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Plenarsitzung

Transkript

Tobias Krull (CDU):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die aktuelle Situation der Krankenhäuser in unserem Bundesland hat unterschiedlichste Ursachen. Dabei gilt es aus der Sicht meiner Fraktion, nicht nur die derzeitige Lage in den Blick zu nehmen, sondern auch auf die Zukunftsfähigkeit unserer Krankenhauslandschaft zu achten. Dabei setzen wir auf einen Dreiklang aus Erreichbarkeit, Bedarfsgerechtigkeit und der Sicherung der Patientenqualität. Gerade deshalb hat meine Fraktion das Gutachten zu Krankenhausstrukturen in unserem Bundesland sehr intensiv, nachhaltig und wahlperiodenbergreifend verfolgt. Dies hat nun seinen Weg in den Koalitionsvertrag gefunden, und ich bin froh, dass wir im März dieses Jahres die entsprechenden Unterlagen bekommen sollen. - An späterer Stelle mehr dazu.

Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser als Herausforderung zu bezeichnen, ist definitiv untertrieben; und, Frau Ministerin: Krankenhäuser werden zurzeit auch dadurch gestützt, dass die Kommunen Bürgschaften übernehmen. Also, so einfach kann man sich die Lage an dieser Stelle nicht machen, wenn man sagt, es gebe keine finanziellen Schwierigkeiten bei der Liquidität.

Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft, in der auch die Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt Pflichtmitglied ist, hat im September letzten Jahres die Kampagne „Alarmstufe Rot - Krankenhäuser in Gefahr“ gestartet. 60 % aller Krankenhäuser in Deutschland sollen laut Krankenhausgesellschaft defizitär sein; die Lage in Sachsen-Anhalt sieht wahrscheinlich ähnlich aus. Nach veröffentlichten Aussagen sollen pro Krankenhaus pro Monat Defizite zwischen 500 000 und 1 Million € erwirtschaftet werden. Die Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt spricht von 300 Millionen € Gesamtdefizit bei den Krankenhäusern, ohne dies jedoch auf einzelne Standorte herunterbrechen zu können.

Ich denke, wir sind uns hier im Hohen Hause einig, dass diese Situation unterschiedliche Ursachen hat. Natürlich sind die Krankenhäuser von den steigenden Energiekosten sowie den allgemeinen Kostensteigerungen betroffen. Dies trifft übrigens genauso auf die stationären Pflegeeinrichtungen, die Einrichtungen der Eingliederungshilfe oder die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe zu.

Aber zurück zu den Krankenhäusern. Bezogen auf das einzelne Krankenbett ist der Energieverbrauch so hoch wie bei einem Einfamilienhaus; manche sagen sogar, wie bei drei Einfamilienhäusern. Diese Tatsache macht deutlich, dass Krankenhäuser natürlich insbesondere von steigenden Energiepreisen betroffen sind, wobei wir die Tatsache beachten müssen, dass die Situation nicht bei jedem Krankenhaus gleich ist. So gibt es Krankenhäuser, die über eigene Energieerzeugungsanlagen verfügen, und es gibt unterschiedliche Vertragslaufzeiten, was die Energiepreise betrifft.

Der Bund hat die Situation zumindest anerkannt und hat im Rahmen des Doppelwumms-Pakets, wie es genannt wird, entsprechend Geld zur Verfügung gestellt: 168 Millionen €, davon 120 Millionen € für die steigenden Energiekosten, in einer Spitzabrechnung. Ich habe Zweifel daran, dass diese 120 Millionen € ausreichen. Falls dies nicht der Fall sein sollte, sind wir in Gesprächen, ob man hierbei nachsteuern müsste - falls diese 120 Millionen € nicht ausreichen. Die restliche Summe für die normale Inflation wird per Bett abgerechnet. Wir haben rund 16 000 Betten gemeldet. Dazu kommen die üblichen Entlastungsmaßnahmen für die Kommunen und Unternehmen in unserem Bundesland, die auch bei den Krankenhäusern greifen. - So weit, so gut - oder eben auch nicht.

Aber die finanzielle Schieflage hat natürlich noch andere Gründe, z. B. den Wegfall der Vorhaltepauschalen für die Bereitstellung der Kapazitäten für mögliche Coronapatientinnen und  patienten im Sommer letzten Jahres. Gleichzeitig ist allgemein festzustellen, dass die Anzahl der behandelten Fälle in den Krankenhäusern zurückgegangen ist, was natürlich auch wieder dazu führt, dass Umsatzerlöse zurückgehen. Dazu kommt, dass Betten abgemeldet, ja, ganze Stationen aufgrund von Personalmangel schließen müssen. Auch dort können natürlich Umsätze nicht generiert werden.

Auch die Finanzierung von Investitionen aus den Fallpauschalen hat negative Auswirkungen auf die Bilanzen der Krankenhäuser. Hierbei sei daran erinnert, dass die Finanzierung der Krankenhäuser in Deutschland im Wesentlichen auf zwei Säulen ruht: zum einen auf der Investitionsfinanzierung, die durch die Länder zu erfolgen hat. Dabei muss man selbstkritisch feststellen, dass das Land Sachsen-Anhalt im Schlussfeld der Tabelle zu finden ist. Veränderungen wurden auf den Weg gebracht, z. B. mit dem Mittel des Krankenhauszukunftsgesetzes oder dem Corona-Sondervermögen des Landes Sachsen-Anhalt.

(Ulrich Siegmund, AfD: Sonderschulden!)

Die andere Säule sind die Betriebskosten, die über den Fallpauschalenkatalog - kurz: DRG oder Diagnosis Related Groups - finanziert werden. Hierbei kam und kommt es zu Fehlanreizen. So werden wichtige Leistungen, bspw. in der Kinder- und Jugendmedizin, nicht ausreichend finanziert, und auch die Notfallversorgung rechnet sich wirtschaftlich nicht für die Krankenhäuser in unserem Land. Durch sogenannte Sicherstellungszuschläge wurden Unterstützungsmaßnahmen auf den Weg gebracht; aber das sind wieder nur kleine Schritte, um die bestehenden Probleme abzudecken. Eine weitere Maßnahme war die komplette Herausrechnung der Pflegekosten aus den DRGs, auch um den Kostendruck bei der Bezahlung des Pflegepersonals bei den Krankenhäusern zu vermeiden.

Was wir brauchen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind Planungen, die Zukunftssicherheit schaffen. Unser klares Ziel ist dabei der Erhalt der aktuellen Krankenhausstandorte als Orte der medizinischen Versorgung in unserem Land. Dabei wird es auch zu Veränderungen an einzelnen Standorten kommen. Das sogenannte Krankenhausgutachten habe ich bereits erwähnt. Nach diesem sollen unter anderem folgende Punkte beachtet werden: Es geht um eine bedarfsgerechte Krankenhauslandschaft. Dies bedeutet nicht automatisch den Abbau von Betten, sondern die Vorhaltung im benötigten Umfang.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Die Daten der ambulanten Versorgung werden einbezogen. Hierbei gilt mein Dank ausdrücklich der Kassenärztlichen Vereinigung. Es geht um die sektorenübergreifende Versorgung, auch im Rahmen neuer Versorgungsmodelle. Ohne eine Zusammenarbeit von ambulanter und stationärer Versorgung wird die Versorgung der Menschen in unserem Land mit medizinischen Leistungen nicht möglich sein.

Weiterhin geht es die Betrachtung der trägerübergreifenden Zusammenarbeit. Kooperationsbeispiele wie das des Uniklinikums Magdeburg mit dem städtischen Klinikum Magdeburg sind hierbei wichtig.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Außerdem möchte ich ausdrücklich für meine Fraktion betonen: Wir stehen weiterhin zur Trägervielfalt in unserem Land.

(Beifall bei der CDU)

Auch länderübergreifende Betrachtungen sollen angestellt werden. Menschen richten sich bei der Suche nach medizinischen Behandlungen nicht nach Ländergrenzen. Wir dürfen das bei den Planungen nicht unberücksichtigt lassen.

(Zustimmung von Sandra Hietel-Heuer, CDU, und von Guido Heuer, CDU)

Die aktuellen Bundespläne zu den Krankenhäusern müssen ebenfalls beachtet werden. Sie wurden vor Kurzem öffentlich vorgestellt und von einer Expertenkommission erarbeitet. Die Kategorisierung einer Grundversorgung, also z. B. eine medizinisch-pflegerische Basisversorgung mit grundlegenden chirurgischen Eingriffen, soll an einem Standort mit der Bezeichnung Level In erfolgen. Es soll noch ein Krankenhauslevel Ii geben; dort sollen ambulante und stationäre Versorgung sektorenübergreifend erfolgen. Hier sollen übrigens auch keine DRGs mehr gezahlt werden, sondern nur noch Tagespauschalen. Zweites Level: Regel- und Schwerpunktversorgung, also Krankenhäuser, die noch mehr anbieten können, und zum Schluss Level III: Maximalversorger, wie die Uniklinika in unserem Land oder auch Bergmannstrost. Außerdem soll das DRG-System um den Faktor Vorhaltekosten ergänzt werden. Das ist grundsätzlich der richtige Ansatz, aber man muss auch feststellen: Es soll kein zusätzliches Geld in das System fließen. Das heißt, Finanzströme werden sich noch einmal ändern.

Des Weiteren erfolgt die Definition von Leistungsgruppen für die Krankenhäuser; nur diese werden dann auch finanziert. Für uns ist klar, dass sich diese Definition nicht allein daran festmachen kann, wie viele Patientinnen und Patienten in der Fallgruppe versorgt werden. Bei nicht planbaren medizinischen Eingriffen ist auch die Erreichbarkeit ein erheblicher Faktor in einem Flächenland wie Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und von Sandra Hietel-Heuer, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es darf auch nicht sein, dass der Bund hierbei Alleinentscheidungen trifft. Die Planungshoheit der Länder muss weiterhin gewahrt bleiben. In diesem Sinne setzen wir auf einen konstruktiven Dialog auf Augenhöhe zwischen dem Bund und den Ländern, auch wenn uns bereits jetzt Schreiben von Krankenhäusern erreichen, die Befürchtungen äußern, dass die bisher erbrachten Leistungen nicht mehr abgerechnet werden können und damit die wirtschaftliche Existenz der Häuser in Gefahr ist.

Um es noch einmal deutlich zu machen: Wir als CDU stehen klar zu unseren Krankenhäusern. Wir sehen auch die Notwendigkeit einer Profilierung und Zusammenarbeit, vor allem im Sinne der Sicherstellung der Behandlungsqualität für die Patientinnen und Patienten in unserem Land. Wir setzen auf eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Akteuren im Land. Wir sind uns bewusst, dass die Krankenhausversorgung für die Menschen von hoher emotionaler Bedeutung ist. Das zeigen nicht zuletzt die unterschiedlichen Demonstrationen vor Ort für das jeweilige Krankenhaus.

Schlussendlich geht es um die Sicherstellung der medizinischen Versorgung. Deshalb brauchen wir eine offene Kommunikation, die Entwicklungsperspektiven aufgreift und dabei bestehende Probleme nicht wegredet oder glaubt, dass einfach nur mehr Geld im System die Probleme lösen würde. Das ist nämlich nicht der Fall. - In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Es gibt auch hierzu eine Frage, und zwar von der Abg. Frau Anger. - Bitte, Sie haben das Wort.


Nicole Anger (DIE LINKE):

Herr Krull, Sie haben sich in Ihren Redebeitrag auf die stationären Pflegeeinrichtungen bezogen. Ich würde Sie gern fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass die Pflegeeinrichtungen ihre steigenden Kosten auf die Patientinnen umlegen. In den Jahren 2017 bis 2021 ist der Eigenanteil von 1 200 € auf 1 900 € angestiegen. Momentan prognostiziert man, dass im Schnitt etwa 3 000 € pro zu pflegender Person als Eigenanteil zu zahlen sind. Das ist eine soziale Katastrophe für die Menschen, die auf die Pflege in einer stationären Einrichtung angewiesen sind. - Ist Ihnen das bekannt?


Vizepräsident Wulf Gallert:

Bitte, Sie haben das Wort.


Tobias Krull (CDU):

Frau Kollegin, auch ich lese Medien, und natürlich habe ich die Statistiken wahrgenommen, wie die Preissteigerungen sind: im Durchschnitt auf 1 800 €. Sachsen-Anhalt liegt mit 1 800 € deutlich über dem, was wir früher hatten, aber noch deutlich unter dem Bundesdurchschnitt; auch das ist ein Teil der Wahrheit. Und ja, es können Kosten umgelegt werden. In meiner Rede habe ich aber darauf hingewiesen, dass mit den steigenden Energiekosten nicht nur die Krankenhäuser, sondern auch andere soziale Einrichtungen zu tun haben,

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE Die können sie umlegen!)

wie bei den Eingliederungshilfen. - Die können sie nicht umlegen. Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen stationärer Art, wie Kinder- und Jugendheime, können sie auch nicht umlegen, sondern sie müssen in Verhandlungen mit den örtlichen Trägern der Jugendhilfe gehen, ob sie die Sätze entsprechend erhöhen. An dieser Stelle sei auch das Thema der Heimrichtlinie erwähnt, die wieder einmal angepasst werden müsste, was die entsprechenden Sätze betrifft. Aber das sind andere Fachthemen, die wir diskutieren müssen, weil wir natürlich auch die Realitäten sehen. Wer heute beim Frühstück der Diakonie dabei war: Auch dort wurden solche Themen angesprochen.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Nicole Anger, DIE LINKE)