie diesen Vorschlag und weshalb genau halten Sie es für sinnvoll, den Übergang in weiterführende Schulen mit verbindlichen Kriterien zu verknüpfen?
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Frau Feußner, bitte.
Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig, Herr Tillschneider, dass sich die Koalitionsfraktionen mit dieser Thematik beschäftigen. Eigentlich müssten Sie dazu die Fraktionen befragen. Aber ich habe mich natürlich dazu geäußert; da haben Sie recht. Ich habe auch gesagt, dass ich mir objektive verbindliche Kriterien vorstellen könnte.
Wer mich kennt - ich bin ja schon viele Jahre Mitglied des Parlaments , der weiß, dass ich mich stets für eine verbindlichere Schullaufbahnempfehlung eingesetzt habe. Aufgrund von Koalitionsverträgen usw. ist diese verbindliche Schullaufbahnempfehlung in eine Empfehlung umgemünzt worden. Demzufolge wird die Empfehlung mehr oder weniger mitgegeben, aber der Elternwille ist entscheidend.
In unserem Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, dass der Elternwille im Endeffekt weiterhin entscheidend bleibt. Aber - ich sage „aber“ und möchte an dieser Stelle einmal zitieren, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben - „die Entscheidung zum Lernen an der aufnehmenden weiterführenden Schule in Klasse 4, erfolgt nach umfassender Beratung der Eltern, auf Grundlage der erbrachten Leistungen in den zentralen Klassenarbeiten in Deutsch und Mathematik, der im Kompetenzportfolio dargestellten Leistungsentwicklung und dem maßgeblichen Elternwillen.“
Das heißt, wir haben im Koalitionsvertrag gemeinsam etwas vereinbart, nämlich dass wir Kriterien schaffen wollen für den Übergang von der Grundschule an das Gymnasium. Ich glaube, das ist gerade die Diskussion, die unter den Koalitionsfraktionen stattfindet. Wir warten einmal ab, wie die Verständigung dazu sein wird.
Im Übrigen haben wir - auch das ist im Koalitionsvertrag vereinbart worden - eine Expertenkommission eingesetzt, die sich auch mit den Übergängen zwischen den einzelnen Schulformen auseinandersetzen wird. Auch deren Ergebnis sollten wir abwarten. Dann werden wir sehen, was wir Ihnen gemeinsam im Plenum vorstellen können.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke. Herr Tillschneider hat noch eine Nachfrage.
Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):
Sie haben sich jetzt ein bisschen herausgeredet, indem sie die unverbindliche Laufbahnempfehlung
(Zuruf von der AfD: Mikro!)
Es ist doch an; es leuchtet rot.
Also, Sie haben sich jetzt ein bisschen herausgeredet, indem sie die unverbindliche Empfehlung sozusagen stark gemacht haben. Mit dieser Verbindlichkeit bzw. Unverbindlichkeit ist es wie mit einer Schwangerschaft: Entweder ist man schwanger oder nicht schwanger. Entweder die Empfehlung ist verbindlich oder sie ist nicht verbindlich.
Sie haben am Anfang Ihrer Rede gesagt, Sie hätten sich immer für die verbindliche Empfehlung eingesetzt. Das stimmt aber nicht. Denn am 22. Juli 2022 haben Sie hier als Ministerin anlässlich einer Plenardebatte der verbindlichen Schullaufbahnempfehlung ausdrücklich eine Absage erteilt. Sie haben gesagt - ich zitiere : „In Sachsen-Anhalt entscheidet allein der Elternwille. Das ist auch politisch bei uns so festgelegt.“ - Das können Sie im Protokoll nachlesen. Meine Frage lautet jetzt: Woher kommt der Sinneswandel, Frau Ministerin?
Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Das habe ich, glaube ich, soeben auch noch einmal vorgetragen. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass der Elternwille zum Schluss entscheidend ist. Aber es gibt natürlich verbindliche Kriterien, um den Eltern etwas mitzugeben, nämlich die Leistungen. Es soll ein verbindliches Beratungsgespräch stattfinden; das ist schon jetzt der Fall.
Darüber hinaus kann man sich unterschiedliche Modelle vorstellen. Wenn man z. B. in das Nachbarland Thüringen schaut, das von einer linken Regierung getragen wird, dann stellt man fest, dass es dort eine verbindliche Schullaufbahnempfehlung mit klaren Kriterien gibt. Dort zählt der Notendurchschnitt und es gibt einen Probeunterricht, um den Elternwillen nicht auszuschließen. Wenn man sich in anderen Ländern umschaut, dann findet man die unterschiedlichsten Modelle.
Das ist derzeit die Diskussionsgrundlage. Wir werden sehen, wie wir gemeinsam zu einem Ergebnis kommen, dass wir Ihnen dann hier vorstellen werden.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke. - Die nächste Nachfrage stellt Herr Loth.
Hannes Loth (AfD):
Danke schön. - Sehr geehrte Frau Feußner, um Schülern überhaupt eine Laufbahn zu ermöglichen, braucht es erst einmal Lehrer. Jetzt haben Sie auf dem letzten Gipfel gesagt, die Lehrer sollten eine Stunde mehr arbeiten. Heißt das auch, sie arbeiten diese Stunde umsonst oder gibt es dafür eine Vergütung?
(Guido Heuer, CDU: Das ist ein anderes Thema! - Weiterer Zuruf: Das steht doch alles drin!)
Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Das ist jetzt ein anderes Thema. Also, die verbindliche Vorgriffstunde wird bezahlt, ja.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Herr Lippmann, bitte.
Thomas Lippmann (DIE LINKE):
Frau Feußner, ich habe zwei Nachfragen. Die erste Frage bezieht sich auf die von Ihnen eben schon erwähnte und eingesetzte Expertenkommission, die sich eigentlich mit den Übergangs- und Versetzungsverordnungen beschäftigen soll. Finden Sie und findet die CDU das fair gegenüber dieser Kommission?
Wir hatten ja versucht, im Bildungsausschuss darüber zu sprechen. Dort sind wir zurückgewiesen worden mit dem Hinweis, man wolle der Kommission nicht vorgreifen. Das habe ich akzeptiert. Jetzt macht es die CDU aber gerade. Wozu brauchen wir dann diese Expertenkommission, wenn wir ihre Arbeit, jedenfalls aus meiner Sicht, nicht ernst nehmen?
Die zweite Frage ist: In dem Prozess der Meinungsbildung bei der CDU und bei Ihnen im Hause werden Sie etwas auf den Tisch legen, dass mit den Erfahrungen aus den sechs Jahren - ich meine, zwischen 2007 und 2013 - zu tun hat, in denen wir bereits eine verbindliche Schullaufbahnempfehlung hatten, und etwas zu den Gründen, weshalb sie damals abgeschafft worden ist. Es ist ja nicht neu; es ist ein Rollback einer alten Geschichte. Ich frage mich echt, wozu.
Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Also, die Expertenkommission hat ja nicht nur den einen Auftrag, sich mit den Übergängen zwischen den Schulformen auseinanderzusetzen. Man kann im Koalitionsvertrag nachlesen, welche Aufgaben wir der Expertenkommission übertragen haben. Das ist ein Punkt. Und natürlich wird auch die Meinung der Expertenkommission hierbei mit einfließen. Aber ich gestehe jeder einzelnen Fraktion im Landtag zu, dass sie auch eine eigene Meinung hat. Die kann man sicherlich auch diskutieren.
(Zustimmung bei der CDU)
Darüber hinaus werden wir natürlich versuchen, das irgendwie zu einen; davon gehe ich jetzt einmal aus.
Zur zweiten Frage. Sie sprachen an, dass wir schon einmal eine verbindliche Schullaufbahnempfehlung in den Schuljahrgängen von 2007/2008 bis 20013/2014 hatten. Das ist richtig. Sie sprachen auch an - ich habe Ihre Pressemitteilung neulich aufmerksam gelesen , dass wir damals sogar eine höhere Übergangsquote gehabt hätten. Herr Lippmann, da widersprechen Sie sich jetzt total. Sie kritisieren uns ständig, dass unsere Abiturquote zu niedrig ist. Wenn Sie diese für zu niedrig halten, müssten Sie jetzt absolut für die verbindliche Schullaufbahnempfehlung sein, weil da die Abiturquote höher war. Das passt irgendwie nicht zusammen. Sie sagen, eigentlich bringt die verbindliche Schullaufbahnempfehlung nichts, und auf der anderen Seite sagen Sie, aber als wir sie hatten, waren die Übergänge sogar noch höher. Versuchen Sie einmal, Ihr Bild in sich etwas zu schärfen, weil an der Stelle, glaube ich, ein großer Widerspruch in sich besteht.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke. - Als Nächste Frau Lüddemann, bitte.
Cornelia Lüddemann (GRÜNE):
Danke, Herr Präsident. - Frau Feußner, seit gefühlt Jahrzehnten reden wir über die Schullaufbahnempfehlung. Soll sie verbindlich sein? Soll sie nicht verbindlich sein? Welches Argument ist höher zu gewichten, das der Eltern, das der Lehrer? Sie kennen die Debatte noch länger als ich. Wäre es aus Ihrer Sicht eine Möglichkeit, dass man in diesem Land längeres gemeinsames Lernen zum Standard macht,
(Zurufe von der CDU und von der AfD)
sodass man nicht schon nach der 4. Klasse selektiert und diese Diskussion führt, sondern die Kinder länger gemeinsam zu einem für alle höheren Bildungsabschluss führt?
Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Frau Lüddemann, hierbei sollten wir über den Tellerrand schauen. Wir haben innerhalb der Bundesrepublik unterschiedliche Modelle, wir haben innerhalb Europas und in der ganzen Welt unterschiedliche Modelle. Das sollte man sich alles genau anschauen. Aber ich bleibe einmal in Deutschland: Wir haben Systeme, in denen länger gemeinsam gelernt wird. Dort ist die Erfolgsquote aber nicht wesentlich höher als bei uns. Das heißt, wir müssen uns genau anschauen, was wir im Ergebnis haben wollen.
Ich war gestern bei einer Veranstaltung. Dort sagte man mir, Frau Feußner, schaffen Sie doch den unsäglichen gemeinsamen Unterricht ab. Das ist nicht mehr leistbar. Wir können die Schüler nicht in ausreichendem Maße fördern. Das hängt natürlich teilweise mit dem Personal zusammen, und teilweise ist das eine sehr hohe Herausforderung für die Lehrkräfte.
(Zuruf von Hendrik Lange, DIE LINKE)
- Sie können sich gern melden, Herr Lange. - In manchen Klassen müssen sie sechs, sieben, acht unterschiedliche Vorbereitungen machen, sechs, sieben, acht unterschiedliche Klassenarbeiten.
(Zustimmung bei der CDU)
Das ist ein so erheblicher Aufwand für die Lehrkräfte, und wir reden immer von Entlastung. Für die, die mir das gestern vorgetragen haben, wäre das zumindest ein gewisser Teil, weil sie sagen - jetzt geht es um die Schülerinnen und Schüler , wir können uns nicht intensiv genug mit den Schülern auseinandersetzen und sie nicht in ausreichendem Maße fördern, und das tut uns weh.
Es gibt also ganz unterschiedliche Modelle. Ich bin bereit, über alles zu diskutieren, aber ich will noch auf eine weitere Hürde hinweisen, auf die Schulentwicklungsplanung. Hier haben wir sowieso immer unterschiedliche Tendenzen, auch in den Regionen. Jede Schule soll erhalten bleiben. Wir müssten ein vollkommen neues System aufbauen, weil nicht alle Sekundarschüler in die Gymnasien passen und umgekehrt. Wir haben nicht die Schulgebäude. Das heißt, wenn man ein solches Konstrukt tatsächlich andenkt, müssten so viele Veränderungen
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Wenn alles Gemeinschaftsschulen sind?)
Wenn Sie mir einmal den klaren Unterschied einer Gemeinschaftsschule zu einer Sekundarschule darlegen würden - das müssen Sie heute hier nicht machen , da gibt es keine wesentlichen Unterschiede.
(Zurufe von den GRÜNEN)
Es ist der Name, mehr ist es nicht.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Was?!)
Das ist genau das Problem. Wir können der Schulform gerne einen anderen Namen geben, aber damit haben wir das Problem nicht gelöst, Frau Lüddemann.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP)
Gemeinschaftsschule heißt von Klasse 5 bis 10 bzw. auch bis 12 oder 13, sofern sie eine eigenständige gymnasiale Oberstufe entwickeln kann. Wir haben zurzeit keine einzige Gemeinschaftsschule, die aufgrund der Schülerzahlen eine eigenständige gymnasiale Oberstufe anbieten kann, weil sie nicht genügend Schüler haben.
(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)
Die Schüler sind nicht da, und da haben wir schon ein großes Problem. Wir haben eine Schule in Halle, die das vielleicht erreichen wird, die bis zur gymnasialen Oberstufe kommt, die anderen haben so wenige Schülerinnen und Schüler, dass wir dort keine eigenständige gymnasiale Oberstufe installieren können.
Wenn man das will, müssen wir über viele Dinge reden, aber es muss auch erfolgversprechend sein
(Beifall bei der CDU und bei der FDP)
und nicht nur, weil es ein anderer Name ist und man ideologisch damit mehr verbindet. Ich möchte, dass unsere Schülerinnen und Schüler mehr Erfolg haben, ich möchte, dass sich der Anteil der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss verringert, und daran müssen wir zwingend arbeiten. Ob das eine andere Schulform hergibt, daran habe ich eher meine Zweifel.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Die nächste Frage kommt von Frau Dr. Pähle.
Dr. Katja Pähle (SPD):
Vielen Dank. - Frau Ministerin, ich erinnere mich, dass auch die Gemeinschaftsschule in Wolmirstedt eine eigene Abiturstufe hatte und als Schule des Jahres ausgezeichnet wurde. Aber das sei dahingestellt.
Ich habe in der Diskussion, auch aus Ihren Argumenten, herausgehört, Abitur sollen nur die machen, die dazu in der Lage sind, die die Leistungen bringen, auch unter dem Aspekt, dass wir eigentlich Schülerinnen und Schüler brauchen, die die Sekundarschule besuchen, weil der Bedarf gerade im Handwerk und der Industrie für die duale Berufsausbildung so hoch ist.
Die Bertelsmann Stiftung hat vor einigen Tagen eine Studie herausgebracht, in der aufgelistet wird, was Abiturienten mit ihrem Abitur tun. Bundesweit ist es so, dass - so zumindest die Zahlen der Bertelsmann Stiftung - 47 % der Abiturienten in eine duale Ausbildung münden. Deshalb meine Frage: Kann das Haus bitte einmal grundsätzlich darstellen, wie das für Sachsen-Anhalt aussieht, einem Land mit der geringsten Abiturientenquote bundesweit? Was passiert mit den Abiturienten in Sachsen-Anhalt? Wie bewerten Sie die Ergebnisse, wenn das Abitur nicht alle ins Studium zwingt, sondern auch den Raum für eine qualifizierte und gute duale Ausbildung ermöglicht? - Ich habe noch eine zweite Frage, Herr Präsident. Darf ich die gleich stellen?
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Na klar.
Dr. Katja Pähle (SPD):
Vielen Dank. - Wir haben das Denkmodell, wir wählen die Kinder besonders aus, um sie aufs Gymnasium zu schicken, auch unter dem Aspekt, dass sie das Abitur schaffen. Was bedeutet das für die Schulentwicklung an den Gymnasien? Welche Abiturienten- und Schülerzahl bedeutet es, und was bedeutet es für die Schulstruktur? Denn auch im letzten Jahr haben wir Diskussionen z. B. über das Gymnasium in Osterwieck geführt, auch über andere, die die Mindestschülerzahl nicht mehr aufrechterhalten können. Wenn wir jetzt den Zugang zu den Gymnasien noch weiter beschränken, wie entwickelt sich das vor dem Hintergrund, dass die Geburtenzahlen, soweit ich weiß, von Jahr zu Jahr weiter zurückgehen? - Vielen Dank.
Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Frau Pähle, ich glaube, hier sind unterschiedliche Denkansätze vorhanden. Eine verbindliche Schullaufbahnempfehlung soll Schülerinnen und Schüler nicht davon abhalten, zum Gymnasium zu gehen,
(Dr. Katja Pähle, SPD: Das ist ja ein neuer Ansatz! - Zurufe von der SPD, von der LINKEN und von den GRÜNEN)
sondern sie soll die Erfolgsquote erhöhen. Das ist, glaube ich, eine andere Vorgehens- oder Denkweise. Es geht darum, dass wir als Land Sachsen-Anhalt, insbesondere meine Person, das heißt, das Ministerium oder die Bildungspolitik im Allgemeinen, kritisiert wurden, dass wir doch relativ hohe Übergangsquoten zum Gymnasium haben, aber die Abiturquote in Bezug auf die Übergangsquote relativ gering ist. Das haben Sie eben richtig beschrieben. Wir haben eine relativ niedrige Abiturquote. Man muss, glaube ich, einmal näher beleuchten, warum das so ist.
Vielleicht - das sage ich ganz bewusst - sind auch Schülerinnen und Schüler dabei, die die kognitiven Fähigkeiten hätten, auf ein Gymnasium zu gehen, dies aber aus irgendwelchen Gründen nicht tun. Wenn es Eltern nicht wünschen - wir haben den Elternwillen , kann man nichts dagegen machen, aber wenn wir eine bessere und objektiver bewertbare Übergangsmodalität finden würden, würde sich vielleicht das eine oder andere Elternteil entscheiden, das Kind zum Gymnasium zu schicken, oder sich das eine oder andere Elternteil, wenn die Erfolgsaussichten sehr gering sind, anders entscheiden. Es geht nicht darum, wie sich Schüler nach dem Abitur entscheiden.
Im Übrigen muss ich sagen, es war in der letzten Legislaturperiode eine sehr intensive Debatte, aber auch bis heute, dass wir Berufsorientierung zwingend auch am Gymnasium machen sollen. Dann muss man sich nicht wundern, wenn sich ein Abiturient für eine Berufsausbildung entscheidet. Die Kammern freuen sich immer - ich schaue einmal, aber Herr Thomas Keindorf ist nicht da -, wenn sie Abiturienten für eine duale Berufsausbildung gewinnen können.
(Dr. Katja Pähle, SPD: Das ist ja auch okay!)
- Ja, das ist auch okay. - Aber wenn wir höhere Zugangsquoten zu den Universitäten und Hochschulen wollen, dann müssen wir eine andere Strategie fahren, weil wir vor Kurzem eingeführt haben, dass auch die Abiturienten dahin gehend beraten werden sollen, was im Bereich der beruflichen Bildung stattfindet und nicht nur im Bereich der Hochschulbildung. Das verknüpft sich miteinander, dass der eine oder andere Abiturient sagt, ich will nur eine duale Ausbildung machen, weil es gerade einen Arbeitskräftemangel gibt und ich vielleicht gute Perspektiven im Handwerk und der Industrie habe, um dort meine Karriere zu machen.
Auf ein Letztes möchte ich auch noch aufmerksam machen, auf die Durchlässigkeit. Jede Schülerin, jeder Schüler hat die Möglichkeit, von der Sekundarschule an das Gymnasium zu wechseln und umgekehrt. Leider ist die Prozentzahl der umgekehrten Richtung wesentlich höher, dass viele Schülerinnen und Schüler gerade in der Einführungsphase wechseln und den Sekundarschulabschluss machen wollen. Es sind zwar nicht viele, aber es gibt sogar Schülerinnen und Schüler, die nicht einmal mehr den Hauptschulabschluss schaffen, weil sie durch die Entwicklung am Gymnasium, durch ständige Versagensängste, Schulbummelei und was alles hinzukommt, den Anschluss an Schule in Gänze verloren haben. Diese Personengruppen sollten wir im Blick haben, weil wir für unsere Schülerinnen und Schüler einen Erfolg produzieren wollen.
(Zustimmung bei der CCU)
Wie wir das gemeinsam machen, wird auf Koalitionsebene intensiv diskutiert, dann werden wir weitersehen.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke, Frau Feußner. - Es gibt eine nächste Nachfrage.
Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Entschuldigung, ich wollte noch etwas zur Schulstruktur sagen. Ich will nicht, dass weniger Schüler zum Gymnasium gehen. Darum geht es doch gar nicht.
(Dr. Katja Pähle, SPD: Deswegen!)
Darum geht es mir überhaupt nicht. Wenn wir eine verbindliche Schullaufbahnempfehlung haben, wird immer impliziert, dass es dann weniger sind. Herr Lippmann hat gerade das Gegenteil gesagt, wir hatten in den Zeiten, in denen wir eine verbindliche Schullaufbahnempfehlung hatten, eine höhere Zugangsquote zum Gymnasium.
(Frank Bommersbach, CDU: Das war noch zu Zeiten, als Herr Lippmann noch Direktor war! Da war alles besser! - Zurufe von Thomas Lippmann, DIE LINKE, und von Dr. Katja Pähle, SPD)
- Bitte?
(Zuruf von Thomas Lippmann, DIE LINKE - Weitere Zurufe von der LINKEN, von den GRÜNEN und von der SPD)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Herr Lippmann!
(Unruhe)
Sind Sie fertig mit Ihren Ausführungen?
Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Ich bin fertig mit einen Ausführungen, Herr Präsident.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Okay, danke. - Dann kommt die nächste Frage von Herrn Köhler.
Gordon Köhler (AfD):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Frau Feußner, auf welcher Grundlage soll nach Ihren Vorstellungen die Schullaufbahnempfehlung abgegeben werden? Reichen gewöhnliche Prüfungsleistungen, oder soll vielleicht doch eher eine landesweit einheitliche Zentralprüfung erfolgen oder eine Aufnahmeprüfung für das jeweilige Gymnasium? Wie sind dazu Ihre Überlegungen bzw. wie stehen Sie dazu?
Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Sehr geehrter Herr Kollege, ich glaube, ich habe eben die Ausführung gemacht, dass wir mitten Prozess sind, dass wir genau diese Punkte, die Sie angesprochen haben, diskutieren und dass wir zeitnah hier im Raum etwas vorlegen werden.
(Beifall bei der CDU)
Gordon Köhler (AfD):
Dann noch eine zweite Frage. Wir haben, als die Debatte aufploppte, die Reaktion Ihres Koalitionspartners SPD wahrgenommen. Wir haben auch gerade die Ausführungen vernommen. Da hieß es, es steht nicht im Koalitionsvertrag, passt nicht in die Zeit und wird es nicht geben. Mich würde an dieser Stelle interessieren, wie Sie auf diese Kritik grundsätzlich erwidern, dass diese Schullaufbahnempfehlung nicht in die Zeit passt.
Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Ich habe eben zugestanden, dass sich jede Fraktion eine Meinung zu diesem Thema bilden kann. Die SPD hat eine Meinung, die CDU, Sie haben eine Meinung, FDP, GRÜNE, LINKE. Das kann man hier wahrnehmen. Die Meinungen müssen in einer Koalition in einem Kompromiss geeint werden. Das ist immer so. Wir machen auch Dinge außerhalb des Koalitionsvertrages in anderen Bereichen. Hier wäre es auch keine Unmöglichkeit. Man kann sich zusätzliche Dinge, die nicht im Koalitionsvertrag stehen, immer auf den Tisch ziehen und bearbeiten. Der ist zwar Grundlage für unsere Arbeit, aber darüber hinaus kann man sich mit allem beschäftigen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke. Ich sehe keine weitere Frage.
Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Gut.
(Frank Bommersbach, CDU: Wieder was gelernt!)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Ja, für Sie ist das gut. - Wir setzen die Regierungsbefragung fort. Als Nächste ist die Fraktion DIE LINKE an der Reihe.